[249] Mitgetheilt von H. Schlosser.
Es waren zwei Edelkönigs-Kinder,
Die beiden die hatten sich lieb,
Beisammen konten sie dir nit kommen,
Das Wasser war viel zu tief.
Ach Liebchen köntest du schwimmen,
So schwimme doch her zu mir,
Drey Kerzlein wollt ich dir anstecken,
Die solten auch leuchten dir.
Da saß ein loses Nönnechen,
Das that, als wenn es schlief,
Es that die Kerzlein ausblasen,
Der Jüngling vertrank so tief.
Ach Mutter herzliebste Mutter,
Wie thut mir mein Häuptchen so weh,[249]
Könt ich ein kleine Weile
Spazieren gehn längst der See.
Ach Tochter herzliebste Tochter,
Allein solst du da nit gehn,
Weck auf deine jüngste Schwester,
Und laß sie mit dir gehn.
Ach Mutter herzliebste Mutter,
Mein Schwester ist noch ein Kind,
Sie pflückt ja all die Blumen,
Die in dem grünen Wald sind.
Ach Mutter herzliebste Mutter,
Wie thut mir mein Häuptchen so weh,
Könt ich eine kleine Weile
Spazieren gehn längst der See.
Ach Tochter, herzliebste Tochter,
Alleine sollst du da nit gehn,
Weck auf deinen jüngsten Bruder,
Und laß ihn mit dir gehn.
Ach Mutter, herzliebste Mutter,
Mein Bruder ist noch ein Kind,
Er fängt ja alle die Haasen,
Die in dem grünen Wald sind.
Die Mutter und die ging schlafen,
Die Tochter ging ihren Gang,
Sie ging so lange spazieren,
Bis sie ein Fischer fand.[250]
Den Fischer sah sie fischen,
Fisch mir ein verdientes roth Gold,
Fisch mir doch einen Todten,
Er ist ein Edelkönigs-Kind.
Der Fischer fischte so lange,
Bis er den Todten fand,
Er grif ihn bei den Haaren,
Und schleift ihn an das Land.
Sie nahm ihn in ihre Arme,
Und küßt ihm seinen Mund:
Adie mein Vater und Mutter,
Wir sehn uns nimmermehr.
Ausgewählte Ausgaben von
Des Knaben Wunderhorn
|
Buchempfehlung
Während seine Prosa längst eigenständig ist, findet C.F. Meyers lyrisches Werk erst mit dieser späten Ausgabe zu seinem eigentümlichen Stil, der den deutschen Symbolismus einleitet.
200 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro