Die hohe Unterhändlerin

[107] Büschings und von der Hagens Volkslieder. S. 89.


»Schwing' dich auf, Frau Nachtigall, geschwinde,

Vor meines Liebsten Fensterlein dich finde;

Sing' ihm das Lied, welches, ohn Beschweren,

Mir erdacht, mein'm Schatz zu Ruhm und Ehren.«


»Ich komm' her von eurer Schönen, Zarten,

Welche mich aus ihrem Rosengarten,[107]

Sendet zu euch sammt einem Kranz geringe,

Den ich euch von ihrentwegen bringe.«


»Glück und Heil sie wünscht von Herzensgrunde

Ihrem Schatz zu jeder Zeit und Stunde,

Ihr zartes Herze ist gar sehr besessen

Sie kann ihres Liebsten nicht vergessen.«


»Je länger, je lieber heißt ein Blümelein,

Daraus hat sie gemacht das Ehrenkränzelein,

Augentrost ist darunter gemenget,

Vergiß mein nicht mit eingesprenget.«


»Auch ist so viel Ehrenpreiß darinnen,

So werdet ihr des Wohlgemuthes innen;

Der Kranzbügel ist mit Ehren gewunden,

Ein treues Herzelein hat ihn gebunden.«


»Merkt noch mehr, was sie mir hat befohlen,

Das sag' ich euch ganz frey und unverholen:

Ohn' Antwort soll ich nicht wieder kommen,

Darum merkt wohl, was ihr von mir vernommen.« –


»Fleißig hab' ich dein' Botschaft verstanden,

Antwort soll auch seyn bei mir vorhanden;

Schwing' dich auf mit deinem zarten Gefieder

Und grüße mir mein tausend Herzelein wieder.«


»Nichts liebers hätte sie mir können schicken,

Dadurch sie thät mein junges Herz erquicken;

Als das Kränzelein mit den schönen Blumen,

Die man sonsten selten thut bekommen.«[108]


»Ein Demant, ein Stein gar hart und theuer,

Welchen doch verzehren kann das Feuer;

Ist kaum meinem Herzen zu vergleichen,

Drum thät es das Kränzelein erweichen.«


»Von mir sag dem allerschönsten Herzen,

Eitel Freud' und Wonn' ohn' alle Schmerzen;

Thu ihr für das Geschenk großen Dank sagen:

Fröhlich bin ich, weil sie mir ist gewogen.«


»Sprich, ich will ihr'r wieder nicht vergessen,

Ob ich mich gleich nicht kann hoch ermessen!

Schwing dich auf, sag' ihrem rothen Mund:

Gute Nacht, Glück, Heil zu aller Stund.«


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 3, Stuttgart u.a. 1979, S. 107-109.
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