Der Weber und die Spinnerin

[209] Als ich Geselle noch war und webte geschäftig beim Meister,

Sprang ich für Augenblickslohn oft zu der Tochter hinein;

Immer fand ich die Braut beim schnurrenden spinnenden Rädchen,

Ungeduldig einmal schwieg ich tückisch in mir;

Doch sie fragte mich nicht, da brach ich das Schweigen erglühend:

»Wahrlich, die Göttin that recht, als sie Arachnen bestraft;

Denn nur Eitelkeit ist's, zu lieben und Andres zu schaffen,

Als das zierliche Werk, dessen Rädchen das Herz.«

Ungeschickter, sie sagt, ganz ruhig beschaut sie den Faden,

Stören die Hände Dich je, die beschäftigt im Werk?

Höre den ruhigen Takt, das Ungeordnete gleichend,

Und das Auge es weiß, was Dir erlaubt sei dabei! –

Wohl ich nützte auch gleich die zart mir gegebene Erlaubniß,

Und ich gab ihr den Kuß, doch nur den Backen er traf.

»Ach«, so seufzte ich dann, »kein duldendes Weibchen ich wollte,

Sondern das harrend gelauscht, mich im Kommen umschließt!«[209]

Bläulich blühet der Flachs, entgegnet sie, Hoffnung der Liebe,

Daß ein bräutliches Bett wachse in Blumen darauf;

Doch die Blume, sie täuschet, es fallen die bläulichen Blätter,

Und der Faden erwächst unter der Blume versteckt,

Tief gebücket wir ziehen ihn aus zum Brechen und Spinnen,

Ehe die Blumen so hell stehen im Laken gewebt.

Nun verzweifelst Du schon, noch ehe die Arbeit geworden,

Und schon mürrisch Du bist, eh noch gesponnen der Flachs. –

Und es brach ihr der Faden, da bat sie flehend um Gnade,

Spann nun selber da an, wo ihr gebrochen das Herz;

Grob ward der Faden, ich glaub es, doch hält er länger und länger,

Und sie zeigte mir ihn, streifig im Laken verwebt,

Als ich zum eigenen Heerd mir holte mein liebliches Bräutlein,

Und das Bette so weiß stand in dem Zimmer bereit.

Seit nun die webende Zeit uns einte, priesterlich segnend,

Was die liebende Brust früher gesegnet in sich.

Da vergaß ich so oft den Faden, vergaß auch die Lehre,

Denn das Eigenste ist, was sich am leichtsten vergißt.

Heute vergaß ich ihn ganz, als zürnend ich aufsprang vom Bette,

Und im flatternden Hemd schimpfte die rastlose Frau,

Die den Mund nur verschließt beim ersten Krähen der Hähne,

Um zu sagen die Stund, die mich zum Webstuhl verbannt.

»War es schimpflich dem Gott«, so rief ich, »zu spinnen beim Weibe,

Ich ertrüg es so gern, denn ich säh Dich dabei.

Doch so muß ich zum Webstuhl, zu schauen die seidenen Faden

Und Du selber, Du spinnst mich wie den Seidenwurm ein,

Förderst dies flüchtige Rädchen vom Morgen bis wieder zum Abend,

Wäre dies Rädchen entzwei, würde die Liebe mir neu;

Kurzweil wird Dir zu lang, die lustgen Gesellen mir werden

Alle jetzunder so fremd, fremd wird der kühlende Wein;

Früh muß ich weben und spät noch, was Du gesponnen geschäftig,

Müßig ins Aug Dir zu schaun, wär mir ein süßer Geschäft.

Wozu hilft mir das Geld, Du sammelst sorgsam den Kindern,

Ich bin ein dienender Greif, der die Schätze bewacht.«

Wüthend ergriff ich das Spinnrad und wollte durchs Fenster es schmettern,

Doch der Faden wie Gold glänzte im Morgenlicht hell,

Und die Kinder sie beteten laut im Bettchen zusammen,

Was der Ältste gesagt, spricht ihm der Jüngere nach.[210]

Und ich horchte, er sprach: »Du Kleiner falte die Hände,

Mutter, das tägliche Brot, Vater, gieb es auch heut!«

Und sie reichte den Beiden ein Brötchen mit Butter bestrichen,

Das sie am Abend sich selbst hatte vom Munde gespart.

»O Du goldene Frau!« so rief ich, »daurend in Elend,

Ja Du spinnest in Gold Fäden zum Leben mir fest;

Zeit, die vergangen mir sonst in die Launen, die läßt mir Gewebe,

Und zur Zukunft ich werf ruhig mein webendes Schiff.

Jegliches mehrt sich bei Dir, als ruhte ein göttlicher Segen,

Wo Du helfend mir nahst, wo Du tröstend mir hilfst.

Unsere Enkel dereinst, sie sollen erstaunen des Werkes,

Das in gemeinsamem Fleiß wir zusammen vollbracht.«


Quelle:
Achim von Arnim: Sämtliche Werke. Band 23: Gedichte, Teil 2, Tübingen und Berlin 1976, S. 209-211.
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