Wacht auf mit innern Sinnen

[80] Wacht auf mit innern Sinnen,

Erhebt die Augenlieder,

Von denen Thränen rinnen,

Von Innen strahlts hernieder:

In tiefe Kerkernacht

Unsichtbar Lauernden,

Strahlt frei des Herren Macht,

Unschuldig Trauernden.


In Geistes Dämmerungen

Naht euch der Unerreichte,

Hat euer Herz durchdrungen,

Daß Geist vom Geiste leuchte;

In seiner Gnade Macht

Strahlt der Verachtete,

Er hat ans Licht gebracht,

Schuldlos Umnachtete.


Ihr hebt die trüben Blicke

Hinauf zu dunklen Fernen,

Sie bauen euch die Brücke,

Aus ewgen Himmelssternen:

Ein jeder Blick zum Herrn

Vom still Erliegenden,

Glänzt hell als ew'ger Stern

Am Thron des Siegenden.


Er braucht nicht Menschenhände,

Mit seinen Gnadenworten

Durchbricht er Kerkerwände,

Und öffnet Himmelspforten:

Was euch geschieht auf Erden,

Ihr schuldlos Leidenden,

Wird reich vergütigt werden

Euch selig Scheidenden.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämtliche Werke. Band 23: Gedichte, Teil 2, Tübingen und Berlin 1976, S. 80-81.
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