Das Geheimniß Christi und der Gemeine.

Eph. V.

[294] Nach dem Lied: Ich bin verwundt.


1.

Brennt immer hin

Ihr angezündte Flammen/

Behalt't die Krafft beysammen/

Und hebt den schweren Sinn

Mit euren Liebes-Flügeln

Nach jenen Weyrauchs Hügeln/

Da mein verliebter Sinn

Brennt immer hin.


2.

Ich weiß es schon

Wo ich den Schönsten funden/

Der meinen Geist verbunden;

Er ist der Liebe Lohn/

Der sich mir selbst muß geben/

Soll anders ich noch leben/

Wo seine Schönheit wohn

Das weiß ich schon.
[294]

3.

Ich hab Ihn nun!

Und such ihn doch noch immer

In meines Hertzens Zimmer

Wo Er so gern wil ruhn.

Das hitzige Verlangen

Der Lieb hat mich gefangen

Mir stetig wol zuthun/

Ich hab Ihn nun.


4.

Was gibt Er mir?

Er hat sein gantzes Leben

In mich zu eigen geben/

Ich lebe nun nicht hier/

Ich soll mich selbst nicht regen/

Er will seyn meyn bewegen/

So gibt Er für und für

Sich selber mir.


5.

Ein brennend Hertz

Hat Er in mich verstecket

Das mich zur Lieb erwecket

Und hitzt wie eine Kertz.

Ich fühl die Feuer Kohlen/

Wie Er mir hat befohlen/

So lodert stets auffwerts

Mein brennend Hertz.


6.

Sein Liebes-Schos

Ist meine Ruhe-Stätte/

Mein keusches Ehebette/

Mein zugetheiltes Loß;

Ich darff mich zu ihm legen

Wie Keusch-Verliebte pflegen/

Da wird das Feuer groß

Im Liebes-Schos.


7.

Kein Auge sieht

Kein Hertz hat über kommen

Kein Ohr hat je vernommen

Wenn unser Bette blüht:[295]

Was Gott hat dem bereitet/

Der sich von ihm nicht scheidet/

Und Liebe in sich zieht

Die man nicht sieht.


8.

Man kan auch nicht

Von dem Geheimniß schreiben/

Es muß verschwiegen bleiben/

Was Lieb in uns verricht/

Es ist recht groß zu nennen/

Wenn Jesus will erkennen

Die Braut in seinem Licht/

Man kennt es nicht.


9.

Verstummen muß

Vernunfft und alle Sinnen/

Deß Bräutigams Beginnen

Ist gleich den schnellen Fluß/

Sein gar zu treuer Wille

Macht eignes Wollen stille/

Weil alles bey dem Kuß

Verstummen muß.


10.

Ein süsses Wohl

Durchdringt mit Gottes Kräfften/

Und bey den Liebs-Geschäfften

Darauß ich Labsahl hol/

Man weiß sich nicht zu lassen/

Und macht frembd Feuer hassen

Die reine Liebes-Kohl

Vom süssen Wohl.

11.

Die reiche Frucht

Der Liebe wird schon kommen!

Wenn man nur angenommen

Die Erstlinge der Zucht/

Die sie an uns gewendet/

Wenn erst die Lieb vollendet/

So wird mit Lust gesucht

Die Liebe-Frucht.
[296]

12.

Du Schönster du

Laß deine milden Küsse/

Als so viel Zucker-Flüsse/

Mir allzeit rinnen zu.

Ich kan ohn dich nicht bleiben/

Mich soll von dir nichts treiben/

Du bist mein Trost und Ruh

Du Schönster Du.

Quelle:
Gottfried Arnold, München 1934, S. 294-297.
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