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[291] Nach dem Weltlichen Lied: Hör meine Schöne.
1.
Komm/ komm/ mein Schöner/
Du Nazarener/
Mit deinen Blicken/
Die mich erquicken!
Wo hat sich deine Liebe hingesteckt/
Daß deine Blitze
Mit ihrer Hitze
Nicht mehr bestrahlen
Mich und bemahlen?
Hat irgend deine Lieb sich gantz verdeckt?
2.
Laß dich doch finden/
Und überwinden/
Du Lebens-Fürste/
Die weil ich dürste
Nach deinem süssen Krafft- und Liebes-Blut
Hör wie ich ächze
Und nach dir lechze/
Mir ist so bange/
Wenn du bleibst lange/
Denn dein' Abwesenheit ist mir nicht gut.
[291]
3.
Ach laß dich sehen/
Und bald geschehen/
Daß mein Gewissen
Dich stets mag küssen/
Und truncken ward von deiner Liebe-Wain/
Daß ich nicht mercke
Mehr todte Wercke/
Und nichts mehr bleibe
Vom Sünden-Leibe/
Dem Blut mach mich von allen Flecken rein.
4.
So komm mein Hertze/
Du Liebes-Kertze/
Laß noch auff Erden
Mich dir gleich werden:
Erwärme mich mit deinem theuren Blut.
Nimm meine Schwärtze
Und todes Hertze
Und bleib der Meine/
Ich bin der Deine/
So machstu/ meine Lieb in mir das Böse gut.
5.
Ich will mich setzen
Und stets ergetzen
Zu deinen Füssen/
Laß doch geniessen
Dein süsses Manna deiner armen Magd.
Laß mich nichts hören/
Als deine Lehren/
Und nichts Verlangen/
Als zu umfangen
Dich meinen Bräut'gam/ wie du mir hast zugesagt.
6.
O Allerschönster/
Laß deine Fenster
Doch immer offen/
Daß ich kan hoffen/
In Lieb und Leyde stets bey dir zu seyn.
Laß meinen Glauben
Durch Liebes-Trauben[292]
Vollkommen werden
Noch hier auff Erden/
So bleib ich ewig dein/ und du bleibst mein.
7.
Mein Liebster/ sage
Auff meine Klage
Mir Antwort wieder/
Und setz dich nieder
In meine gantz in dich verliebte Seel.
Wie kanstus sparen
Zu offenbahren
Mir gantz dein Hertze?
Daß meine Kertze
Nicht dunckel brenn/ gib meiner Lampe Oel.
8.
Wie eine Klette
Und eine Kette
Laß mich anhangen
Stets deinen Wangen.
Immanuel/ ich laß dich nimmermehr!
Du must mich segnen/
Und auff mich regnen
Viel Liebes-Tropffen/
Und tieff einpfroffen
Mich in dein Hertz zu deinen Preiß und Ehr.
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