[3] Der Herzog Lüthard und der Generalfeldmarschall Strafmichgott sitzen an einem kleinen Tisch und spielen Schach. Kammerherr steht neben der Thür und zupft an seiner Cravatte.
HERZOG.
Ich nehme Seinen Thurm –
GENERALFELDMARSCHALL in sein Spiel vertieft.
Dann nimmt der Herzog
Den Thurm, und ich – rochir' –
HERZOG.
Ich nehm' ihn, sag' ich,
Wenn Er nicht deckt.
GENERALFELDMARSCHALL laut.
Es ist in meinem Plan.
Der Herzog nimmt den Thurm.
Und jetzt rochir' ich. Eure Hoheit dachten
Wohl nicht an diese Wendung? Jetzo steht[3]
Das Spiel gerade so, wie zwanzig Züge
Vorher ich es berechnet, straf mich Gott!
HERZOG.
Das wäre! Laß mal sehn!
Indem er zieht.
Nach meiner Meinung
Ist Seine Königin nicht mehr zu retten.
Zum Beispiel – Schach!
GENERALFELDMARSCHALL.
Auch darauf war ich längst
Gefaßt.
Er bedenkt sich lange, unterdessen wird die Thür geöffnet, und der Kammerherr naht sich dem Herzog.
KAMMERHERR.
Der Polizeiminister!
HERZOG.
Sag' ihm,
Er müsse warten. Mitten jetzt im Schach –
KAMMERHERR.
Es scheint, er habe was entdeckt –
HERZOG.
Entdeckt?
Ist er sehr stark bepackt?
KAMMERHERR.
Wie nie! Er schwitzt.
HERZOG.
Was meint Er, Generalfeldmarschall? Soll ich
Herein ihn lassen?
GENERALFELDMARSCHALL zerstreut.
Wen?
HERZOG.
Den Polizei-
Minister?
GENERALFELDMARSCHALL halb vor sich.
Jetzt! wo's Spiel gerade ...
Laut.
Geben
Sich Eure Hoheit überwunden?
HERZOG.
Wie?[4]
Mich überwunden? Nimmermehr! Mein Spiel
Steht besser als das Seine.
Zum Kammerherrn.
Kammerherr!
Bitt' er den Baron Hinketeufel, außen
Ein'n Augenblick zu warten!
Zu Strafmichgott.
Sput' Er sich,
Feldmarschall! denn mein Frühstück wird mir kalt.
GENERALFELDMARSCHALL sein Spiel betrachtend.
So, straf mich Gott! –
Laut.
Es haben Eure Hoheit
Ja schon gefrühstückt!
HERZOG.
Körperlich. Mein Geist
Ist immer noch des Morgens völlig nüchtern,
Bevor ich, was des Nachts passirt, gehört –
Die Polizeiberichte.
GENERALFELDMARSCHALL.
Seit die Hauptstadt
Vom Feind genommen, bin ich Directeur
Der Polizei, so viel ich weiß –
HERZOG.
Der großen;
Der kleinen aber nicht. Regierungskunst
Steckt ganz in der geheimen Polizei –
Das hab' ich Ihm so oft gesagt – und diese
Besorg' ich durch den Hinketeufel selber;
Der ist mein Auge nur; und nicht einmal: –
Im Grunde nur mein Augenglas. Ich halte
Den Generalstab hoch; doch 's Militair
Kann überall nicht seyn – zumal wenn Alles
Im Lager ist.
GENERALFELDMARSCHALL.
Wo's fehlt, ist ja des Feindes,
Eu'r Hoheit! Das muß man den Vandaln lassen:
Die Polizei verstehn sie. Wo sie sind,
Ist sicher gar kein Aufstand zu befürchten –
Das Gute hat der Krieg auf jeden Fall.
Er vertieft sich wieder in sein Spiel.
[5]
HERZOG.
Der arme Hinketeufel!
Zum Kammerherrn.
Frag' Er doch,
Ihm leis' in's Ohr.
Ob er was Neues bringt von dem bewußten
Hebammen-Pikenik, wo die Maitresse
Des Prinz von Ell .... Genug! Er wird verstehn!
Kammerherr aus, und wieder herein.
KAMMERHERR dem Herzog leis' in's Ohr.
Noch heute nicht, Eu'r Hoheit.
HERZOG.
Nun – das andre –
Sag' ihm, ich sey beschäftigt jetzt – er mög' Ihm
Die Portefeuillen geben. Werde sie
Nachher durchsehn. –
Zum Generalfeldmarschall, während der Kammerherr aus-, und wieder eintritt.
Ich habe Schach gesagt.
GENERALFELDMARSCHALL.
Thut nichts. Was sagen aber Eure Hoheit
Zu diesem Zug?
HERZOG betrachtet genau das Spiel, und zieht.
Ich sage Schach, und – Matt!
GENERALFELDMARSCHALL.
Matt – matt! – Schach-matt – was? sagen Eure Hoheit
Matt? was? wo? wie? – Ja! straf mich – Matt! Ist's möglich?
HERZOG.
Es muß wohl, weil es wirklich ist. Feldmarschall!
Fatale Vorbedeutung! Spielt er nicht
Das große Schachspiel bald im Felde besser,
Dann wehe meinem Herzogthum!
GENERALFELDMARSCHALL aufstehend.
Gerade
Das Gegentheil, erlauben Eure Hoheit!
Sehr gute, straf mich! gute Vorbedeutung.
Ich habe nämlich meinen Plan verfolgt,[6]
Den Regeln der bejahrten Taktik treu,
Und Eure Hoheit haben's Spiel gewonnen.
HERZOG ebenfalls aufstehend.
Genug vom Spiel! Jetzt zu was Ernsterem.
Er meint denn also, Generalfeldmarschall,
Man müsse nur anrücken lassen?
GENERALFELDMARSCHALL.
Unstreitig, Eure Hoheit, straf mich Gott!
Werd' ich sie Alle schlagen – und je mehr
Je besser. – Darum möcht' ich eben
Sie All', im Lande hier, auf einen Fleck
Zusammenhaben. Denn zusammenhaben
Und sie zusammenhauen, Allzusammen,
Das ist mir allzusammen Eins, so wahr
Ich lebe, straf mich Gott!
HERZOG.
Die Generale,
Zumal der Tatarn und der Samojeden,
Sind alle ganz verschiedner Meinung. Alle
Sind eingekommen mit Gesuchen – haben
Hier vor mir, Einer nach dem Andern, gar
Auf ihren Knien geweint, geschluchzt, gefleht,
Ich möcht' es nicht darauf ankommen lassen,
Nicht warten, bis der Feind uns, überlegen
An Zahl, vielleicht umflügle; sondern gleich
Den Vordertrupp angreifen, und sein Heer
So nach und nach aufreiben.
GENERALFELDMARSCHALL.
Nach und nach? –
Auf einmal müssen, straf mich! alle Heere
Vernichtet werden, ganz, daß auch kein Flüchtling
Am Leben bleibt. – Was ich am meisten fürchte
Vom Feind, ist seine Flucht. Und schlügen wir
Das erste Heer, so flöhen gleich die andern.
HERZOG.
Doch sind dreihunderttausend Mann schon da.
GENERALFELDMARSCHALL.
Vierhunderttausend schon, so straf mich Gott![7]
Die Reiterei noch ausgenommen, und
Es nahn schon hunderttausend andre.
HERZOG.
Donner!
GENERALFELDMARSCHALL.
Thut nichts, Eu'r Hoheit, straf mich Gott!
HERZOG.
Was giebt
Ihm eigentlich die Zuversicht, Feldmarschall,
Die übergroße Zuversicht?
GENERALFELDMARSCHALL auf seinen Kopf deutend.
Das hier,
Das grau geworden in der alten Taktik –
Die Festung Dummliz, die unüberwindlich –
Und dieser Stock –
Er macht einen Schwung damit.
HERZOG.
Sein Stock da?
GENERALFELDMARSCHALL.
Ja, mein Stock,
Die Seele der Armee, – der Disciplin
Erfuchtler und Erhalter, tausendfach
In meiner Korporale Marschallstäben
Verkörpert. – Dies von Seiten unsrer! Und
Von Feindes Seiten? Die Grünschnäblerei
Der Führer, und der Plunder der Geführten!
Was sind's am Ende? Winz'ge Zwerghalunken,
Kaum fünf Fuß hoch! nur Lumpenkerls, Gesindel
Aus allen Ständen, Bauerlümmel, Bettler,
Worunter Juden, und Studenten gar,
Perrückenmacher, Schneider und Gelehrte;
Gelehrte, hat man mir gesagt – bedenken
Doch Eure Hoheit! – selbst Gelehrte! Was
Bedeutet all' das Zeug? Laß zehnmal stärker
An Zahl sie seyn – mit einem einzigen
Gehörig durchgefuchtelten Grebiner
Schlag' ich zweitausend lange Hosenträger
Todt – mausetodt, so straf mich Gott![8]
HERZOG.
Sie sind
Jetzt auch disciplinirt.
GENERALFELDMARSCHALL.
Kein' Ahnung! Nichts!
Kein Stock wird noch gebraucht. Und ohne Stock
Ist Disciplin so wenig möglich, als
Bewährte Taktik ohne graue Haare,
Und ächter Korporalschnitt ohne Zopf.
HERZOG.
Doch sie gehorchen ihren Führern, und
Die Führer, grüne Schnäbel, wie sie sind,
Verstehen's, wie es scheint.
GENERALFELDMARSCHALL.
Verstehen – was?
Die Taktik, wie gesagt, verstehn sie nicht,
Und also nicht den Krieg.
HERZOG.
Sie waren doch
Bis jetzt beständig Sieger.
GENERALFELDMARSCHALL.
Freut mich eben!
Die Ehr' ist um so größer, sie zu schlagen.
Ich habe zwanzig Jahre drauf gelauert –
Jetzt ist mein Wunsch erfullt.
Man klopft außen an der Thür. Kamemrherr geht hinaus, und kömmt wieder herein – sich gegen den Herzog verbeugend.
KAMMERHERR.
Courrier aus Pilzach,
Mit wichtigen Depeschen, die er selbst
Muß Euer Hoheit übergeben, sagt er.
HERZOG zum Generalfeldmarschall.
Des Baron Schnüffelbrenner's ganz gewiß!
'S st hohe Zeit. –
Zum Kammerherrn.
Herein!
GENERALFELDMARSCHALL.
Ich –[9]
HERZOG.
Bleib' Er nur!
Wir lesen sie zusammen gleich. – Er muß
Vor Allen wissen, wie es steht da draußen.
Kammerherr ab.
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