[307] HERZOG.
Wenn, was ich mein', ich ehrlich sagen soll,
Scheint mir Hans Wurst nichts weniger als toll.
Sein Stiefelknecht hat mir gar sehr gefallen.
OPITZ.
Mir ebenfalls.
GENERALFELDMARSCHALL.
Mir nicht.
HERZOGIN.
Mit einem Wort, uns Allen!
WERDER.
Wenn ich auch unmaßgeblich meine Meinung
Hier sagen darf, gefiel mir Nathan's Ring,
Wenn auch verhunzt, viel besser als das Stück.
ST.-PREUX.
Herr Hofrath leben lieber in Gesellschaft
Von Engeln als von Teufeln, und bei Weisen
Auch lieber als bei Narren.
Leise zu Julchen.
Haben Sie
Verstanden, Engel! was ich sagte?
JULCHEN.
Ach!
Verstand? ich habe keinen.
ST.-PREUX.
Mir entschwindet
Der meinige beim Anschaun Ihres Auges![308]
MAD. DAUPHIN.
Hans Wurst hat seine Rolle gut gespielt,
Der Stiefelknecht auch paßte sich zu ihm
Wie jener Ring zum Nathan.
PRINZ V. ELLENBOGEN.
Ah! charmant!
GENERALFELDMARSCHALL.
Ich wollt', das Stück wär' aus, so straf mich Gott!
'S sind alle Narren, und Hans Wurst der größte.
Ist's nicht bald aus, Herr Obertollinspector?
HERZOGIN.
Geduld! Das Stück hat ja kaum angefangen.
ST.-PREUX.
Ich hoffe, wir sind erst in der Exposition.
Zu Julchen.
An Ihrer Seite mag es ewig dauern.
Der Vorhang geht auf.
HERZOGIN.
O, stille! Seht, der Schauplatz wird verändert.
Man hört einen erschrecklichen Lärm von Wagen und Pferden, Kanonen und Trommeln.
Behüt' uns Gott! was giebt's?
DIE HOFDAMEN schreiend.
Was giebt's?
HERZOG.
Was ist in aller Welt denn los?
OPITZ.
So lange
Hans Wurst noch ruhig bleibt, befürcht' ich nichts.
Der Lärm wird immer entsetzlicher. Die Fenster zerspringen; das ganze Haus zittert; die Bühne wird mit Staub und Rauch erfüllt.
MAD. DAUPHIN.
C'est un orage!
PRINZ VON ELLENBOGEN.
Es ist ein Orkan!
BRUNO.
Mir scheint es ein Erdbeben![309]
DOCTOR STIRN.
Diese Tollen,
Befürcht' ich, werden Alle gänzlich toll!
WERDER.
Sie wollen, glaub' ich, jetzt den Himmel stürmen.
HERZOG.
Das wär' zu arg!
Zu dem Generalfeldmarschall.
Feldmarschall, lauf Er schnell,
Und sehe, was es giebt!
GENERALFELDMARSCHALL will die Thür aufmachen; kann nicht.
So straf mich Gott!
Die Thür ist zugeschlagen, – nicht zu öffnen, –
Das ist wohl in Erdbeben oft der Fall.
HERZOG.
Wir können also nicht heraus, Inspector?
TOLLHAUSINSPECTOR.
Nur über das Orchester und Theater; aber
Doch rath' ich das nicht an; denn ob sie gleich
Gekettet sind, so könnt' ich doch nicht einstehn
Für Unglück, Eure Durchlaucht.
HERZOG.
Tollinspector!
Was meinen Sie denn, daß es sey?
Der Lärm wird immer fürchterlicher. Alle Damen liegen in Ohnmacht.
TOLLHAUSINSPECTOR.
Ich will
Hans Wurst befragen.
Ruft.
He! Hans Wurst! Hans Wurst!
HANS WURST im Baume.
Was wollen Eur Gestrengen?
TOLLHAUSINSPECTOR.
Hörst Du nichts?
Und siehst Du nichts?
HANS WURST.
Ja, allerdings![310]
TOLLHAUSINSPECTOR.
Woher
Kommt dieser fürchterliche Lärm, als wenn
Die ganze Welt in Stücke ginge?
HANS WURST.
Ja!
Das soll sie eben nach dem Stück! Das ist
Im Plan, gestrenger Herr!
TOLLHAUSINSPECTOR.
Sey wahrhaft,
Und spaße nicht zur Unzeit! Es sind nicht
Die Tollen, welche diesen Lärm jetzt machen.
HANS WURST.
Nein, freilich nicht! Sie warten Alle ruhig
Nur auf mein Stichwort hinter den Coulissen.
Der Lärm nimmt zu. Es ist als wenn tausend Donner über die Bühne rollten.
TOLLHAUSINSPECTOR ungeduldig.
Was ist es denn? Willst Du antworten, gleich?
HANS WURST.
Es ist gar nichts, als – – – Warte nur, ich muß
Erst selbst recht hören – was der Commandant
Der Garde Seiner Hoheit mir von Außen
Zuruft –
Man sieht den Kopf des Commandanten über die Mauer im Hintergrunde der Bühne hervorgucken. Hans Wurst spricht mit ihm. Bald darauf tritt ein fremder Officier hinzu. Man kann aber wegen des entsetzlichen Getöses nicht hören, was sie einander zurufen.
HERZOG höchst ungeduldig.
Hans Wurst!
HANS WURST ohne herabzusteigen, mit fröhlichem Gesicht.
Es ist nichts, Euer Hoheit!
Nichts, als die feindliche vandalische Armee,
Die hinter dieser Bühne durch die Gassen
Von Jauer einzieht, und – wie mir so eben
Der Commandant berichtet, ganz Romanien[311]
Fast ohne Schwertstreich eingenommen hat.
Ich hab' indessen über diese Mauer
Mit dem verruchten Kerl, dem General,
Noch glücklich unterhandelt, und beschlossen:
Daß Euer Durchlaucht dieses ganze Haus
Mit sammt dem ganzen Hof, und allen Ihren
Getreuen Unterthanen, die sich hier
Befinden, lebenslänglich, unumschränkt,
Als souveraines Eigenthum behalten.
Nur soll der einz'ge Faust, und ich, – Gott weiß
Warum? – zur Stunde ausgeliefert werden.[312]
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