Zweiter Auftritt

[20] MICHELANGELO.

Was ist das für ein Jasten draußen und Gegröhl

Der Gassenjungen? Zwischendrin ein Schwein! Und jetzt

Evivarufe vor der Tür? Vom Fenster weg

Du mit dem Ferkel dort! Gibts keinen Fremden mehr,

Der einen Batzen für euch in die Tiber wirft?

Dann spült euch dort den Schmutz ab, statt euch hier zu räkeln.

Cellini ists. Ich kenn ihn an der Stimme. Wohl

Klingt sie und golden.

CELLINI mit einem Schwarm von Pilgern auftretend.

Hier herein müßt ihr, ihr Herrn!

Doch erst das staubige Lederzeug vorn Fuß gestreift,

Den Stock ins Eck gestellt, und das Barett, wers trägt,

Vom Kopf genommen! Nicht nur in Jerusalem

Gibts Boden, drauf der Fuß mehr brennt, wenn Sohlen drunter!

MICHELANGELO.

Habt aber acht! Am Boden hier klebt Material

Zu einem Regenbogen!

CELLINI winkt seinen Begleitern ab.

Michelangelo,

Es ist ein Schwarm Scholasten, Edler und Studenten.

Der eine kommt von Franzland her, der andre hoch

Vom Pol. Der dritte hat –[21]

MICHELANGELO.

Was führt sie her? Will zu

Carrara man im Steinbruch nützlich sein – Zuviel

Der Ehr, doch schlag ich ein: Um Himmelfahrt fängt dort

Die Arbeit wieder an. Wenn nicht – so schick sie fort!

Denn andres stört mich heut.

ERSTER STUDENT.

Kumpan, der also dort

Mit der Malaienfratze ist Buonarotti?

CELLINI zurücksprechend.

Schwarzgallig ist er immer, wenn das Wetter trüb.

ZWEITER STUDENT.

Sieh dir die Nase an: Wie sie sich erst verwirrt,

Die Richtung auszufinden und dann doch rechts schwenkt!

CELLINI zu Michelangelo.

Die Alpenwand vermochte nicht mehr deinen Ruf

Zu stauen. Schäumend brandete er drüber weg.

Das zog sie her. Und so ertrugen sie zu fünft

Den Kropf der Lombardei, zu zehnen in Florenz

Den Sonnenstich, um endlich drüben vor dem Dom

Nach deiner Werkstatt umzuirrn wie am Plafond

Das Mückenhäuflein irrt, wenn man das Licht wegschob.

MICHELANGELO.

Und nun?

CELLINI.

Frohlockt Cellini, daß er seinerseits

Auch Michelangelo einmal gefesselt hält.[22]

Gemach! Ich hatte eben eine Rauferei

Mit dem Orsini, der mir spöttisch neuerdings

Von Torrigianos Gegenwart im hiesigen Rom

Zu wissen tun versuchte.


Michelangelo hält den Torrigiano zurück.


Blutige Köpfe gabs.

Da wollte ich mich erst verschnaufen, eh ich kam,

Damit du nichts zu schelten hättst und machte mich

An diese wackren Leute ran. »Ei«, denk ich, »das

Geschwätz hat sicher ihn auch schon erreicht. Du nimmst

Sie mit –

MICHELANGELO.

und?

CELLINI leidenschaftlich.

läßt sie


Die andern stimmen ein.


huldigen!«

MICHELANGELO abweisend.

Dem Papst, nicht mir!

Er nennt sich Stellvertreter Gottes und beweists.

Vor ihm kniet hin! Dem Papste schwenkt das Weihrauchfaß!

Vor meiner Kunst steht aufrecht, oder ihr seid Lumpe!

CELLINI.

Das mir?


Zu den Begleitern.


Erwartet mich!

MICHELANGELO.

Du treibst es mir zu toll.

Als du für diesen Madensack, der Angelo

Buonarotti heißt, ausbrachst in heiliger

Verehrung – denn das wars – ich sagte nichts dazu,

Daß du allmählich ganz, im Tonfall deiner Stimme,[23]

In deiner Geste und der Art zu lachen dich

Als meinen unbewußten Doppelgänger zeigtest.

Die Jugend, dacht ich mir, sie braucht stets ein Zuviel,

Wenn sie nicht viel zu wenig haben soll. Ich lachte,

Wenn man dich Henker schmähte weil du jedermanns

Barett vom Kopfe schlugst, der in den Weg uns lief

Und zog es nicht. Erst als sogar der Papst mich schalt,

Ich halte teuflisch dich besessen und verwirrt,

Da machte ich dich allerorten lächerlich,

Und ich erzählte, wie du mir ein schmutzig Hemd

Einmal vom Spinde stahlst, um eine Nacht darin

Geträumt zu haben; wie du eines Feiertags

Mir einen Sessel brachtest, Blumen eingestickt,

Wo sich das Steißbein reibt.

CELLINI zurückspringend.

Du bist mir höchst verhaßt

In diesem Augenblick!

MICHELANGELO.

Wohl! Eine Zeitlang hieltst

Du Maß. Dann aber wurde Götzendienerei

Aus der Verehrung und am Ende Tyrannei.

CELLINI zu Torrigiano.

Ihr hörts! Es war sein Fehler immer, daß es ihm

An Selbstgefühl gebrach. Er geht noch dran zugrund.

Er fühlt sich nicht und so verliert er sich im Dunst!

MICHELANGELO.

Solang du nur den Hof- und Etikettenmeister

Nun an mir spieltest, sah ich dir, belustigt fast,[24]

Aufs neue zu. Nun dirs jedoch Vergnügen macht,

Mir jeden hergelaufnen Wicht als Huldiger

Heranzuschleppen, greifst du mir die Mußezeit

Und meine Freiheit an, ja machst mich lächerlich,

Setz ich dir keinen Punkt.

CELLINI.

Und also, du Mann Gottes,

Der mir verehrungswürdig und -bedürftig scheint

Wie nie?

MICHELANGELO.

Laß dir hier einen neuen Freund vorstellen.

CELLINI.

Mir einen neuen Freund?

TORRIGIANO zu Cellini.

Was haßt Ihr mich?

MICHELANGELO.

Es ist

Pietro Torrigiano!


Pause.


CELLINI lacht hell auf.


TORRIGIANO.

Ja, ich bins.

CELLINI.

Muß ich[25]

Schon wieder diesen ganz verruchten Namen hören?

Doch, als ein Spaß, ists jetzt entdeckt, was uns gefoppt!

Zu Ephesus hat ein gewisser Herostrat

Den Tempel der Diana einst in Brand gesteckt,

Um sich berühmt zu machen. Minder nicht nach der

Unsterblichkeit verlangend nahm der wirkliche

Und echte Torrigiano sich ein Beispiel dran

Und schlug die Nase Michelangelos entzwei.

Und nun kommt einer her, der uns betrügen möchte,

Gibt sich für Torrigiano aus und ist doch nur

Ein Dunkelmann, der jenem solch Berüchtigtsein

Noch neidet. Was für eine Narrenwelt!

MICHELANGELO.

Ich fürcht,

Die Dinge gehen schief,


Zu Cellini.


Du irrst.

TORRIGIANO.

Und noch einmal:

Ich bins. Gib deinen Haß auf! Laß vergessen sein,

Was es einander vorzuwerfen gibt!

CELLINI lachend.

So willst

Du also elendig zugrund gehn, wie du weisst,

Daß es dem Florentiner zugedacht?

MICHELANGELO.

Daß ich

Nicht den, nicht jenen kann verdammen![26]

TORRIGIANO.

Wollten wir

Nicht vor den Papst, Buonarotti?

CELLINI argwöhnisch und feindselig.

Sieh dich vor!

Sorgfalt verwandtst du auf dein Schwindelkleid! Bis zur

Berechnung, daß sich Torrigiano unterwegs

Den Bart wohl schießen ließe, triebst dus!

TORRIGIANO stampft mit dem Fuß.


CELLINI.

Ja, ich weiß:

Du könntst mir auch, getreu gefälscht, den Königsbrief

Von England zeigen. Ists so?

TORRIGIANO.

Eins jedoch trügt nicht!

Ich bin bereit dazu.

CELLINI lauernd.

Ja, eins gehört allein

Dem echten Torrigiano an.

MICHELANGELO.

Cellini, hör!

Du wirst vernünftig sein. Die Dinge ändern sich.

CELLINI zu Torrigiano.

Wirf Michelangelos Profil auf dieses Blatt![27]

TORRIGIANO höhnisch.

Ich tats bereits. Drehs um!

MICHELANGELO.

Halloh!

CELLINI.

Dem Teufel stand

Ich gegenüber und sah seinen Pferdfuß nicht!


Gegen die Tür.


Herbei, herbei, Gesellen! Torrigiano ist

Wahrhaft in Rom!

DIE MENGE die sich an der Tür versammelt hat.

Der Torrigiano ist in Rom?

Wo ist er denn?

CELLINI.

Man sagt von der geängsteten

Und ganz verscheuchten Kreatur, daß sie gradaus

Ins Feuer rennt bei einem Brand. Wahr muß es sein!

Wagnis und Tollkühnheit sind nicht die Namen mehr:

Der dort ists selbst, der Meister Michelangelo

Das Nasenbein zerschlug. Fort, streut es in die Gassen!

MICHELANGELO.

Dreimal verfluchte Gaukelei!

CELLINI beugt vor Michelangelo das Knie.

Hab Dank, daß du

Ihn hieltst.


Zu Torrigiano.


Zieh, Schuft![28]

TORRIGIANO zu Michelangelo.

So wärs Verrat?


Zu Cellini.


Dann wahre dich!


Hitziges Gefecht.


MICHELANGELO.

Laß ich sie fechten, stell ichs ihrem Stahl anheim,

Sich einen wegzufressen?


Cellini erhält eine Stirnwunde.


Eine Lösung wärs.

Der eine hat mein Wort. Der andere mein Herz

Es muß sich anders, muß sich sittlich klären.


Er tritt zwischen sie.


Halt!

Kein Mißverständnis!


Zu Cellini.


Nirgends gab ich dir das Recht,

In diesem Raum jemanden feindlich anzufallen;


Zu Torrigiano.


Dir einen Grund, an meinem Wort zu zweifeln. Steckt

Die Degen ein!

TORRIGIANO.

So führ mich vor den Papst! Ich darfs

Nun doppelt fordern.

CELLINI zu Michelangelo.

Vor den Papst? Was will er dort?

MICHELANGELO.

Er ist mein Feind nicht mehr. Ich habe ihm verziehn.

CELLINI.

Man hängt ihn an der nächsten Vogelfelle auf.


Zu Torrigiano.


Schlugst du die Nase des Buonarotti ein,

Streckst du die Zunge dafür raus! S' ist billig Recht.[29]

MICHELANGELO.

Cellini, hör mich an!

TORRIGIANO zu Cellini.

Ich habe vorerst nichts

Mit dir zu tun. Wenn du auch Rechenschaft mir stehst,

Die Stunde ist doch noch nicht reif dazu! Jetzt machst

Du dich nur lächerlich vor mir.

CELLINI.

Das ist denn doch –

MICHELANGELO.

Darnach, daß ich dir ohne Umschweif sage: Mit

Pietro Torrigiano hab ich mich vorhin

Nicht nur versöhnt, ich hab ihm auch die Amnestie

Versprochen.

TORRIGIANO triumphierend.

Nun, Cellini, lenkst du ein?

CELLINI zu Michelangelo.

Du hast

Dich – –

MICHELANGELO.

mit ihm ausgesöhnt.

TORRIGIANO zu Cellini, höhnisch.

Du schweigst?

CELLINI zu Michelangelo.

Du hast ihm gar – –?[30]

MICHELANGELO.

Die Amnestie versprochen.

CELLINI.

Schwörs!

MICHELANGELO.

Beim Sakrament,

Nun ists genug! Wahr ists, ich liebe alles, was

Den Gärtner lobt; was aus dem Stengel glüht, geschützt

Von zarterhobnen Händen, die dem Nordwind wehren,

Und wage an der halberschlossnen Rose kaum

Zu riechen, weil ich fürchte, sie verdorrt. Denn ich

Bin ruppiger Natur. Das Schlinggewächs jedoch

Und Rankenzeug, das nach dem Fuße greift und ihn

Verstrickt, das lieb ich nicht. Benimmt es mir den Schritt,

Dann reiß ich's aus.

CELLINI.

So hab ich hier nichts mehr zu tun.

In diesem Augenblicke fand ein Schisma statt:

Es trennte heftig sich von Michelangelo

Sein besseres Gewissen, das bin ich. Nun traf,

Was mir in schweren Träumen mancherlei das Herz

Erschreckte, nun trafs ein! So standen sie, wie jetzt,

Die Füße nach derselben Richtung setzend, da,

Freundselig. Geht denn das mit rechten Dingen zu?

Schnöd ists und gradaus seis erklärt: Es breitet sich

Ein müffiger Geruch aus über den, der nicht

Der wahre Michelangelo mir bleibt. Was lag

Mir je an einem Leib! Die Geister wehn hindurch

Und er zerfällt! Auf seinen Namen kommt mirs an![31]

Die Achtung dem zu wahren, wie sie ihm gebührt,

Dazu bin ich berufen, wärs auch wider ihn.


Zu Michelangelo.


Drum: Kennst du mich nicht mehr, ists, weil Cellini jetzt

Für den Buonarotti strebt, deß du dich nicht

Mehr würdig zeigst.

TORRIGIANO.

Das ist ein toller Spuck!

MICHELANGELO.

Dann rasch,

Mondsüchtiger, der auf Dächern geht! Ich ruf dich an.

Was wirst du tun? Wirst du den Aufruhr schärfen in

Der Stadt? Wirst du dem Manne hier die Hand zum Bund

Hinreichen? Gib Entscheid! Die Stunde drängt. Mein Wort

Steht auf dem Spiel.

CELLINI.

Weh, wie verzerrt stellt er sich dar!

Ich soll die Hand dem Manne reichen, der ihn selbst,

Mutwillig wie der Buben Schar die Distel köpft,

Geschändet hat für Lebenszeit; dem er verzieh

Aus Mitleid und Gewissen! Daß ein anderer,

Dem er die Perspektive beibringt, sich das Recht

Nimmt, ihm ein Aug herauszuprügeln; denn die Kunst

Hätt er auch diesem Mann geschmäht.

TORRIGIANO.

Um zwei Zoll hätt

Ich tiefer treffen sollen![32]

MICHELANGELO.

Benvenuto, nun?

CELLINI.

Versuchs! Doch du verführst mich auch nicht wider dich!

Ich kenne meine Pflicht. Durch Unbestechlickeit

Bring ichs vielleicht dahin, daß du dich noch besinnst.

TORRIGIANO.

Ich meuchle ihn!

MICHELANGELO.

So gibts nur eine Möglichkeit,

Daß wir verbunden bleiben: Eil und bring sogleich

Das Volk zur Ruh, das draußen durch die Gassen schreit!

Dann steht dirs frei, wenn ich um Torrigianos Wohl

Zum päpstlichen Gestühl hintrete, gleicher Zeit

Vom selben Richtermund den Todesspruch für ihn

Zu fordern.

TORRIGIANO.

Was ist das?

CELLINI triumphierend.

Wohlan! Jetzt hörte ich

Den Michelangelo von ehedem!


Zu Torrigiano.


Gewiß:

Stirbst du gerichtet, sparn wir das Begräbnis! Die

Justiz besorgt es mit. Auf Wiedersehen denn!


Ab.


TORRIGIANO.

Das war ein Schritt, der mir zu denken gibt! Denn wer

Nicht für mich ist, ist wider mich.[33]

MICHELANGELO.

Das Volk wird still

Und vor dem Papst vermag er nichts! Du hast mein Wort,

Und dabei bleibts.

TORRIGIANO.

Der Jugend, dem Cellini und

Den Wetterfahnen trau ich nicht! –


Horcht.


Ein zweiter Freund?


Quelle:
Hugo Ball: Die Nase des Michelangelo. Leipzig 1911, S. 20-34.
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