[242] Waren da ein paar Leutchen aus dem löblichen Lande Touraine, die sich an des Autors glühendem Eifer, altertümliche Begebenheiten und lustige Vorfälle auszugraben,[242] weidlich erbaut hatten und darob vermeinten, er wüßte mit allem wohl Bescheid. Sodaß sie zu ihm kamen und ihn, bei fröhlichem Trunke natürlich, befragten, weshalb wohl jene Straße in Tours die ›heiße Straße‹ benannt sei. Er entgegnete: er sei baß erstaunt, daß die alten Einwohner völlig vergessen hätten, wie viel Klöster einstens an dieser Straße gelegen hatten; die arge Enthaltsamkeit der Kuttenträger habe doch jene Mauern so brenzlich gemacht, daß gar manche Frau schwanger geworden sei, einzig, weil sie gen Abend zu langsam zwischen selbigen lustwandelte. Ein Krautjunker tat darob neunmalklug und erklärte: dermalen hätten alldort die Hurenhäuser der Stadt beisammengelegen. Ein anderer behauptete: an jener Stelle habe es eine heiße Quelle gegeben, daraus noch sein Urahn zu trinken pflegte. Und solchermaßen hatte sich bald ein Häuflein der verschiedensten Etymologien angesammelt, aus dem man die richtige Ableitung sicherlich schwerer herausfinden konnte, denn eine Laus in eines Kapuziners verfilztem Barte. Indessen saß ein gar wohlgelehrter Mann, der männig lich in Klöstern herumgeschnüffelt und staubige Akten, Urkunden und Folianten durchstöbert hatte, schweigsam in einem Winkel bei seinem Glase. Selbigen gichtgekrümmten Greises Lippen kräuselten sich mählig zu einem verständnisinnigen Lächeln, bis ihnen endlich ein vernehmliches: »Kohl!« entströmte, was der Autor vernahm. Und er begriff, daß jener einen wahrhaftigen Bericht unterm Herzen trage, den er zu fröhlicher Erbauung in diese Sammlung aufnehmen könne.[243]
Und richtig: tags darauf eröffnete ihm jener gichtige Greis: »Ihre Erzählung ›die läßliche Sünde‹ hat Ihnen für immerdar meine Hochschätzung erworben. Nun wissen Sie aber sicherlich nicht, was aus der Maurin geworden ist, die Bruyn ins Kloster gesteckt hatte. Ich aber weiß es, und wenn die Etymologie jener Straße und gleichermaßen die ägyptische Nonne Ihre Neubegier reizt, dann will ich Ihnen einen seltsamen altertümlichen Fund leihen, den ich unter den abgelegten Akten des Erzbistums aufgestöbert habe. Liegt Ihnen das?«
»Ei freilich!« meinte der Autor. Und so übergab ihm der würdige Sammler mehrere prächtige, verstaubte Pergamente, die aus alten Kirchenprozessen stammten. Der Autor vermeinte, daß die Auferstehung selbiger alten Geschichte mit all der köstlichen Unwissenheit jener vergangenen Zeiten recht pläsierlich sei. Also hört zu. Die Reihenfolge der Schriftstücke hat der Autor beibehalten, den Inhalt aber nach Belieben umgemodelt, maßen die Sprache verteufelt verzwickt war.