Zwölfte Szene.

[315] Vorige. Die Rätin.


RÄTIN. Kinder! Ihr werdet laut, der Vater schläft noch.

SITTIG. Ich empfehle mich –

RÄTIN. Halt, Herr Sittig! – Was ist vorgefallen?

CÄCILIE. Nichts –

SITTIG. Etwas – aber etwas, was nur für uns beide gehört.

RÄTIN. Hoho! Herr Sittig!

CÄCILIE. August!

SITTIG. Verzeihen Sie, gnädige Frau, aber in gewissen Dingen ist das System der Nichtintervention das beste.

RÄTIN. Welche Sprache!

SITTIG. Es muß einmal gesagt sein, was schon lange in mir gärt. Gnädige Frau, ich ehre, ich achte Sie, als Cäciliens Mutter, als eine Frau von vielen guten Eigenschaften; ich gehe für Sie durchs Feuer, wenn Sie es verlangen, ich lasse mir so manches Bittere gefallen, aber Sie sollen mir Cäciliens Herz nicht abwendig machen, sie nicht in ihrem Trotz, in ihren Launen bestärken.

RÄTIN. Trotz? Launen? Sie ist das beste Herz von der Welt!

SITTIG. Das ist sie, wenn man ihr nichts in den Kopf setzt.

RÄTIN. In den Kopf setzt! Wer setzt? Das soll wohl ich sein? Mäßigen Sie sich, Herr Sittig.

SITTIG. Ich bin ganz ruhig, ganz besonnen. Sie haben mich vorhin schnöde behandelt, und warum? Weil ich einmal von der L'hombre-Partie wegbleibe. Ich sagte kein Wort dazu. Aber nun schulmeistert mich Cäcilie. Ich sehe, es ist ein ganzes Komplott.

RÄTIN. Komplott! Was das für Ausdrücke sind! Cäcilie, du sagst kein Wort.

SITTIG. Sie sehen ja, sie weint. Das ist genug.

RÄTIN. Sie weint? Armes Kind! Sei ruhig! Ich will dich schützen. – Herr Sittig, verlassen Sie uns.

SITTIG. Sehr gerne.

RÄTIN. Kommen Sie wieder, wenn Sie in besserer Laune sind. – Das arme Kind![315]

SITTIG. Gnädige Frau, ich kam mit dem besten, dem liebevollsten Herzen; aber wenn man es zurückstößt, so kann ich gehen – gehen für immer.

RÄTIN. Was war das?

SITTIG. Ja, und wenn's mich mein Leben, mein Lebensglück kostet! Der ist kein Mann, der für das Weib seines Herzens nicht sein alles gibt; aber der verdient keiner zu sein, der für eine Weibergrille sein besseres Ich aufopfert.

RÄTIN. Das versteh' ich nicht.

SITTIG. Aber Cäcilie versteht mich. Sie denke nach, sie prüfe sich noch einmal genau; wenn sie mich wahrhaft liebt, so wird sie mir bei kälterem Blute recht geben. Bewegt. War ihre Liebe nur eine Täuschung, so mag sie lieber jetzt zerrinnen, als später: jetzt wird nur ein Herz verbluten, später würden es vielleicht zwei. – Leben Sie wohl, Cäcilie, wir sehen uns wieder. Ab.


Quelle:
Eduard von Bauernfeld: Ausgewählte Werke in vier Bänden. Band 1, Leipzig [o.J.], S. 315-316.
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