Fünfter Auftritt

[313] Baldinger, dann Baron Wildenhain.


BALDINGER allein, sieht ihr nach. Da geht meine Jugend! – Das reizende Mädchen ward eine schöne Frau. Sie ist milder geworden, freundlicher – wir würden uns jetzt vielleicht besser verstehen. Die Zeit lehrt Alles; auch Verträglichkeit.

WILDENHAIN auftretend. Da ist Herr Baldinger, der Feind aller Tanzkunst!

BALDINGER. Herr Baron von Wildenhain?

WILDENHAIN. Der bin ich.

BALDINGER. Das ist mir sehr angenehm. Längst wollt' ich Sie aufsuchen, Herr Baron.[313]

WILDENHAIN. Mich?

BALDINGER. In Geschäften.

WILDENHAIN. Schon wieder Geschäfte!

BALDINGER. Meine Fabriken liegen zum Theil an der Landesgrenze, auf Ihrem Territorium.

WILDENHAIN. Ich erinnere mich. Mein Oekonom hat mir davon geschrieben.

BALDINGER. Wären Sie wohl geneigt, Herr Baron, mir Grund und Boden, so weit ich ihn benütze, in Eigenthum zu überlassen?

WILDENHAIN. Warum nicht? Wenn Sie gut bezahlen?

BALDINGER. Ich zahle nach jeder billigen Schätzung. Ueberdieß – ich will mich nicht rühmen – aber der Zufall verschaffte mir das Vergnügen, Ihnen in's Geheim einen Dienst zu leisten, Herr Baron.

WILDENHAIN. Einen Dienst, Herr Baldinger?

BALDINGER. Mehrere Ihrer Papiere wurden mir, weit unter dem Nennwerth, angeboten; ich kaufte sie auf. Kommt unser Geschäft zu Stande, so mögen die Papiere theilweise zu unserer Abrechnung dienen. Für jeden Fall bin ich bereit, sie Ihnen zu überlassen.

WILDENHAIN. Nach ihrem Nennwerth?

BALDINGER. Nicht doch! Nach demselben geringen Preis, um den ich sie gekauft.

WILDENHAIN. Sie haben also gewisser Maßen im Stillen Schritte gethan, mich zu rangiren?

BALDINGER. Ich bin Ihr Grundhold, Herr Baron, und hielt es für unrecht, meinen Grundherrn den Händen von Wucherern zu überliefern.

WILDENHAIN. Sie sind ein seltener Mann, Herr Baldinger! Mein guter Freund, Herr Welting, hätte nicht so gehandelt.

BALDINGER. Herr Welting ist ein Börse-Spekulant, Geld ist ihm Waare. Ich bin ein Mann der Industrie; meine Waare ist meine Arbeit. Unser Wahlspruch ist: Arbeit für Geld, nicht: Geld für Geld.

WILDENHAIN. Warum hab' ich mich nicht früher an einen Mann, wie Sie, gewendet!

BALDINGER. Das kann noch geschehen. Mein Credit steht Ihnen offen.

WILDENHAIN. Ihr Credit? Aber der meinige?

BALDINGER. Ist nicht so schlimm als Sie glauben, Herr Baron. Sagen Sie ein Wort und ich rangire Sie vollkommen.

WILDENHAIN. Herr, das wäre ein Riesenwerk!

BALDINGER. Meine Sache. Sie sind noch im Besitz Ihres Rittergutes Wildenhain?

WILDENHAIN. Besitz? Wie man's nimmt. Es ist stark verklausulirt.

BALDINGER. Meine großen Unternehmungen machen es mir wünschenswerth, mich zu arrondiren, Ihre Herrschaft taugt mir dazu am besten. Sie wollten Grundstücke veräußern; wie war's, wenn Sie den ganzen Stamm verkauften?

WILDENHAIN. Verkaufen! Meine Standesherrschaft!

BALDINGER. Der Ertrag ist gering, bis auf die Bergwerke; und die rentiren nur bei fleißiger Wirthschaft und bei der Benützung zu industriellen Zwecken.

WILDENHAIN. Sie haben Recht. Wir armen Gutsbesitzer! Können wir's mit jener Riesen-Tarantel aufnehmen, Industrie genannt, die unser Land mit Fabriken umspinnt, und mit dem Tarantel-Tanz Aktienschwindel? – Sie wollen mich also rangiren, Herr Baldinger?

BALDINGER. Ich bin dazu bereit, Herr Baron.

WILDENHAIN. Gut, wir sprechen noch darüber. Ich suche Sie auf. Rangiren! – Das klingt, als sagte man: Leg' Dich ruhig und sorglos zu Bett – aber eigentlich heißt es: Leg' Dich in's Grab! – Nun, wir werden sehen. Leben Sie wohl, Herr Baldinger. Ab zur Seite links.


Quelle:
Dichtung aus Österreich. Anthologie in drei Bänden und einem Ergänzungsband, Band 1, Wien und München 1966, S. 313-314.
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