[333] Hermine. Hubert aus Baldinger's Zimmer.
HUBERT im Auftreten. Da ist sie! Madame Baldinger –
HERMINE. Sieh da! unser verdrießlicher Freund.
HUBERT. Der Herr läßt fragen, ob Sie nichts befehlen?
HERMINE. Nichts, mein Bester.
HUBERT. Ob Sie etwa einen Auftrag für mich –? Nicht –? Zögernd. Nun, so will ich – Sein Blick fällt auf den Hut und Shawl. Darf ich das auf Ihr Zimmer tragen?
HERMINE. Wenn Sie so gut sein wollen.
HUBERT. Mit Vergnügen. Er nimmt rasch die Kleider und trägt sie in das Seitenzimmer rechts.
HERMINE allein. Aha! er will seine Unart wieder gut machen.
HUBERT kommt zurück. Das ist besorgt.
HERMINE. Dank, mein Freund. – Sie sind Maschinist, zugleich Haushälter?
HUBERT. So eine Art Faktotum.
HERMINE. Vermuthlich Garçon?
HUBERT. Garçon?
HERMINE. Ich meine: unverheirathet.
HUBERT. Ja so! Gänzlich.
HERMINE. Wie es scheint, hegen Sie überhaupt keine Vorliebe für das schöne Geschlecht. Sie stellen also den Haushälter vor? Möchten Sie mich wohl in die Schule nehmen?
HUBERT. Warum nicht? Doch das Haushalten lernt sich bald. Man muß nur den Mägden brav auf die Finger klopfen, dann geht die Sache von selbst.
HERMINE. Nicht doch, Alter! so barsch! Haben Sie das von Ihrem Herrn gelernt?
HUBERT. Wahrhaftig, nein! Der ist wie die gute Stunde.
HERMINE. So? Sie kennen ihn wohl genau?
HUBERT. Wie mich selbst.
HERMINE. Im Vertrauen: was hat er Ihnen denn versprochen?
HUBERT. Versprochen?
HERMINE. Sie mahnten ihn erst –
HUBERT lacht. Ja so! Das ist schwer zu sagen.
HERMINE. Wenn ich bitte –
HUBERT. Ich darf nicht, darf nicht – es ist ein Geheimniß.
HERMINE. Nun, wie Sie wollen.
HUBERT. Erlauben Sie mir jetzt eine Frage, Madame: heben Sie meinen Herrn?
HERMINE. Ob ich –? Allerdings.
HUBERT. Wirklich?
HERMINE. Gewiß, Hubert, sonst hätt' ich ihn nicht genommen.
HUBERT. Das ist noch kein Beweis – wenigstens kein mathematischer. – Nun gut. Sie heben meinen Herrn, und ich liebe ihn auch; die Liebe macht gleich, und es ist ein Axiom: Aequalia uni tertio, sunt aequalia inter se: die einem Dritten gleichen, sind gleich unter sich – folglich ist es meine Schuldigkeit, Madame, Sie auch zu heben. Wenigstens will ich mir alle Mühe geben.
HERMINE legt die Hand auf seine Achsel, lächelnd. Wird Ihnen das so schwer fallen, Alter?
HUBERT betrachtet sie. Ich glaub' nicht.
HERMINE. Das ist mir lieb. Ich weiß, Ihr Herr hält große Stücke auf Sie, und ich schätze Sie, um seinetwillen.
HUBERT. Sie schätzen mich? Das ist zu viel!
HERMINE. Ich hoffe, daß wir noch gute Freunde werden.
HUBERT. Gute Freunde? Und ich war ein Bär! – Sie beschämen mich, Madame Baldinger –
HERMINE. Vielleicht hat mich der Himmel ausersehen, Sie von Ihrem Weiberhaß zu kuriren.
HUBERT. Kuriren? Nun und nimmer! Es bleibt dabei: ich kann das Frauenvolk nicht ausstehen.
HERMINE. Ei, Hubert –
HUBERT. Von Ihnen ist nicht die Rede; Sie sind eine Ausnahme; Sie gehören gar nicht unter die Frauenzimmer.
HERMINE. Kein Frauenzimmer? Was bin ich denn?
HUBERT. Wenn Sie nur ein Bischen mehr Mathematik verständen, wollt' ich's Ihnen begreiflich[333] machen: kurz, die anderen sind lauter einfache Zahlen, und stehen auf der Stelle der Einheiten, aber Sie sind eine Potenz.
HERMINE. Eine Potenz? Was heißt das?
HUBERT. Eine Potenz heißt auf mathematisch – ein Engel.
HERMINE. Ei, Hubert, Sie werden auch gar zu artig! Was wird Ihr Herr dazu sagen? – Wir sind also ausgesöhnt?
HUBERT. Vollkommen.
HERMINE. Ihre Hand!
HUBERT. Da.
HERMINE. Sagt Ihr mir jetzt das Geheimniß, Alter?
HUBERT. Das Geheimniß? Was Sie für eine warme Hand haben, Madame Baldinger!
HERMINE. Sagt Ihr mir's?
HUBERT. Für eine warme, feine, kleine Hand!
HERMINE. Sagt Ihr mir's jetzt?
HUBERT. Wenn ich nur dürfte he, he! Diese Fingerchen – diese fünf Fingerchen – ich bin noch niemals auf eine angenehmere Weise an die fünf Species erinnert worden.
HERMINE. Ihr seid nicht klug! Nun also: das Geheimniß?
HUBERT. Das Geheimniß?
HERMINE. Sprecht doch!
HUBERT. Nun denn – es ist eigentlich dummes Zeug – der Herr und ich gaben uns das Wort –
HERMINE. Das Wort?
HUBERT. Das zu bleiben, was Sie mich vorhin nannten.
HERMINE. Was ich Euch –?
HUBERT. Garçons, Junggesellen.
HERMINE entfernt sich von ihm. Junggesellen!
HUBERT. Na, der Herr hat sein Wort nicht gehalten, und ich – Ergreift wieder ihre Hand. He, he! Sie sollen sehen, Madame Baldinger, ein Mathematiker kann Alles – auch galant sein. Heiliger Archimedes, vergib mir! Küßt ihr die Hand.
Buchempfehlung
In elf Briefen erzählt Peter Schlemihl die wundersame Geschichte wie er einem Mann begegnet, der ihm für viel Geld seinen Schatten abkauft. Erst als es zu spät ist, bemerkt Peter wie wichtig ihm der nutzlos geglaubte Schatten in der Gesellschaft ist. Er verliert sein Ansehen und seine Liebe trotz seines vielen Geldes. Doch Fortuna wendet sich ihm wieder zu.
56 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro