Capitul XVII
Sie sehen auf dem Saal allerlei Narren

[46] Sobald wir daselbst angelangt, stieg alles von den Pferden. Herr Vogibilis aber, welcher die besagte Frau mit sich auf dem Pferde geführt hatte, machte seine Sache etwas länger denn die andern, weil er sich unterwegs in dieselbe heimlich verliebt und also mit ihr ein anderes Gespräch von der Liebe angefangen hatte. Man hatte wegen Betrachtung des Gebäudes auf ihre Handlungen keine sondere Achtung, deswegen ersah er seinen Vorteil und entwischte mit ihr auf eine Abseite in einen nächstgelegenen Busch, wo sie ihm versprochen, sich wacker abstöbern zu lassen. Wir indessen, dieser Abrede ganz ungewahr, lasen die Obschrift an dem Haus, welche auf eine kupferne Platte gestochen und mit schwarzer Farbe ausgefüllt war, wie folgt:


Hic Stultorum est Concilium,

Quod Sapientibus dat Consilium.


Diese lateinischen Worte zeichneten die Vorwitzigsten in ihre Schreibtafeln. Unterdessen wurde die Tür geöffnet und alle Anwesenden durch den Herrn Spitalmeister freundlich hineinzugehen gebeten.

Es wollte fast jeder der Erste sein, und ich hatte mit großer Mühe zu tun, daß ich nicht wieder hinausgestoßen wurde, denn ich hatte den Spitalmeister unversehens auf die Zehen getreten, und weil er ein Podagricus war, schrie er so grausam, daß unsere ganze Compagnie erschrak. Nachdem ihm nun die Schmerzen in etwas vergangen, führte er uns über einen Saal, darinnen sahen wir vor uns einen großen Vorhang, so rings herum mit lauter Schellen behangen war. Der Spitalmeister stand hier stille und »Ihr Herren«, sagte er, »unter diesem Vorhang sind alle Narren in der ganzen Welt zu sehen.« Lorenz hinter der Wiesen war der Erste, diese Rarität zu begucken, als er aber den Vorhang hinweggehoben, war es ein großer Spiegel, in welchem man alles sehen konnte, was auf dem ganzen Saal versammelt war. Es ist nicht zu beschreiben, was für ein Gelächter entstanden. Ober dem Vorhang war eine güldene Schrift folgenden Inhalts zu sehen:


Remove velum et admovebis in uno schemate omnes,

qui moriones dici meruere.


»Saprament«, sagte Herr Lorenz, »unser sind viel mehr als drei. Herr Spitalmeister, ich sehe Ihn auch abkonterfeit.« »Ja, Herr«, sagte der Spitalmeister, »ich bin der Vornehmste in diesem Haus.« »Mein«, sagte Herr Lorenz, »wie heißet der Herr?« »Ich heiße«, antwortete er, »die mich fragen, denen sage ich's nicht. Wie heißet denn[47] der Herr?« »Ha«, sagte Herr Lorenz, »ich heiße: die mir's nicht sagen, denen sag ich's wieder nicht.« »Mein Herr«, sagte der Spitalmeister, »was ich sage, geschieht aus Scherz, denn ich habe dieses Spital selber aufgerichtet und dadurch manch sauer Gesicht in der Welt verdienet. Und was ist es wunder, daß ich wegen dieses Gebäudes geneidet werde, haben doch wohl früher viel katholische Herzen aus großer Barmherzigkeit und aus inbrünstigem Eifer, ihrem Nächsten Gutes zu tun, unterfangen, mit großen Unkosten schöne Spitäler aufzuführen, welches ihnen doch von andern Religionsgenossen zum schlimmsten ist ausgelegt worden. Einer sagte, sie haben's deswegen getan, der andere sagte, sie haben's darum getan, aber alle beide irrten von dem Zweck der Stifter, nicht aus Unwissenheit, sondern aus einem angebornen Neid, welcher den Katholiken schon in der Jugend ohn Ursach anfänget unhold zu sein. Haben nun so stattliche und zum Teil hocherlauchte Männer von ihrer guten Intention von etlichen Spottvögeln nur Auslachen und Übelauslegen verdienet, wer will sich wundern, wenn mir's allenthalben so übel gedeutet wird? Ich bekenne zwar, daß es mich nicht viel gekostet, dies Spital in die Höhe zu bringen, und daher frage ich wenig danach, ob man mei nen Fleiß lobe oder schände. Es ist genug, daß ich Kammern übrig habe, diejenigen hineinzuschließen, welche sich mich zu tadeln unterfangen werden. Wissen die Herren einen oder den andern, der mir nicht allzu wohl affectionieret ist, bitte ich nur um Communication seines Namens oder Condition. Es gibt noch Winkel genug, ihm in diesem Spital eine bequeme Wohnung zu bauen.« Herr Lorenz antwortete hierauf, daß er von seiner Person noch an keinem Ort hätte discurieren hören, so sich aber ins künftige ein oder der andere Gelbschnabel würde hören lassen, wollten sie ihm solchen per posto avisieren. Er würde alsdann keinen Fleiß noch Mühe sparen, demselben eine hübsche Kammer samt aller Zugehör zu bestellen.

Quelle:
Johann Beer: Das Narrenspital sowie Jucundi Jusundissimi Wunderliche Lebens-Beschreibung. Hamburg 1957, S. 46-48.
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