Capitul XVIII
Hören den ersten Narren von der Liebe perorieren

[48] Bei dieser Verabfassung verblieb es bis zu weiterer Verhör, und nach solcher führte uns der Spitalmeister über einen Fluß, welcher das ganze Gebäu in zwei Teile schied. »In diesem Teil«, sagte der Spitalmeister, »liegen die klugen Narren und in jenem die aberwitzigen Phantasten, und damit meine Herren eine kleine Kurzweil haben, so wollen wir hören erstlich einen Verliebten, welcher ungefähr vor einem Monat hereingebracht worden. Er hielt sich an einem vornehmen Ort auf, wo er sich in eine Gräfin von ausbündiger Schönheit verliebt und darüber unverhofft zum Narren geworden. Darum[48] so spazieren die Herren mit mir zu jenem Fenster, hinter welchem er in einem Gewölb eingesperrt ist.«

Als wir dahin gelanget, klopfte er ihm mit einem Schlüssel. Sobald solches der Phantaste vernommen, hörte man ihn schon mit der Kette rasseln, denn er kam alsobald vor das Fenster, und mit lachendem Mund fing er an und sprach: »Ja, Ihr Herren, Ihr sollt Euch und müsset Euch verwundern, die Ehre zu haben, den glückseligsten Menschen in der ganzen Erden zu sehen. Mein Vater hat zwar mit Ofen-Krüc ken gehandelt, aber ich bin ein vornehmer Kaufmann und ein gewaltiger Handelsmann, denn ich handle mit lauter Lieb'. Seht, Ihr Herren, ich war auf einem Hof, bin auch noch daselbst und vertrete das Amt eines türkischen Chiaus. Saprament, Ihr Herren, seid nicht solche Bachanten in Folio und zieht den Hut vor mir ab! Ja, ein Chiaus zu sein, das kostet Geld und gute Worte. Und ich bin der einzige Liebhaber der allerschönsten Gräfin Sophia Kunigunda, geborenen Gräfin zu und in etc. Meine Mutter war eine Meerjungfrau und hat mich geboren, da der Mond in keinem Zeichen stehet. Daher kommt, daß ich so glückselig bin. Der Fürst in Siebenbürgen ist mein leiblicher Bruder, und ich bin Ursach, daß er zu seiner Macht und Herrlichkeit ist gekommen. Auf der Festung zu Neu-Serin in Ungarn, da war ich vier Jahr Konstäbler. Einst kamen sechs Blaumeisen auf Stelzen den Fluß hinuntergefahren. Endlich wurden sie so groß wie ein Bund Heu, da gab ich Feuer und verbrannte die Rabentiere bis auf die hinteren Füße, und aus ihren Schnäbeln ließ ich meiner Gräfin einen Windfächer machen, der ist vergangen dem König von Polen zum Neuen Jahr verehret worden. Dafür ist mir die Stadt Danzig auf zweitausend Jahr zu besitzen verehret. Auf das Glasschneiden habe ich all mein Lebtag nicht viel gehalten, und wenn es meinem Bruder in der Nacht not wurde, so mußte ich ihn allezeit in den Hof auf den Mist führen, sonst hätte er dem Vater in die Stuben geschissen. Ich habe mich wohl fünfzehn Wochen nicht barbieren lassen, sonst würdet Ihr einen Menschen von großer Rarität erblicken, wie ich denn auch der schönste Mensch in der ganzen Welt bin. Ich möchte nichts Liebers sehen als einen Juden und eine Bachstelze mit einander im Drösäcken fechten. Ha ha, ihr Herren, ich höre meine Gräfin reden. Sie saget: ›O, lieber Don Pedro, du liebster Maulwurf, wie geht dir's?‹ ›Ha, schönste Dam‹, muß ich sagen, ›wie sollte mir's gehen, einem Cavalier, wie ich bin, geht es nicht allzeit, wie er will.‹ Meines Vaters Bruder mußte sich's auch sauer werden lassen, er erkaufte auf dem Michaelis-Markt zu Leipzig zwei Schweine. Das eine biß ihm den Waden am linken Bein halb entzwei, das andere stahlen ihm die Spitzbuben, da bekam ich anstatt der verhofften Bratwürste einen Dreck ins Maul. Aber zu geschehenen Sachen muß man das Beste reden. Möchte wohl wissen, wie es dem Müller ging, der meinem Schulmeister die Fenster eingeschmissen. Er hat ihn bei dem Schulzen verklagt. ›Aber, mein lieber Don Pedro‹, sagte meine Gräfin[49] zu mir, ›sage es beileibe keinem Menschen, daß ich dich zum König in Neapolis machen will.‹ Der Schmied am Tor arbeitet schon an meiner Krone, und die Bauern im ganzen Lande führen schon Brett und Holz zu, daß man die Bühne und Schronen machen kann, auf der ich soll gekrönet werden. Ihr Herren, wem ist der Hund? Aus diesem Hund, glaubt meinen Worten, wird noch ein rechtschaffen Kerl werden. Er muß auch bei meiner Krönung sein, und die nach meiner Krone trachten, denen soll er auf den Kopf hofieren. Ja, Eselsfürze für die Narren, ich bin der Herrscher über Meder und Perser, einen Hundsdreck in Eure Hände statt meines Scepters! Ihr Herren, ich sage Euch's zuvor, komme mir keiner ins Regiment, oder ich will ihm's Wams messen! Sechs Fürsten habe ich schon zum Succurs, sie sind alle aus Griechenland, und wenn mich die Läuse nicht so stark bissen, so wollte ich Euch sagen, wie ich meine Perücke habe machen lassen. Mich dünket, die Herren sind Studenten oder Mohren, wie geht es denn dem ehrlichen Mohrenkönig? Zwanzigtausend Mann will ich ihm zusenden, seine Feinde auszutilgen, und wenn er von solchen los ist, so kann er mit meinen Soldaten dem Häring-Fang nachgehen. Davon muß er in meine Kammer vom Centner einen Reichstaler einliefern, das trägt Geld über Geld. Mit demselbigen Geld will ich Hochzeit machen, und die Gräfin Sophia Kunigunda muß mir einen andern Glauben annehmen. Danach will ich in India hineinschiffen, und zwar auf der Nürnberger Post, dann sollt Ihr Wunder hören von meinen Waffen der Liebe. Den Cupido habe ich in meinem linken Schubsack, wer nicht verliebt ist, kann nichts von ihm sehen als das Arschloch. Sein Membrum virile läßt er jetzt auf der Schleifmühl polieren und säubern. Wenn der Hochzeit-Bitter kommt, so will ich das meine auch hinausschicken, daß auf die Hochzeit alles fix und fertig ist. Über unserer alten Magd ihr Membrum virile sind wohl zwanzig Schleifer und Schwertfeger hergewesen, aber es wurde immer je rostiger und wilder. Das Rabenaas hat manchem ehrlichen Kerl ein Loch in die Hand gemachet. Sie war nicht halb so schön als meine Gräfin. Ihre Mutter war ein Meerschwein, und wir wohnten in dem roten Meer, in einer Stadt und in einer Gassen beisammen. Es war nur ein Drechsler zwischen ihrem und meiner Mutter Haus. An einem Sonnabend kam Feuer aus und brannte die halbe Stadt weg. Da mußte sie samt ihrer Mutter aus dem Meer weg laufen, denn bei ihnen ist das Feuer ausgekommen, weil sie mit Branntweinbrennen die ganze Stadt angestecket haben. Danach wurde ihr Vater zu Constantinopel auf dem Kaiserlichen Hof Irrwisch-Inspektor, der lernte ihnen tanzen und fing in einer Woche mehr als dreißig Paar. Wenn nun der türkische Kaiser eine Lust hatte, so ließ er diese Irrwische und etliche Dutzend Füchse untereinander prellen. Daran zerlachten sich die Soldaten, daß ihnen die Klingen aus der Scheide herausfielen. Wer mag doch wohl den ersten Glockenklöppel gemacht haben? Haha, dort kommt meine Gräfin. Seht, Ihr Herren, sie sprang[50] zum selbigen Kamin hinein, habe ich sie nicht gesehen, so sei ich ein Schelm. Sie ließ einen großen Seufzer, ich muß auch einen lassen. (Hiermit ließ Monsieur Don Pedro einen fahren.) Ja, Ihr Herren, was tut die Liebe nicht. O, Sophia, Sophia, diese Ketten, welche ich an meinem elfenbeinernen Fuß trage, schenke ich dir zum Osterei. Alsdann will ich den ganzen Donaustrand in eine Nußschale zusammenfassen, dieselbe Nußschale will ich in eine Flinte laden und will es dem Küster bei St. Oswald in seine Wamsärmel hineinschießen, daß die Seifensieder zu Buxtehude ein Lied davon componieren sollen. Das Ungarland will ich mit Meer überschwemmen, und zu Preßburg sollen alle Federfechter und Marxbrüder das Ledererhandwerk lernen. Aus dem Tokaierwein will ich Rindfleisch machen lassen, und die ungarischen Ochsen sollen mir singen lernen wie die Canarivögel. Eine solche Welt will ich anrichten. Das Frauenzimmer muß mir auf den Köpfen gehen, so kann man fein sehen, was eine jede im Schild führe, und wenn die Pfaffen früh morgens ins Oradi läuten, da will ich meine Gräfin in dem Bette herumtummeln und ihr zeigen, wieviel es geschlagen hat.«

Quelle:
Johann Beer: Das Narrenspital sowie Jucundi Jusundissimi Wunderliche Lebens-Beschreibung. Hamburg 1957, S. 48-51.
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