Zehnte Scene.

[473] Mathilde. Schack.


SCHACK.

In des Gerichtes Namen komm' ich her,

Das auf Befehl des Königs sich versammelt,

Den Grafen Struensee –

MATHILDE wendet sich mit einer Bewegung des Schauders ab.

SCHACK.

Wenn ihr's vergönnt,

So geh' ich ohne weit're Förmlichkeit

Zu Dem, was eure Majestät –

MATHILDE.

Entweiht

Das heil'ge Wort in diesen Mauern nicht.

Die Majestät kann nicht im Kerker schmachten.

Die Majestät ist wie des Himmels Allmacht

Freiherrschend, ohne Richter auf der Erde.

Ich ward gefangen durch Verrath, ich habe

Das Antlitz meines königlichen Gatten

Nicht mehr geseh'n, und nur aus seinem Munde

Ziemt mir's, mein Schicksal zu vernehmen. Niemals[473]

Ist in dem Reich, das ich beherrsche, Königinnen

Wie mir begegnet worden. Doch es scheint,

Der Himmel will mich prüfen, und ich werde,

Was er beschieden, mit Ergebung tragen.

Jetzt sagt mir an, und spart das edle Wort,

Das meine Würde nennt, die ihr geschändet;

Sagt ohne Scheu, was man von mir begehrt.

SCHACK.

Graf Struensee ...

MATHILDE.

Könnt' ihr mir's nicht ersparen,

Von ihm zu reden?

SCHACK.

Nur von ihm allein

Hab' ich zu reden.

MATHILDE.

Wohl, auch dies; nur weiter.

SCHACK.

Vor seinen Richtern hat der Graf bekannt,

Daß er mit euch in frevelhaftem Bündniß

Sich wider unsres Königs Majestät

Verschworen.

MATHILDE.

Nimmermehr, das ist erlogen.[474]

SCHACK.

Er hat's gesagt, und sagte ferner noch:

Daß er in sünd'ger Gluth für euch entbrannt,

Die Flammen seines Herzens euch gestanden,

Daß ihr's vernommen – daß ihr ihm vergeben.

MATHILDE.

Ihr lügt, ihr lügt, das hat er nicht gestanden!

O über diese List'gen! Wie unglaublich,

Wie schlecht ersonnen ist die grobe Täuschung.

SCHACK.

Nennt es Betrug, ich geb' es euch für Wahrheit.

Und frag' euch nun im Namen des Gerichts:

Gesteht auch ihr, was Struensee bekannt?

MATHILDE.

Nie, – niemals – muthet das dem Irrsinn zu!

SCHACK.

So werdet ihr vergönnen, daß wir euch

Dem Angeklagten gegenüber stellen.

MATHILDE.

Weh' mir!

SCHACK.

Sagt ihm ins Angesicht, daß er gelogen,

Und wir verdammen ihn als Hochverräther,

Denn er verleumdet seine Königin.[475]

MATHILDE.

Ihm gegenüber? Unerhört! Das sollt' ich,

Ich, seine Königin? – Es ist unmöglich,

Er hat es nicht gestanden! Aber wie? – –

Habt ihr nicht Martern, die ein falsch Bekenntniß

Erpressen? – –

SCHACK.

Das Gericht ging nicht so weit,

Man hat ihm mit der Folter nur gedroht.

MATHILDE.

O Gott, die Folter!

SCHACK nach einer Pause.

Königin! es gäbe

Ein Mittel, Alles gütlich auszugleichen;

Es würd' euch die entsetzliche Begegnung

Ersparen, – euch befreien und ihn retten.

MATHILDE.

Ich kenne kein's.

SCHACK ein Papier hervorziehend.

Ich aber hab' es sorglich

Euch vorbereitet, denn ich weiß, es giebt

Nur dieses Eine – unterschreibt dies Blatt!

MATHILDE nachdem sie das Blatt gelesen.

Das sollt' ich? – Großer Gott! Das ist ja eben[476]

Das schändliche Bekenntniß, das ihr fordert!

Hier steht, daß er's gewagt, mir zu bekennen,

Was ich zu nennen schaud're – daß ich dies

Entsetzliche Geständniß, um sein Haupt

Dem Beile des Gesetzes nicht zu opfern,

Dem Könige verschwieg und dem Verbrecher

Den Hochverrath verzieh'n. – Das sollt' ihn retten?

Ihr wollt auch mich verderben; darum wollt ihr

Dem Frevel meinen Namen zugesellen.

SCHACK.

Das will ich in der That; denn was auf Erden

Kann sonst das Haupt des Hochverräthers vor

Dem Beil des Henkers schützen? – – Hört mich an!

Vergönnt mir, ein vertraulich Wort zu reden;

Ich darf es euch gesteh'n, der König will

Nicht seinen Tod.

MATHILDE rasch.

Das glaub' ich euch, denn ach!

Ich weiß, schwach ist des sanften Königs Herz,

Doch mild und gütig, und die Blutthat muß ihn

Entsetzen.

SCHACK.

Das Gericht indessen geht

Den ew'gen Gang, wird ihn auf gültigen Beweis

Verdammen, richten lassen, wenn ihr nicht

Durch einen Zweifel seine Sprüche fesselt.[477]

MATHILDE.

Und welchen Zweifel?

SCHACK.

Ob das Urtheil nicht,

Das ihn verdammt, die Sicherheit des Staats

Bedroht? Bestätigt ihr, was er bekannt,

So seid ihr schuldig, wie er selbst. Der König

Und das Gericht muß euch, wie ihn verdammen.

Das aber wagt man nicht, denn England droht.

MATHILDE.

Droht England? O mein süßes Vaterland,

Geliebter Bruder! freies, edles Volk!

Gedenkt ihr mein, dann bin ich nicht verlassen!

SCHACK.

Man kann euch nicht frei sprechen, ihn verdammen.

Er wird Mitschuldiger der Königin,

Er ist mit euch verloren oder frei.

MATHILDE.

Das klingt wie Wahrheit.

SCHACK.

Möchtet ihr mir glauben.

MATHILDE.

Was fordert ihr? Ich soll die eigne Schmach

Bestätigen? O Gott, wo find' ich Wahrheit?[478]

Die Menschen alle haben mir gelogen,

Da ich noch mächtig war und reich an Gnaden.

Wollt ihr nun edler sein und Wahrheit mir

In meinem Jammer geben?

SCHACK.

Vertraut mir!

MATHILDE ihn forschend anblickend.

Darf ich es? – Gebt mir das Blatt.


Sie legt das Blatt vor sich auf den Schreibtisch, ein Sessel steht hinter ihr, indem sie sich anschickt, es zu unterschreiben, überfliegt sie es noch einmal, sich schaudernd davon wendend.


Das könnt' ich selber? – Niemals, niemals.

SCHACK.

Faßt euch.

MATHILDE für sich.

Ich soll – ich muß – mit bleibt kein andrer Ausweg!

Ihm gegenüber, – ich ertrüg' es nicht.


Sie will schreiben und zögert wieder.


Mein Herz wird schwach – die Glieder beben mir,

Muth, Fassung –


Sie schreibt langsam und sagt leise.


Ca–ro–li–na.


Innehaltend.


Was beginn' ich?

Wenn er mich doch betrügt – ich muß ihn prüfen,

Der Spiegel zeigt sein Bild mir –


[479] Sie blickt seitwärts nach dem Spiegel, Schack steht ruhig hinter ihr.


So – ich habe

Vollendet, nehmt!


Sie deutet mit abgewendetem Gesicht auf das Blatt.


SCHACK mit freudiger Bewegung.

Gelungen!

MATHILDE indem er das Blatt fassen will und sie die Feder noch hält, bemerkt sie sein Lächeln, aufschreiend.

Weh' mir,

Er jauchzt – mein Herz – ich bin verrathen!


Sie sinkt ohnmächtig in den Sessel, die Feder krampfhaft haltend.


SCHACK.

Das bist du.


Auf das Blatt blickend, das vor ihr liegt.


Wie? Den einen Namen nur?

Nur Caroline, und Mathilde fehlt

Zur Hälfte fast. Wir wollen dem Gericht

Ein Zeugniß bringen von der Kön'gin Hand;

Und das erfüll' ich nun, wie ich's gelobt.


Indem er der ohnmächtigen Königin die Hand führt, schreibt er aussprechend.


Ma–thil–de –, so – nun haben wir Beweise.


Er eilt ab.


Quelle:
Michael Beer: Sämmtliche Werke. Leipzig 1835, S. 473-480.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Anonym

Tai I Gin Hua Dsung Dschi. Das Geheimnis der Goldenen Blüte

Tai I Gin Hua Dsung Dschi. Das Geheimnis der Goldenen Blüte

Das chinesische Lebensbuch über das Geheimnis der Goldenen Blüte wird seit dem achten Jahrhundert mündlich überliefert. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Richard Wilhelm.

50 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon