[315] Ich träumte mich in einen tiefen Wald ...
Ich wanderte dem Lied der Vögel nach;
Auf schmalen Wegen über Wurzeln weg
Schritt ich und strauchelte doch nie; es war
Im Gehn ein Schweben. – Eine Stimme sang
Ganz leise in mir: Siehe, heute noch
Bist du zu Hause ... Immer grüner ward
Es rings um mich, und alles fiel von mir,
Das mich bebürdet. Und der Welt Geräusch
Verhallte hinter mir. Die Vögel selbst
Verstummten. Nur das leise Wipfelwehn
Umrauschte mich: dies süße Schlummerlied
Der großen Stille, das die Träume ruft,
Die samtenen Nachtfalter: braun und schwarz
Mit goldenen Fühlern, die wie Palmen sind
Aus seidenen Rispen, und mit blinden Augen,
Die mehr erblicken, als jemals der Tag
In seiner harten Grelle zeigt ... Da stand
Ein kleines Schloß an einem Teich vor mir.
Drei große schwarze Schwäne glitten sanft[315]
Auf seinem Spiegel, drauf der Abendschein
Gelb lag gleich einem welken Rosenblatt.
Das Schloß war ganz aus ametystnem Quarz,
Violenblau, goldäderig, gebaut;
Die Türen bronzen, grünlich-schwarz: als Schild
Das Bild der Sonne drauf: Ihr Bild, die mich
(Ich fühlt es nun) in diesen Zauber rief.
–: Wo bist du? sagt ich leise vor mich hin.
–: Lädst du mich ein in unser Glück, das wir,
In unsrer Herzen Gleichklang wortelos
Uns ganz verstehend, Tag für Tag
Aufrecht im Glauben suchen: niemals ganz
Verzagend, ob auch manches Mal
Im Düster irrend: – hast du mir erbaut
Dies Schloß aus hellem Gold und Veilchenblau?
– Da taten sich die Bronzeflügel auf,
Den Sonnenschild zerteilend, und Sie stand:
Minerva mit dem Speere, im Geviert
Des hohen Eingangs, aber lächelnd wie
Die Liebesgöttin und die Mutter Gottes da:
Und ihre Blicke überstrahlten mich
Wie aller Menschenliebe Inbegriff.
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