Goldene Hochzeit

[33] Er:


Was hat mir Frieden gebracht,

Mein Leben eingehürdet?

Was hat mich froh gemacht,

Mein Herz unrastentbürdet?

Was hat meinen Herbst, meinen harten Herbst

Zu hellem Lenz gelichtet?

Was hat meines Lebens keuchenden Kampf

Zum leisen Lied gedichtet?

Das hat dein hold reich Herz gethan

Und deine süßen Augen, die

Mein Leben übersonnten.

Sieh, sieh mich mit den Augen an,

Die solche Wunder konnten!


Sie:


Was hat mich stolz gemacht,

Meinem Leben Stand gegeben?

Daß ich bei Tag und Nacht

Für dich, dich durfte Leben![33]

Was hat mein Herz, mein ängstliches Herz

Mit fröhlicher Kraft umschmeidet?

Was hat mich alte, schwache Frau

Bis heute froh begleitet?

Das thaten die starken Hände dein

Und deine guten Augen, die

Aus Liebe stumm mir dankten.

Schließ mich in deine Arme ein,

Die mich mit Glück umrankten!


Beide:


Es kommt die Nacht, es nahet an

Mit leisem Schritt der bleiche Mann,

Der Keinen je vergißt.

Wir nehmen beid ihn an der Hand:

Führ uns, oh Tod, in jenes Land,

Wo unsres Kindes Seele ist.


Quelle:
Otto Julius Bierbaum: Irrgarten der Liebe. Berlin/Leipzig 1901, S. 33-34.
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Der Neubestellte Irrgarten Der Liebe: Um Etliche Gaenge Und Lauben Vermehrt, Verliebte Launenhafte, Moralische Und Andere Lieder, Gedichte U. Sprueche . Bis 1905. 1 Bis 6 Tausend. (German Edition)