Achte Scene

[53] Vorige. Graf mit Else.


GRAF. Da ist sie, gestrenge Frau – Nun Weiblein, redet für Euch selber, der alte Marquard hat das Seine schon gethan.

ELSE tritt schüchtern und mit niedergeschlagenem Blick in den Kreis.

HERZOGIN zu Heinrich. Wie bleich sie ist! – Rede, armes Weib!

ELSE schlägt die Augen auf, starrt die Herzogin an, dann sieht sie staunend um sich. Mein Herr und Gott, das ist ja Alles doch nur ein toller seltsamer Traum! Aus Nacht und Elend fliege ich schnell hinüber zu Glanz und Licht. Nein, solche Pracht und Herrlichkeit ist ja im irdischen Leben gar nicht zu finden! Hier ist wohl das Feenland, von dem man mir in meiner Jugend oft erzählt? Mit gefalteten Händen, zur Herzogin. Ach, seid[53] Ihr so mächtig, wie die alte Anna sagte, und so gut, In Thränen. so bringt mich in die Heimath, zu Mann und Kind.

HERZOGIN. Siehst Du wohl, die Aermste ist verrückt.

HERZOG tritt Elsen näher. Ich weiß es nicht. Doch ist sie verrückt, so scheint mir's fast, es steckt ihr Wahnsinn an; denn je mehr ich sie betrachte, je seltsamer wird mir zu Muthe. – Wenn es nicht Unsinn wäre, wenn es irgend im Kreise der Möglichkeiten läge, so sagte ich: dies Weib ist meine Retterin, von der ich Euch so eben sagte. Jene blühte freilich in froher Gesundheit, und aus diesen bleichen Zügen spricht der Wahnsinn; aber dennoch – diese Aehnlichkeit – selbst ihre Tracht ist dieselbe!

ELSE welche Anfangs mit verwirrten Sinnen zuhörte, scheint den Ton seiner Stimme allmählich zu erkennen, sie horcht und horcht, ihre Züge werden immer starrer, endlich ruft sie. Mann, Dich sah ich schon!

HERZOG. Gütiger Himmel! Sie ist es! Frau Else! –

ELSE fährt mit beiden Händen in die Luft, als wollte sie den Klang erhaschen, dann ruft sie. Else! – Else! – Else! – – Ja, ja, das ist mein Name! Ach wißt Ihr meinen Namen, so sagt mir auch, wo ich daheim, wo die Meinen sind, wo ich sie finde?

HERZOG staunend. Ist's möglich? Else – das Alles hättet Ihr vergessen? – Im schönen Oestreicher Land seid Ihr zu Hause, in der Nähe von Sanct Gilgen, der Hammermeister und Sensenschmidt Rudolph Werner ist Euer Mann, und –

ELSE welche in zitternder Bewegung seine Worte begleitet, und in jedem Nerve ihre zurückkehrende Besinnung verkündet, fällt ihm rasch in's Wort, jubelnd. Und Friedel Herz – Friedel heißt mein liebes, liebes Kind. Stürzt auf die Knie. O Du mein großer, gütiger[54] Gott und Herr, ich danke Dir! jetzt weiß ich ja Alles, Alles wieder!

HERZOG gerührt. Ja, Frau Else, dankt dem Ewigen; denn Euer Bewußtsein ist wiedergekehrt. Kein Feenland umgiebt Euch hier – Alles ist Wirklichkeit. Ich bin Herzog Heinrich von Wolfenbüttel, der, als Hermann Euer Geselle war, der Euch seine Rettung dankt! Alles, was Ihr hier erlebt ist Wirklichkeit, und nichts ist unbegreiflich, als wie Ihr hieher kommt aus Eurer hundert Meilen weiten Heimath, wo ich Euch vor wenig Monden froh und gesund verließ.

ELSE. Wie? – Monde sind indeß verstrichen? O! die Macht des Bösen ist groß, größer aber die des ewigen Vaters! Jetzt weiß ich Alles, was mit mir geschah, der Bann böser Geister ist gelöst. Glaubt mir Herr, nicht Wahnsinn ist's, was aus mir spricht, Wahrheit vernehmt Ihr. Ein falsches, gräßliches Weib hat mich aus meinem Hause verlockt. Ein böser Geist trug mich über Berge, Städte und Länder hin. O Herr, wenn Ihr Euch mir verpflichtet glaubt, so hört mein Flehen. Laßt mich nach der Heimath ziehen zu den Meinen.

HERZOGIN. Wie sollten wir Euch das verwehren, arme Frau?

HERZOG. Ja, Frau Else, eine weiche Sänfte soll Euch tragen. Vier Ritter geleiten Euch.

ELSE. Nicht also, edler Herr, ich habe nicht verdient, auf solche Weise geehrt zu werden. Buße ziemt mir, schwere Buße – habe ich doch durch sündliche Neugier das Unheil herabgerufen auf mich und die Meinen. Gebt mir, so viel mir nöthig ist, ein Pilgerkleid, am Wanderstabe will ich die Heimath suchen, um dann entsühnt mein friedliches Haus zu betreten.[55]

HERZOG. Ihr sollt Eure Wünsche erfüllt sehen, Frau Else, und das noch heute – Aber wollt Ihr uns denn schon verlassen, dem kranken Körper keine Ruhe gönnen?

ELSE. Der Leib ist nicht krank, Herr, die Seele war es. Doch Gott der Herr hat sie gnädig geheilt, ich bin gesund und stark! Glaubt Ihr, ich fände Ruhe im fremden Lande, indeß die Meinen sich daheim zergrämen? – Die Gattin, die Mutter, die Hausfrau fehlt an dem verlassenen Heerd, denkt Ihr, ich könnte das Auge zum Schlummer schließen, so lange der Angstruf meiner Lieben bei jedem Laut mir im Ohr dröhnt, so lange ich mein altes Glück nicht wieder habe? Nein, nein, laßt mich fort, für mich ist nicht Ruhe noch Friede auf Erden mehr, ehe ich die Geliebten nicht in den Armen halte! – Dann sende ich Euch Kunde, edler Herr, dann erst kann ich Euch danken wie Ihr verdient, dann erst habt Ihr das Rettungswerk vollbracht!

Gott wird Euch lohnen – doch heißt mich nicht weilen,

Mein sehnend' Herz will nach der Heimath eilen!


Eilt ab.

Der Vorhang fällt rasch.
[56]

Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Gesammelte dramatische Werke, Band 9, Leipzig 1863, S. 53-57.
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