Achte Scene

[32] Käthe. Vorige.


KÄTHE athemlos, blaß, mit einem Schleier, der ihr Gesicht jedoch nicht bedeckt. Ach, da seid Ihr ja!

GUTTENBERG erstaunt. Jungfrau Käthchen – Ihr – bei mir?

KÄTHE verwirrt. Ach, Meister Johannes, ich fühle wohl, was Ihr sagen wollt, und was ich thue, da ich allein zu Euch, dem freiledigen Manne komme! Aber Noth kennt kein Gebot, und Gott, der mein Herz sieht, wird mir verzeihen wie Ihr, wenn Ihr mich erst angehört.

GUTTENBERG setzt ihr einen Stuhl. Gefällt es Euch nicht, Platz zu nehmen? Ihr seid bleich und athemlos – was ist Euch widerfahren?

KÄTHE ohne sich zu setzen. Nichts, lieber Herr, aber Euch, Euch durch die Schuld – Sie bricht in Thränen aus. ach Gott! ich kann's nicht aussprechen, es bringt mich ja um's Leben!

GUTTENBERG faßt ihre Hand. Gutes Käthchen, ich weiß, was Ihr sagen wollt, beruhigt Euch; es ist zwar schlimm gethan von Eurem Vater, aber es wird doch zu Gottes Ehre noch Alles gut werden![32]

KÄTHE. Ach, edler Mann, Ihr wißt nicht, wie es um Euch steht! Rettet Euch, wenn Ihr noch könnt! Habt Ihr denn keinen Freund zu Mainz, der Euch helfen möchte in dieser großen Noth? – Ich Aermste habe ja nichts als das wenige Geschmeide meiner seligen Mutter! Ach, Herr von Guttenberg, Sie wollen Euch in den Kerker werfen, wenn Ihr nicht sogleich bezahlen könnt, Sie wollen Euer Geschäft in Beschlag nehmen, Ihr seid ein verlorner Mann, wenn Euch nicht schleunigst Hülfe wird! Das mußte ich Euch sagen, es trieb mich zu Euch, ich konnte nicht widerstehen! – Mögen die Nachbarsleute mit Fingern auf mich deuten, mag mich mein Vater verstoßen, ich kann nicht leben mit dem Bewußtsein, daß er es ist, der Euch zu Grunde richtet!

GUTTENBERG. Braves, edles Mädchen! ich danke Euch! – Aber Eure Warnung fruchtet mir nicht; wenn es wahr ist, wenn der Rath also schändlich Recht und Gerechtigkeit mit Füßen tritt, dann ist keine Hülfe für mich! Seit Jahren meiner Erfindung allein lebend, dachte ich nicht daran, mir Freunde zu erwerben; der einz'ge Mann, der mich oft heimsuchte in meiner Werkstätte, der ein freundlich Herz zu mir hatte, der redliche Doktor Humery, ist ferne in den Niederlanden, Gott weiß, wann er wiederkehrt! woher sollte mir wohl die große Summe kommen, die ich Eurem Vater schulde!

KÄTHE außer sich. Ja, Humery, der reiche, edle Humery, hätte Euch sicherlich geholfen! Ach, warum muß er fern sein! Guttenberg, jedes Eurer Worte ist ein Messer in meiner Brust, denn ich sehe nirgends – nirgends Rettung! Mann des Lichts, Dein Leben ist Freiheit, und sie wollen Dich vergraben in die Nacht endloser Gefangenschaft! Du kannst nicht athmen im Kerker, Du gehst zu Grunde, sie werden Dir Luft und Sonne nicht mehr gönnen, die Eifersucht schmiedet die Riegel Deines Sarges, Peter Schöffer will mich zum Weibe, und weiß, daß ich nimmer –

GUTTENBERG staunend. Die Eifersucht? – Käthchen!

KÄTHE. O Herr, mein Gott, was rede ich da. ich bin[33] nicht wohl bei Verstande – zürnt mir nur nicht, lieber Herr! ich – Sie schlägt beide Hände vor das Gesicht.

GUTTENBERG der plötzlich begreift, kummervoll. Ach nun – ja so, so ist das! Pause. Er winkt Lorenz, der hinausgeht, geht dann ein paarmal hin und her, tritt endlich vor Käthchen bin, die noch immer mit bedecktem Gesichte dasteht. Armes, armes Käthchen! Ach, es wird mir schwer, die Lippen zu öffnen und in einer Wunde zu wühlen, die noch immer blutet! – Käthchen, ich habe ein Weib. –

KÄTHE läßt die Hände vom Gesicht fallen, starrt ihn sprachlos an, faßt endlich nach der Lehne des Stuhls und stammelt. O Du mein lieber Gott! –

GUTTENBERG umfaßt sie und läßt sie sanft in den Stuhl gleiten. Seid stark, Käthchen, gutes treues Kind, mein Herz ist zum Zerspringen voll, raubt mir nicht die Kraft, die mir nöthig, um zu sagen, was ich muß!

KÄTHE kaum hörbar. Und wo – wo ist – Euer Weib?

GUTTENBERG. Bei ihren Eltern, im Elsaß, sie hat mich verlassen!

KÄTHE starrt ihn an. Verlassen – Euch – o nimmermehr!

GUTTENBERG mit einem schweren Seufzer. Sie that's! –

KÄTHE schüttelt den Kopf. Dann liebte sie Euch nicht!

GUTTENBERG. Doch, Käthchen, sie liebte mich innig! Aber Irrwahn und Aberglaube waren stärker als ihre Liebe, und sie verließ mich! geängstigt durch heillose Pfaffen, ging sie in's Elend, ihre Seele zu retten. Ich habe seitdem ihren Namen nicht mehr ausgesprochen. Niemand weiß wie elend ich bin, wer achtet auch des armen finstern Mannes, der ohne Klage still seines Weges geht? Ich bin der bedauerungswertheste Mensch, seitdem ich sie verlor, denn ich – kann sie nie vergessen! Er legt die Hand über die Augen.

KÄTHE zuckt zusammen und fährt mit dem Ausdruck des tiefsten Schmerzes nach dem Herzen. Nach einer kleinen Pause steht sie[34] auf, tritt vor ihn hin, faßt seine beiden Hände, und sagt, mit Thränen kämpfend, aber doch fest. Gott tröste Euch, lieber Herr, Ihr seid sehr unglücklich! – Doch Eure Wunden werden heilen, Gottes Vaterhand heilt ja alle zerrissene Herzen, Mit geheimer Beziehung. wenn auch nicht hier! – Gefaßt. Denkt jetzt nicht an Euren Gram, sinnt nach, ob es keine Hülfe giebt für Euch.

GUTTENBERG. Wenn mir meine gerechte Sache nicht hilft, giebt's keine. Sinnend. Ich habe wohl eine Schwester, sie ist im Kloster der Klarisserinnen hier zu Mainz. Sie könnte mir helfen durch Fürsprache bei dem Voigt; aber sie ist mir fremd geworden. – Auch sie hält meine Erfindung für Aberwitz, mein Treiben für strafbar, ich habe sie seit Jahren nicht gesehen.

KÄTHE verzweifelnd. Schrecklich! schrecklich!


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Johannes Guttenberg. Berlin 21840, S. 32-35.
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