Sechste Scene

[26] Zwölf Stadttrabanten, in deren Mitte der Schultheiß Heinrich von Praunheim, hinter ihm Ritter Günther von Nollingen und Schelm vom Berge. Neben dem Schultheiß ein alter Bürger.


SCHULTHEISS. Was muß ich erleben? beim Himmel, unerhört! In langen Jahren hat man solchen Frevel gegen den Meßfrieden nicht gewagt – ich danke Euch für Euren Bericht. Wer an Zeugen noch zugegen, trete hervor.

JUTTA eilt heraus. Mein Vater! gebt mir Genugthuung, gebt mir[26] Rache gegen die Frevler, die es wagten, Eure Tochter zu verhöhnen.

SCHULTHEIß finster. Tritt zur Seite, Jutta, und störe mich ferner nicht; die Gesetze sind verhöhnt, da kann von Dir wohl keine Rede seyn.


Nollingen tritt zur Jutta, die verdüstert auf die Seite ging, und spricht beide Frauen mit galanten Mienen an.


SCHULTHEIß auf Ralph deutend. Ist's wahr, daß dieser Raufbold hier zuerst das Schwert gezogen?

BANDINI. Ja, das ist wahr.

RÖSEL muthig hinterdrein sprechend. Ja, der Schläger drang auf den Junker ein, das ist reine Wahrheit.

SCHULTHEIß zu den Trabanten. Nehmt ihn gefangen.

RALPH wehrt sich. Das fehlte mir noch, daß solch Bürgerpack mich greifen sollte. Laßt mich ungeschoren!


Er wird entwaffnet, und die Hände ihm gebunden.
[27]

SCHULTHEIß winkt dem Junker, näher zu treten. Wer seyd Ihr, junger Mann?

SONNENBERG. Ich nenne mich Friedmann von Sonnenberg, und komme von meinem Vater, dem Reichsmarschalk, an kaiserl. Majestät mit Siegesbotschaft abgesendet. Seit drei Tagen harre ich hier der Ankunft des erlauchten Herrn.

SCHELM VOM BERGE tritt näher. Mein kleiner Friedmann, den ich aus der Taufe hob? Ei, grüß Dich Gott, Du wackerer Cumpan, Du würdiger Sohn meines alten Waffenbruders; kamst Du mir doch gleich so bekannt vor. Doch, seit der Bart sich Dir so zierlich um die Lippen windet, bist du mir aus den Augen gewachsen.

SONNENBERG. Ihr mir nicht, Herr Schelm vom Berge.

SCHELM. Wetterjunge, kennst mich noch?

SONNENBERG. Ich werde doch meines edlen Vaters Waffenbruder und meines hohen Kaisers treuesten Freund wieder erkennen?[28]

SCHULTHEISS. Herr Junker! Ihr habt unserer freien Stadt, so wie dem Kaiser und meinem Hause, durch Eure Entschlossenheit einen großen Dienst erwiesen. Dieß edle Fräulein, meiner Hut von kaiserl. Majestät vertraut, wie meine Tochter hier, habt Ihr bewahrt vor schwerer Unbill – ich danke Euch, und freue mich, daß Ihr nicht der Erste war't, der das Schwert gezogen, denn vergebens würde ich Euch dann gegen die Strenge der Gesetze vertheidigt haben. Ihr, Meister Bandini, habt durch Gewaltthat den Frieden gefährdet, und zahlt 20 Goldgulden an die Stadt – mit diesem hinweg.

RALPH der sich nach und nach von der Betäubung erholt. Ich lasse mich nicht hinwegführen. Ihr habt kein Recht an mich; denkt Ihr, ich wisse nicht quid juris? Ich stehe nicht unter Eurem Gericht. Mein Herr ist der Günstling des Kaisers, der wird Euch schon lehren, wie man einen ehrlichen Waffenmeister traktirt.

NOLLINGEN tritt erstaunt vor. Bei meinem Leben! ja, es ist der Ralph Strichauer, mein wackerer Waffenmeister. Leichthin zum Schultheißen. Das ändert wohl die Sache; nicht wahr, verehrter Freund? Ja, er ist mir zur Strafe verfallen. Ihr werdet mir ihn ungesäumt ausliefern.

SCHULTHEISS. Mit nichten, Ritter von Nollingen! Ist er Euer[29] Waffenmeister, so beklage ich Euch, daß Ihr Raufbolde dieser Art im Dienste habt; übrigens ist er der freien Stadt zur Strafe verfallen; er hat den heiligen Meßfrieden gestört, und die Gerichte der Stadt werden ihn züchtigen.

NOLLINGEN stolz und zornig. Wie? Ihr könntet mir, dem Freunde Eures Hauses, dem Liebling des Kaisers, den eignen Diener vorenthalten?

SCHULTHEISS. Dem Kaiser selbst den eignen Diener, wenn dieser unsern Gesetzen anheim fällt. Nichts rettet diesen Verletzer des Meßbanns, und morgen, auf öffentlichem Markte, verliert er die verbrecherische Faust, die er erhob, den Wohlstand und die Ehre unserer Stadt zu gefährden, fort mit ihm.


Nollingen stampft mit dem Fuße; man hört aus weiter Ferne Musik und Glockengeläute.


Folgt mir, Ihr Herren! das Zeichen kündet, daß schon des Kaisers Schiffe, den Main herab, der Stadt zu schwimmen. Laßt uns den erhabenen Herrn begrüßen.


Er reicht Amalgundis die Hand.


AMALGUNDIS die den weißen Falken auf der Hand trägt, macht sich, mit[30] einer leichten Verbeugung, von dem Schultheiß los, wendet sich nach dem Junker, und sagt mit einem milden Lächeln. Ich bin Euch sehr verschuldet, edler Junker! wollt meinen wärmsten Dank mit Freundlichkeit empfangen.


Sie verbeugt sich, und folgt – Jutta neigt kaum den Kopf auf seine höfliche Verbeugung; Alle ab, bis auf.


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Pfeffer-Rösel oder Die Frankfurter Messe im Jahr 1297. Wien 1833, S. 26-31.
Lizenz:
Kategorien: