[29] Dieselbe Dekoration. Um den Tisch links, auf dem allerlei Akten und eine Klingel, daneben Austern und Champagner, Barras, Collot, Talleyrand in begeisterter Triumph-Stellung.
BARRAS. Victoria! Schwingt einen Kelch. Das Blut Robespierres ist das Abendmahl der Freiheit! Nehmet hin zu seinem Gedächtniß!
COLLOT feierlich. Weihrauch und Weihwasser der neuen Zeit!
TALLEYRAND. Immer bedacht auf Menschlichkeit, wollen wir jetzt ... Barras klingelt.
COLLOT. Ein kleines Gebäck für Dame Guillotine zurecht machen. Das eiserne Naschmaul soll alle Finger danach schlecken. Gendarm tritt ein aus Hintergrund rechts. Ist Robespierre abgeführt? Laß sehen, ob ihn das Beil nicht reden macht, den großen Schweiger! Nun herein mit St. Just! Gendarm ab.
TALLEYRAND. Kinder, jetzt die goldene Mittelstraße! Die Schreckenszeit soll ja zu Ende sein ... pro forma ... doch man muß dem Pöbel Angst machen. Nicht zu streng, nicht zu milde, ein kleines Bouquet von Köpfen, etwa Fünf ...
COLLOT grinst. Fünf ist eine heilige Zahl. St. Just tritt von Hintergrund recht ein. Hehe, Besieger Dantons, da wirst Du nun selbst verspeist. O heilige Nemesis!
BARRAS. Wenn ich nur wüßte, Du Dummkopf, warum ihr uns geschont habt?[30]
ST. JUST kalt. Aus Verachtung. Wer fürchtet Genüßlinge! Krocht ihr nicht unterthänig zu unsern Füßen?
TALLEYRAND. Hehe, um in die Ferse zu stechen!
ST. JUST. Schlange! Zu Barras. Du Hofkoch der Intrigue, mansche nur in Deinen blutigen Saucen!
COLLOT. Mit Lorbeer gewürzt!
ST. JUST. Du heisrer Wärwolf, Marius des Theaters! ... Ja ihr Alle, Herodiasse in Mannsröcken, tanzt nur mit unserm blutigen Haupt in eurer unsaubern Schüssel!
BARRAS neigt sich höhnisch. Johannes der Bluttäufer!
ST. JUST. Die Freiheit ist keine Kokette, die uns Fußtritte versetzt, damit wir um so brünstiger in sie vernarrt sind. Sie giebt uns den Laufpaß ... wir gehen.
BARRAS. Bravo, Schwätzer! Klingelt.
ST. JUST sieht ihn an. Du kannst ja kaum erwarten, bis mein Mund mit Erde gestopft!
BARRAS Gendarm tritt ein. Fort mit ihm zum Richtplatz!
ST. JUST im Gehen feierlich die Hand erhebend. Es giebt eine andre Welt!
TALLEYRAND lacht. Du wirst ja sehen.
ST. JUST drohend. Auf Wiedersehen! Ab nach links. – Dann kommt Condorcet von Hintergrund rechts, von einem Sanskulotten geführt – dem »Arbeiter«-Sprecher aus dem 1. Akt – der ihn vor den Richtern aufpflanzt.
CONDORCET. Du kannst mich jetzt loslassen, guter Freund.
BARRAS. Holla, der Ex-Präsident des selig entschlafenen Reichstags, der letzte Girondist! Schon damals gefaßt, entwischte er aus der Haft! Droht ihm. Einer unserer gefährlichsten Ausbrecher!
COLLOT feierlich. Ah, ich fühle selig erschauernd den Odem der Göttin Vernunft, welche da leitet der Sterblichen Lauf. Heut naht der große Tag der Vergeltung. ... Condorcet, Dein Leben ist verwirkt.
CONDORCET. Das hoff' ich.
BARRAS schreibt. Also Condorcet, vormals Marquis ...
CONDORCET vornehm. Das ist wohl jetzt gleichgültig.
COLLOT. O Brüder, dieser wenig intelligent aussehende Greis war der Fluch meines Lebens. Ich werde euch mein Herz ausschütten.
TALLEYRAND. Was Teufel! Du hast ein Herz?[31]
COLLOT. Stille! Seit zarter Kindheit von der edeln Liebe zum Ruhm verzehrt, war ich stets groß, gut und original. Willst Du verstockt in's Antlitz des ewigen Nichts die Wahrheit verleugnen?
CONDORCET. Ich will ihr Blutzeuge sein.
COLLOT. Wisset denn, daß ich in Mußestunden meines Künstlerberufes das lenkbare Luftschiff erfunden!
CONDORCET lacht. Er segelt durch die Lüfte!
COLLOT furchtbar. Ah, Du willst spaßen! Höre, ich bin milde, langmüthig. Du hast mit mir eine gräuliche Fehde geführt, Deine Form war roh und unwissenschaftlich ...
CONDORCET. Armer Idiot!
COLLOT weinerlich. Da hört ihr! Selbst unterm Messer übt er seine teuflische Verfolgungssucht an mir! He, Präsident der Akademie! Was ich mir daraus mache, der Erfinder des Luftschiffs! Ich, ihr altersschwachen Perrücken, bin ein junger Adler! O, Du stirbst in deinen Sünden! Fort mit diesem Akademiker! Er werde ausgewischt!
BARRAS. Du hast die Anklage-Akte gelesen?
CONDORCET. Leider, sie wimmelt von orthographischen Fehlern. Der gesunde Menschenverstand tritt einen unordentlichen Rückzug an.
COLLOT entrüstet. O Du verderbter Greis! Die Republik bedarf keiner Gelehrten.
CONDORCET plötzlich zu dem Sanskulotten. Eure Messer, laut chemischer Analyse festgestellt, setzen leicht Rost an, infolge eifrigen Gebrauchs ...
SANSKULOTT zeigt sein Messer. Det stimmt. Von wegen ville Blutflecken.
CONDORCET. Dem muß mein Experiment abhelfen. Erlaube mal .. Nimmt das Messer. So Ersticht sich. setzt man – keinen – Rost – an. Stirbt. Alle springen zu.
COLLOT die Hand über die Leiche ausstreckend. Ein Monument gelehrter Ueberhebung!
SANSKULOTT wüthend. Un' wo bleibt meine Belohnigung? Hab' ihm doch springlebendig abgeliefert!
BARRAS. Melde Dich bei der Staatskasse! Klingelt.
SANSKNLOTT. Det kennen wir! Da giebt's nie nischt! Merkst de wat? Der eintretende Gendarm und der Sanskulott schleifen die Leiche hinaus.
BARRAS. Zwei wären expedirt! Nummer Drei! Biron tritt ein, vom Hintergrund rechts in Uniform. Dein Name?[32]
BIRON hoch herab. Steht in den Blättern der Kriegsgeschichte.
TALLEYRAND schreibt. Biron, vormals Herzog ...
BIRON. Pah, Kohl, Rübe, Herzog, das ist Alles egal. Bald eine handvoll Staub. Verlohnt nicht der Mühe, über solche Bagatelle nachzudenken. Ja ja, Zivilisten, so tödtet Ihr ... mit der Feder. Mit dem Degen auf zwei Schritt Distanz ... da wär' nun wieder ich euch überlegen! Jeder nach seinem Geschmack!
BARRAS klingelt. Angeklagter, man wird Sie zur Ruhe bringen!
COLLOT. Junger Murrkops!
BIRON. Alter Zungendrescher!
COLLOT. Unverschämter, dein Verrath in der Vendée –
BIRON. Schweigt, Ignoranten! Ich that meine Pflicht als ehrlicher Soldat. Nimmt eine Citrone von der Tafel. Ausgequetscht! Aber die Citrone war gut! Gensdarm tritt ein. Nicht mal füsilirt, geköpft wie ein Schneider ... na, ich bin fertig, da habt ihr mich!
TALLEYRAND. Sonst nichts zu Ihrer Vertheidigung?
BIRON. Nichts als: lieber heut als morgen sterben.
BARRAS. Gewährt. Winkt dem Gensdarmen. Sofort zum Richtplatz!
BIRON. »Kopf ab!« Das ist Alles, was ihr zu sagen habt, und Das Dreht ihnen den Rücken. was ich dazu sage! – Na, alter Sünder, wo wartet dein Charonskarren? – Gesegnete Mahlzeit! Wird links abgeführt. Barras klingelt.
COLLOT näselt. Geköpft, aber immer elegant! Katharine Theos von Hintergrund rechts tritt ein, Greisin, phantastisch gekleidet.
BARRAS. Katharine Theos, »Abgesandte Gottes« – Sie wankt. Ist Dir nicht wohl?
THEOS. Bald wird mir wohl sein.
BARRAS. Geständig fanatischen Aberglaubens?
THEOS. Spart euren Athem! Gott sei gepriesen, der mich des Martyriums würdig fand!
BARRAS. Papperlapapp! Du betriebst 'n blühendes Geschäft in Schwindel und schwungvollen Handel mit Hokuspokus! Das nennt sich Theosophie!
TALLEYRAND. Na, ältliche Maria Magdalena, wo hängt dein spindelbeiniger Robespierre? Futsch ist der ganze Kultus, heidi!
THEOS. Ungläubiger, was ich geweissagt, ist wahr. Wer der Erwählte, sagte mir keine Stimme.[33]
COLLOT feierlich. Kinder, es geschehen noch Zeichen und Wunder! Wie wär's, wenn wir mal hohepriestern ließen?
BARRAS lacht. Geprüfte Seherin, lege uns Karten! Mach' Kunststücke vor! Was ist deine Wahrheit?
COLLOT beschwört theatralisch. »Erschein', erschein', erscheine hier! Den du im Geist geschaut, verlangt nach dir!«
THEOS spricht mit gellender Stimme, verzückt. Die Kanone grollt.
BARRAS spöttisch. Das thut sie schon lange.
THEOS. Hört ihr Posaune Jerichos?
TALLEYRAND. Wir sind schwerhörig.
THEOS. Menschen, was seid ihr?
TALLEYRAND. Zweibeinige Hammel.
THEOS. Seid ihr Wesen, seid ihr nur Schatten? Spurlos, ziellos huscht ihr dahin.
COLLOT. Na, die Blutspur ist doch recht deutlich.
THEOS. Ein schwarzer See um uns her, schlägt über uns zusammen ... der Tod.
TALLEYRAND. Herrje, die Neuigkeit! Zu so viel Geist citirst du Geister?
BARRAS. Die haben ja ihren Geist aufgegeben, verstehst de!
THEOS. Aus weltferner Aetherhöh' strahlt ein matter Stern. O Uebernatürliches, das uns zu Häupten schwebt, was bist du?
BARRAS giebt Collot einen Nasenstüber. Ja, das möchtest du wohl wissen!
THEOS. Die Wunder sind deine ahnungsvollen Schatten.
TALLEYRAND. Sehr schattenhaft! Zeig' mal erst die Wunder!
COLLOT theatralisch nachäffend. O meine Ahnung!
THEOS. Das Genie ist ein Funke vom Quell des ewigen Lichts!
BARRAS. Genie! So was giebt's ja gar nicht!
COLLOT. Los, daß die Funken stieben! Jetzt ist sie im Zuge!
THEO. Die kalte Vernunft betet ihr an, ihr Narren? Diese große Zeit, die uns schaukelte auf Sturmeswogen, war sie ein Werk des rechnenden Verstandes?
BARRAS cynisch lachend. Oho, wir rechneten genug! Siehe die Staatskasse! Spitzt Talleyrand Tinte ins Gesicht.
TALLEYRAND. Das muß wahr sein, du hast Dich manchmal verrechnet .. aber nie zu deinem Schaden.
THEOS. Des Schicksals Finger zeichnet die Gnadenwahl geheim in die Seele, nicht auf die Stirn, wo jeder Kurzsichtige es sehen[34] könnte. Eine ganze Zeit, verkörpert sich im Unbekannten, Unscheinbaren, Ungeahnten! Er kommt, der Gewaltige des Herrn, die unsichtbare Idee neben ihm schreitend. In die Ferne. Du bist das letzte Wort der Revolution, wird man es lesen können? Vorwärts, Oedipus, sprich das letzte Wort, auf daß die Sphinx sich in den Abgrund stürze! Sehr laut. Das letzte Wort, Kaiser des Geistes!
DIE DREI grimmig. Kaiser?!
BARRAS. Was haben wir mit Geist zu schaffen! – Brauchen wir weiter Zeugniß? Klingelt, der Gensdarm tritt ein. Zum Block! Theos links abgeführt. Das sind ja lauter Rebusse! Klingelt. Lenchen Duplay tritt ein, von Hintergrund rechts.
BARRAS nach kurzer Musterung. Dein Name?
LENCHEN einfach und bescheiden. Lenchen Duplay.
BARRAS lauernd. Du bist die Bürgerin Duplay, Tischlerstochter, mit welcher Ex-Diktator Robespierre lebte?
LENCHEN aufhorchend. Ex-Diktator? Was heißt das? ... Ja, Bürger Präsident, und bei uns lebt der gute Bürger Robespierre.
TALLEYRAND. So, lebt er? – Der gute Bürger Robespierre hat wohl auch Dich in seine Pläne eingeweiht?
LENCHEN verblüfft. Ich dummes Ding! Der große Mann wird mir seine Pläne ... Traurig. Ach, er, der so einsam und verschlossen ist! Ich möchte ja wohl ... o so gern ... wenn er mir was anvertrauen wollte, o das würde ich still verwahren wie einen heiligen Schatz ... Naiv. Ja, das könnt Ihr mir glauben, Bürger ...
BARRAS. Hm. Hast Du viel mit ihm verkehrt?
LENCHEN. Ach nein. Er arbeitet ja immer, Tag und Nacht. Aber er gab mir botanische Stunden.
COLLOT boshaft. Ei, meine Tochter, was Du sagst! Und hat er Dich nur in botanische Geheimnisse eingeweiht oder ... hihi ... auch in andre?
LENCHEN naiv. Ach, Du meinst, wegen der Geschichtsstunden, die er mir geben wollte? Das wißt Ihr auch?
TALLEYRAND. Ja, er mußte selbst eine Geschichtsstunde nehmen. ... Also von der Verschwörung weißt Du nichts?
LENCHEN erregt. Wie, eine Verschwörung gegen Robespierre? O deswegen hab' ich ihn immer laut reden hören, wenn er in seinem Zimmer auf- und abging und ich ... Hold verlegen. ich horchte an der Thür ... Ihn nachahmend. »Die Buben, die Verräther!« Unruhige Bewegung der Anwesenden.[35]
BARRAS mißmuthig. Bürgerin, Du kannst abtreten. Man ist von Deiner Unschuld überzeugt.
LENCHEN. Unschuld? Ja wie denn ... sollte ich etwa ... an einer Verschwörung ... ich ... gegen Ihn...
COLLOT pathetisch. Das ist die Stimme der Liebe!
LENCHEN zurückschreckend. Liebe ... Verwirrt. Präsident, darf ich nun gehen?
MADAME TALLIEN von links hereinstürzend, triumphirend. Robespierre ist todt! Lenchen schreit auf.
BARRAS. Hussa! ... Wo ist Kollege Tallien?
MADAME TALLIEN. Erwartet uns bei Freundin Josefine. Wirst den Andern Kußhände zu.
BARRAS aufstehend zu Lenchen. Fasse Dich, mein Kind! Der Tyrann ist hingerichtet wegen seiner Verbrechen gegen den Staat. Klingelt. Der Gensdarm tritt ein.
LENCHEN. Verbrechen? Er?! ... Ah, das also Eure Verschwörung gegen den besten der Menschen?
BARRAS. Gensdarm, führ' sie weg!
LENCHEN. Wohin? Nach Haus, wo er nie mehr ... Aufschluchzend. nie mehr sein wird?! Weg?! Ja, wo er hingegangen ist ... Sich aufrichtend. Bürger Präsident, ich bin sehr schuldig. Oftmals hörte ich ihn sagen, Ihr wäret lauter elende Schurken, und ich ... ich hab' es ihm von Herzen geglaubt.
BARRAS. Weg!
COLLOT gerührt. Wär's nicht Barmherzigkeit, sie den andern nachzuschicken?!
BARRAS sinnend. Freilich, wir brauchen noch ein Gebäck. Es sind zu wenig. Entschlossen. Bürgerin, Dein Geständniß verändert die Sachlage. Bist Du Verschwörerin gegen den Staat, so mußt Du sterben.
LENCHEN aufschreiend. O Glück! ... Ja, den Staat kenn' ich nicht, aber Robespierre kenn' ich, den Weisesten und Besten. Und wer ihn ermorden konnte ... das müssen ja gräuliche Menschen sein, so recht ruchlos, daß die liebe Sonne sich schämt ...
BARRA klingelt. Genug. ... Man führe sie zum Schafott!
LENCHEN froh. Ich komme. Abgehend. Es lebe die Republik! Er hat sie so geliebt! Ab.
COLLOT pathetisch. O Liebe, Du bist stärker als der Tod! Pause.[36]
BARRAS rasch. Wie starb er?
COLLOT. Z.B. Danton ... Nachahmend. »Henker, zeige meinen Kopf dem Volke! Er ist es werth!« Und Robespierre?
MADAME TALLIEN. Er schwieg.
BARRAS starr. Was, er hat gar nichts gesagt?!
MADAME TALLIEN. Gar nichts. Er nahm sein Geheimniß mit in's Grab ... wenn er eins hatte. Pause.
COLLOT schüttelt seine olympischen Locken. Ich habe diesen Menschen doch immer überschätzt. Er wußte also nicht einmal zu sterben!! Auf dem Schafott ... eine Gelegenheit, die sich nicht zweimal bietet ... die jeder Höhenmensch zu Geistreichigkeiten benutzt! Ich z.B. würde ... Macht eine Pose. So stirbt ein wahrhaft großer Mann. Nicht einmal einen guten »Abgang« hat er gehabt.
BARRAS mit düstrem Hohn. Ja, darin ist ihm jeder Schauspieler »über«. Sich aufraffend. Gehen wir! Das Tribunal ist aufgehoben.
TALLEYRAND die Listen aufraffend, stutzt. Halt! Da steht ja noch einer auf der Liste. Liest. »Bonaparte, Brigadegeneral.« Bona – was das für eine Name ist! Den wird sich kein Mensch merken!
TALLIEN klingelt. Unnöthig! Wir haben ja jetzt die runde Zahl fünf als Guillotinenfutter. Ja, hätten wir die kleine Duplay losgelassen ...
Bonaparte in schäbiger Uniform von Hintergrund rechts tritt ein.
BARRAS ihn musternd. Hm, der sieht ungefährlich aus. ... Machen wir's kurz! General Popaparte, Sie sind angeklagt der Mitschuld an der Verschwörung.
BONAPARTE. Ich weiß von Nichts. Gegen wen?
TALLEYRAND. Gegen die Freiheit des französischen Volkes.
BONAPARTE tiefergriffen. Ich gegen die Freiheit! ... Ich verdächtig! Doch mich tröstet mein Gewissen, daß ich mir selber nicht verdächtig bin. Jede Verschwörung verabscheue ich, gewohnt, nur die Prinzipien im Auge zu halten.
TALLEYRAND. Ein harmloser Exaltado!
BARRAS. Bessern Sie sich, Pipaparte! Und schimpfen Sie nicht wieder auf die »Federfuchser«! Zeigt auf die Anklage-Akte. Solche Anzüglichkeiten verbitt' ich mir!
BONAPARTE. O, deine Feder ... ich verehre sie! Sie schärft sich zum Schwert ... sie gab Tyrannen den Todesstoß[37] ... Nimmt eine Feder vom Tisch und salutirt militärisch. ... ich salutire!
TALLEYRAND nimmt eine Prise, wohlwollend. Nicht übel! Ein Streber!
COLLOT posirend. Mäßigung, junger Mann, Mäßigung. Eins ist noth: Weisheit und Tugend.
BONAPARTE. O Bürger, Ihr erinnert mich an die Konsuln Roms, an die geheimen Drei Venedigs. Hier endlich geht mir ein Licht auf, worum die hohe Politik sich dreht. Wer war denn dieser Robespierre? Ein Ideologe.
MADAME TALLIEN gelangweilt. Schluß! Der Champagner wird noch heiß werden, wenn ihr euch länger heiße Köpfe macht!
COLLOT. O der Instinkt göttlicher Weiber!
TALLEYRAND die beiden Andern unter den Arm nehmend. Champagnern wir!
TALLIEN winkt dem Gendarmen über die Achsel, nach Bonaparte hin. Laßt ihn laufen!
Schluß des ersten Theils.
[38]
Buchempfehlung
1858 in Siegburg geboren, schreibt Adelheit Wette 1890 zum Vergnügen das Märchenspiel »Hänsel und Gretel«. Daraus entsteht die Idee, ihr Bruder, der Komponist Engelbert Humperdinck, könne einige Textstellen zu einem Singspiel für Wettes Töchter vertonen. Stattdessen entsteht eine ganze Oper, die am 23. Dezember 1893 am Weimarer Hoftheater uraufgeführt wird.
40 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro