An Herrn Blumauer, von J.F. Ratschky

[204] Johannstein am Sparbach im May


1781.


Als, rings umpflanzt mit wolkenhohen Thürmen,

Das stolze Wien mir aus den Augen kam,

Und, vor der Gluth der Sonne mich zu schirmen,

Der Brühl mich d'rauf in seine Schatten nahm,[204]

Verschwur ich mich bei mehr als zwanzig Göttern

Mit einem Eid: die Sonne sollte nicht

Zum zweitenmal den Berg herüberklettern,

Es läge denn das stattlichste Gedicht,

So elegant, wie meines Wissens keiner

Im deutschen Reich, als etwa Unsereiner

Zu schreiben pflegt, an dich, o Freund! bereit.

Doch da nun schon wir Dichter jederzeit

Bei'm Layenvolk für Lügenschmiede galten,

So ließ es denn auch meine Wenigkeit,

So sehr ich sonst der Mann bin, Wort zu halten,

Dem Handwerksbrauch zu Liebe, hübsch beim Alten;

Denn wirklich hat bereits zum viertenmal

Die kühle Nacht nun Flächen, Berg und Thal

Und Feld und Wald mit Dunkel rings umhüllet,

Und dennoch ist mein Eidschwur unerfüllet,

Und blieb es auch, hätt' ein Gewitter hier

In's Gartenhaus mich nicht hereingeschrecket,

Und hätte nicht der Donner über mir

Mein schlafendes Gewissen aufgewecket.

So höre denn, was meine Neubegier

Von Ort zu Ort auf meiner Fahrt entdecket.

So wie ich mich durch einen breiten Strom

Von wallendem Getraide durchgewunden,

Stand Medling da, wo Gänse, wie zu Rom

Im Kapitol, am Thore Wache stunden.

Von dannen ging's ganz sachte durch den Brühl,

Wo plötzlich jüngst der Rest von alten Mauern

Auf einem Fels, zu dem man ohne Schauern

Nicht aufseh'n kann, mir in's Gesichte fiel.

Hier hatten einst in jenen Ritterzeiten,

Als man hierland's Begier und Muth zu streiten

Noch höher hielt, als Wissenschaft und Witz,

Viel Herzoge von Oestreich ihren Sitz.

Nun schlängelte die schmale Bahn sich mitten

Durch Klippen fort, und durch das frische Grün[205]

Des Wienerwalds, an Bächen, die mit Hütten

Umzingelt sind, bis zu dem Ziele hin.

Hier leb' ich nun so ziemlich abgeschieden

Von eu'rer Welt und ihren Plackerei'n,

Daß ich nicht weiß, wie's ausser meinem Hain

Indessen geht, ob Krieg ist oder Frieden.


Heut morgens, Freund! als kaum die Sonne sich

Den Berg empor an meine Fenster schlich,

Ging alsogleich die Reise nach der Klause

Zum heil'gen Kreuz. Hier prangt vor der Karthause,

Schön angelegt, ein Kreuzgang, der vielleicht,

Wohl nicht so viel dem Weg zur Schädelstätte,

Als einer Bahn zum Paradiese, gleicht;

Denn links erhebt sich eine kleine, nette

Einsiedelei, mit Bäumen rings besetzt,

Zur rechten winkt die niedlichste Kapelle

Zur Andacht hin, wobei die schönste Quelle,

Rein wie Krystall, ein Rasenplätzchen netzt.


Im Stifte selbst fand ich mit Mißvergnügen

In einem Saal so manche Seltenheit

Bei Spielwerk oft, das höchstens Kinder freut,

Unordentlich wie Kraut und Rüben liegen.

Nebst andern ragt ein schöngeschnitztes Chor

Im Mittelpunkt des Tempels hoch empor,

Das einst ein Mönch, den, wie's so manchem gehet,

Kein guter Geist zur Reimerei entzückt,

Mit einer Art von Versen ausgeschmückt,

Wovon mir noch das Haar zu Berge stehet.

Lies sie nur selbst, kein Sylbchen ist verrückt:

Psale Deo soli, sed voci parcere noli.

Hic locus est flendi, locus est peccata luendi,

Hic sta, nec cesses, venient post tempora messes

Post fletum risus, mora gaudia, plus paradisus

Psale, sed attento resonet nisi corde, memento

Quod, licet os oret, frustra tua lingua laboret.[206]

Hic memor hujus eris, ne orando mente vageris

Et ne quo fraudes, domini pia cautica laudes.


Noch hätt' ich dir, mein Bester! vielerlei

Von Bonzenstolz, Verstellung, Gleißnerei,

Unwissenheit und feisten Ordensbäuchen,

Von kupf'rigen Gesichtern und dergleichen

Artikeln mehr sub rosa zu vertrau'n;

Allein ich mag mir keinen Scheiterhaufen

Im Höllenpfuhl durch meine Zunge bau'n;

Was hat denn auch ein Laye d'rauf zu schau'n,

Ob Mönche sich kasteien oder saufen;

Auch galoppirt bereits in vollem Lauf

Die düst're Nacht in ihrem Trauerwagen,

O Theuerster! den Horizont herauf,

Und zwinget mich, dir Lebewohl zu sagen.

Quelle:
Aloys Blumauer: Sämmtliche Gedichte. München 1830, S. 204-207.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Zwei Schwestern

Zwei Schwestern

Camilla und Maria, zwei Schwestern, die unteschiedlicher kaum sein könnten; eine begnadete Violinistin und eine hemdsärmelige Gärtnerin. Als Alfred sich in Maria verliebt, weist diese ihn ab weil sie weiß, dass Camilla ihn liebt. Die Kunst und das bürgerliche Leben. Ein Gegensatz, der Stifter zeit seines Schaffens begleitet, künstlerisch wie lebensweltlich, und in dieser Allegorie erneuten Ausdruck findet.

114 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon