An Alexinger

[168] bei Zurücksendung eines weissen Schnupftuchs.


Hier schick' ich dir den selt'nen Freund zurücke,

Dem nie ein Freund auf Erden glich,

Der, wenn er bei dir war – so wenig als die Ficke

Von deinem Rock – von deiner Seite wich,

Der, wenn er oft in heissen Prüfungstagen[168]

Dein schweres Dichterkreuz, woran

Du nun als Heiland hängst, den steilen Berg hinan

Bis hin zur Schädelstatt des Ruhms getragen,

Den blut'gen Schweiß, der dir dabei entrann,

Wie Sankt Veronika, dir von der Stirne wischte,

Den treuen Freund, in dessen Schoos,

Wenn dir das Schicksal Schmerz in deine Tage mischte,

So manche Thräne deines Kummers floß,

Der jeden deiner Seufzer hörte,

So willig stets an deine Lippe kam,

Und all' den Unrath von dir nahm,

Der den Kopf so manchen Tag beschwerte;

Den Freund, der, wenn was zu vergessen war,

Bei dir den treuen Mentor machte,

In manchen Fällen für dich dachte,

Wo du vergassest, und vor dem sogar

Kein Fleckchen an dir sicher war;

Kurz, den Getreuen, der sich würdig machte,

Am schönsten Mädchenbusen nun,

Für seine Dienste auszuruhn,

Und den du, ob du gleich ihm viel zu danken hast,

So schändlich jüngst bei mir vergaß'st,

Den so verdienten Freund, o Lieber! schicke

Ich dir – in deinem Schnupftuch – hier zurücke.

Quelle:
Aloys Blumauer: Sämmtliche Gedichte. München 1830, S. 168-169.
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