Das Lied von Belgrad

[44] 1789.


Im Ton: Marlborough s'en va-t-en guerre etc.


Wir sah'n den Kaiser wieder

Gesund in unserm Wien;

Der Türke liegt darnieder,

Es schlug Held Coburg ihn,

Und Belgrad danken wir,

O großer Laudon, dir.

Wir sah'n u.s.w.


Laßt uns Te Deum singen

Drei ganzer Tage lang,

Und Dankesopfer bringen

Bei Glas und Glockenklang:

Drei Tage, so wie die,

Erlebten wir noch nie;

Wir sah'n u.s.w.


Eilt wack're Patrioten

Zum Jubelfest' herbei!

Sonst ward die Lust geboten,

Heut aber ist sie frei.

Laßt uns nur glücklich seyn,

Wir wollen uns schon freu'n!

Wir sah'n u.s.w.


Juheh! seht, Köpf' und Fenster

Sind schon illuminirt,

Zur Stunde der Gespenster

Wird heut noch jubilirt,[44]

Und ganze Schaaren zieh'n

Schon durch die Gassen hin;

Wir sah'n u.s.w.


Es ist kein Ton der Freude,

Den man nicht heute hört,

Und allem Gram und Leide

Ist Thür und Thor gesperrt;

Der Türk am Heidenschuß

Allein heut trauern muß.1

Wir sah'n u.s.w.


Es feiert das Tedeum

Die ganze Bürgerschaft

Zum halben Jubiläum

Von Belgrad's Wanderschaft,

Das heute fünfzig Jahr

In Türken Händen war.

Wir sah'n u.s.w.


Es wimmeln alle Strassen

Von Menschen ohne Zahl;

Ganz Wien mit allen Gassen

Ist nur ein großer Saal,

Wo jedermann sich heut

Nach seiner Weise freut.

Wir sah'n u.s.w.


Seht, die Studenten weihen

Schon Belgrad's Schulen ein,

Und singen laut in Reihen

Bei türkischen Schalmey'n,

Den Türken zum Verdruß,

Das Veni Spiritus.

Wir sah'n u.s.w.
[45]

Dort eilt ein Trupp von Knaben

Mit dankbar frohem Sinn,

Weil sie nicht Pferde haben,

Auf Steckenpferden hin,

Wo Laudon wohnt und schrei'n

Ihr Vivat, und juhey'n,

Wir sah'n u.s.w.


Hier raufen ein Paar Bassen,

Die erst mit Ahl und Pfriem

An ihren Leisten sassen,

Mit frohem Ungestüm

Das Haar einander aus,

Und flechten Roßschweif' d'raus,

Wir sah'n u.s.w.


Das frohe Posthorn schallet,

Daß Erd' und Himmel hallt,

Und mit den Peitschen knallet

Frohlockend Jung und Alt,

Und jeder singt damit

Den Türken dieses Lied:

Wir sah'n u.s.w.


»Verloren hat den Schimmer

Des Mondes Doppelhorn,

Held Laudon schlug's in Trümmer,

Und macht in seinem Zorn

Für uns zum Ohrenschmaus

Zwei Dutzend Hörner d'raus.«

Wir sah'n u.s.w.


Auf tausendfache Weise

Ergießt die Freude sich,

Die Jungen und die Greise

Frohlocken brüderlich;

Und aller Freude Lauf

Löst in den Wunsch sich auf:

Wir sah'n u.s.w.
[46]

»Der Türke liegt darnieder,

Woran ihm recht geschieht;

Nun kommt der Friede wieder,

Und all' sein Segen mit:

Dann macht der liebe Gott

Auch grösser unser Brod.«

Wir sah'n u.s.w.

Fußnoten

1 Die daselbst befindliche Statüe eines Türken zu Pferde war die ganze Nacht über mit einem Flor behangen, und mit Fackeln beleuchtet.


Quelle:
Aloys Blumauer: Sämmtliche Gedichte. München 1830, S. 44-47.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Jean Paul

Selberlebensbeschreibung

Selberlebensbeschreibung

Schon der Titel, der auch damals kein geläufiges Synonym für »Autobiografie« war, zeigt den skurril humorvollen Stil des Autors Jean Paul, der in den letzten Jahren vor seiner Erblindung seine Jugenderinnerungen aufgeschrieben und in drei »Vorlesungen« angeordnet hat. »Ich bin ein Ich« stellt er dabei selbstbewußt fest.

56 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon