[34] Mirzl – Leopold – Josepha – dann Mali.
Josepha in einem Boote stehend, rudert an die Landungsstelle heran. Sie trägt ein schmuckes Gebirgskostüm und einen breiten runden Strohhut. Das Ruder ist in dem hinteren Teil des Bootes angebracht und dient gleichzeitig als Steuer.
JOSEPHA. So, da san mer wieder!
LEOPOLD diensteifrig. Küß' die Hand, gnä' Frau.
JOSEPHA. Schnell – helfen's a bissel!
LEOPOLD den Kahn an's Land ziehend. Bin schon dabei!
JOSEPHA. Aber hübsch langsam, sonst fall' i gar in's Wasser!
LEOPOLD. O Gott! ... Wann's mir den Gefallen täten![34]
JOSEPHA. Na, san's so gut!
LEOPOLD. Ich möcht' Sie gar zu gern retten! Und wenn ich Sie dabei in meinen Armen halte ... Frau Josepha, in dem Fall müßten's schon erlauben! ...
JOSEPHA. Na, das kann ich mir ja noch überlegen, wann i erst drin bin – im Wasser.
LEOPOLD. Und g'rad heut wär mir's angenehm – wo's gar so viel sauber ausschau'n.
JOSEPHA. Sie, zum Scharmuzieren haben wir jetzt ka Zeit! Die Sachen müssen in die Kuchel!
MALI dicke Hotelköchin, von rechts hinter dem Haus. Bin schon da, gnä' Frau! Haben's ordentlich eingekauft?
JOSEPHA. Alles haben wir. Sie, Mali, und teuer san jetzt die Leut. Net zum der'glauben. Ihr ein Netz mit Fischen reichend. Da haben's die Fische. Reinanken ... Seiblinge ...
MALI. Haben's denn keine Forellen?
JOSEPHA. Hab' i net 'kriegt heute! Geben wir halt Seiblinge dafür – das merk eh' keiner! Da san die Hähndel – das andere is alles in der Butt'n! Steigt aus dem Boot.
MALI die Sachen aus dem Boote nehmend. Und was ist denn das in dem Körbel?
JOSEPHA. Das san Erdbeeren, die dürfen jetzt keinen Tag fehlen. Die hat der Herr Doktor Siedler so gern.
LEOPOLD beiseite, geärgert. Natürlich! – Der Herr Doktor Siedler!
JOSEPHA. Und Sie, Mali – wann in der Kuchel was bestellt wird für den Herrn Doktor Siedler, dann machen's die Portionen doppelt so groß.
MALI. Weiß schon, gnä' Frau. Wie im vorigen Jahr. Packt die Sachen aus dem Boote zusammen und geht damit rechts hinten ab.
LEOPOLD für sich. Daß er sich nur ja ordentlich anpampfet, der Herr Doktor.
JOSEPHA nach vorn kommend und den Hut abnehmend. Und warm is heute ...
MIRZL. Da san die Blumen, gnä Frau.
JOSEPHA. Gibt's her. Binden werd' ich's selber. Geh nur. Setzt sich links an den Tisch und bindet einen Strauß.
MIRZL geht rechts ab.
LEOPOLD. Bitt' schön, gnä Frau! Für wen wird denn das Sträußel g'macht?
JOSEPHA. Das werden's schon sehen![35]
LEOPOLD erregt. Ich kann mir's schon denken ... Mit einem Anlauf. Entschuld'gens, aber ich muß an ernstes Wort mit Ihna red'n!
JOSEPHA. Ja, was ist denn? Ist was passiert im Haus?
LEOPOLD. Noch net – aber 's könnt was passieren – und darum muß ich den Mund aufmachen, eh' es zu spät ist!
JOSEPHA. Lassen's den Mund nur zu, und geh'ns lieber an Ihre Arbeit!
LEOPOLD. Ah nein! Ich muß mit Ihnen reden. Ich hab' einen Auftrag für Sie. Wissen's, wer mir heut' Nacht im Traum erschienen ist? Ihr Seliger!
JOSEPHA. Aber den haben Sie ja gar net g'kannt.
LEOPOLD. Bitt' schön! Er hat sich mir vorg'stellt! »Poldi Brandmeyer«, hat er zu mir g'sagt, »Du bist jetzt Oberkellner im ›Weißen Röß'l‹ und hast die Verantwortung für alles, was im Hotel vorgeht! Alsdann geh' hin zu meiner Frau – sag ihr, ich lass' sie schön grüßen, und die G'schicht mit dem Herrn Doktor Siedler, die muß aufhören! Das bringt nur ein G'red unter die Leute, und das g'hört sich net. Sag' ihr das!« ... Und jetzt, Frau Sephi, wissen's, was Sie z'tun haben!
JOSEPHA. Ja, das weiß i! Am Ersten können's gehen.
LEOPOLD. Was? Sie kündigen mich?
JOSEPHA. Und wann's schon früher fort woll'n – ich hab' nichts dagegen!
LEOPOLD. Ich geh' aber net! Das darf ich Ihrem Seligen net antun!
JOSEPHA. I muß sehr bitten. Lassen's meinen Mann aus dem Spiel! Ich hab' sein Andenken drei Jahre in Ehren gehalten und werd's auch weiter tun. Koan Mensch kann mir so viel vorwerfen! Mit dem Finger schnalzend. Aber, wann ich einem lieben Gast den Aufenthalt im »Rößl« so angenehm wie nur möglich mache, so geht das keinen etwas an, und der Herr Leopold braucht sich darüber das Maul net zu zerreißen!
LEOPOLD. Aber, Jesses, Frau Sephi – reden's doch net so daher! Denken Sie, i woaß net, wie's bei Ihna da drinnen ausschaut?
JOSEPHA. Woher wollen Sie denn das wissen?
LEOPOLD streng. Von die doppelten Rostbraten – bitte! Umasunst gibt man einem Gast net solche Portionen! Und 's beste Zimmer im ganzen Haus! Und fährt in aller Früh' nach dem Markt rüber, um nur ja alles einzukaufen, was er gern hat – der Herr Doktor! Das sieht doch a jedes Kind – daß das anen Zweck hat!
JOSEPHA. Na, wer woaß – vielleicht will ich ihn verführen mit die Rostbrat'l – daß er mi am End' gar heiratet![36]
LEOPOLD erregt. Der? Was Ihnen net einfällt! Der denkt gar net dran!
JOSEPHA spöttisch. Hat er Ihnen das anvertraut?
LEOPOLD. Aber, i bitt' Sie, gnä' Frau – das ist doch kein Mann fürs »Rößl« – was versteht denn der vom G'schäft? Selbstgefällig. Da gehört ein intelligenter gebildeter Mensch dazu, der sein Fach gelernt hat, und der in der Welt herumkommen is – ein Mensch, der auch selber ein Geld hat und so an Haus zu führen versteht!
JOSEPHA kokett. Ja, wo soll ich den aber hernehmen?
LEOPOLD. I wüßt' schon oanen! Und wenn Sie mir sagen: »Bringen Sie mir ihn« – bitte sehr, bitte gleich – is schon da!
JOSEPHA. Nein – was Sie aber gut sind? Das will ich mir doch noch recht lange überlegen.
LEOPOLD. Ach ja – tun's das – aber net wahr, die Kündigung ...?
JOSEPHA. Die nehm' ich zurück. Anen so narrischen Oberkellner, den krieg' i ja doch net wieder!
LEOPOLD. Und die Blumen da?
JOSEPHA. Die geb' i jetzt Ihnen!
LEOPOLD freudigst. Wirklich?
JOSEPHA. Und sage Ihnen, bringen's die dem Herrn Doktor Siedler!
LEOPOLD. Was?
JOSEPHA energisch. Aber sofort!
LEOPOLD. Das tu' i net! Und wenn i noch heut' aus dem Haus' müßte! Und das können Sie auch net von mir verlangen! Ich bin hier als Kellner im Dienst, und wenn ich einem Herrn an Essen bringen soll – gut, ich bring's – und wenn's noch so viel ist! Aber daß ich den Liebesboten machen soll zwischen Ihnen und dem Herrn Doktor, das gibt's net! Das verträgt sich net mit meiner Würde als Kellner!
PICCOLO in der Tür des Speisesaales. Leopold – bitte zahlen!
LEOPOLD. Bitte sehr, bitte gleich! Schnell ab in den Speisesaal.
Ausgewählte Ausgaben von
Im weißen Rößl
|
Buchempfehlung
Strindbergs autobiografischer Roman beschreibt seine schwersten Jahre von 1894 bis 1896, die »Infernokrise«. Von seiner zweiten Frau, Frida Uhl, getrennt leidet der Autor in Paris unter Angstzuständen, Verfolgungswahn und hegt Selbstmordabsichten. Er unternimmt alchimistische Versuche und verfällt den mystischen Betrachtungen Emanuel Swedenborgs. Visionen und Hysterien wechseln sich ab und verwischen die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn.
146 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro