Dritter Auftritt.

[10] Grobian und die Vorigen.


GROBIAN. Was ists? was giebts? Wohin führet der Teufel die Mägde und Susanna?

SITTENREICH. Es kommt ein Fremder zu mir, Herr Vater!

GROBIAN. Ein Fremder! was will der Kerl?

SITTENREICH. Er will meine Schwester heirathen, Herr Vater.

GROBIAN. Heirathen! ist er von unserer Verwandschaft?

SITTENREICH. Ich sage ja, daß er fremd ist, Herr Vater.

GROBIAN. Ein Fremder, ein Schelm, ein Dieb will meine Tochter heirathen? Hat der Hund Geld?

AGNETA. Ey nun, Mann, alle Fremde werden doch wohl keine Schelme und Diebe seyn. Wenn darum unsere Tochter eine gute Heirath treffen könnte: so ließ sich doch die Sache wohl untersuchen.

GROBIAN. Darum frage ich ja, ob er Geld hat.

SITTENREICH. Herr Vater, bestehet denn das menschliche Vergnügen nur im Gelde?

GROBIAN. Ja, du Galgenvogel, wart, laß mir den Kerl herkommen, ich werde ihn willkommen heissen, daß er sich wundern soll. Ich will ihn fragen, ob er den Hacken wohl siehet, woran solche Diebe hängen müssen.

AGNETA. Ey, lieber Mann, sey doch nicht gar zu unhöflich.

GROBIAN. Unhöflich! was habe ich nöthig einem Fremden Höflichkeit zu erweisen? überdem will er[10] ja nichts bringen, er will was holen. Zum Sittenreich. Doch sage mir, wie ist der Kerl auf die Gedanken gekommen.

SITTENREICH. Vor drey Jahren, Herr Vater, als mein Oheim, der Herr Gutherz, mich in Leipzig studiren ließ, bin ich mit ihm bekannt geworden. Wir haben uns, um der Uebereinstimmung der Gemüther willen, ewige Freund- und Brüderschaft geschworen; und auf Vernehmen, daß ich eine Schwester hatte, pflegte er so wohl der Zeit, als auch nachhero in allen Briefen zu scherzen: er wünschte mein Schwager zu werden. Anietzo möchte aus dem Scherz leicht Ernst werden; denn er ist herüber gereiset, ohne mir vorher ein Wort zu schreiben, und hat sich so eben bey mir anmelden lassen; daher ich nicht umhin gekonnt, seinen Besuch anzunehmen.

GROBIAN. Ich wollte, daß meinen Schwager und dich der Donner und der Hagel erschlagen hätte, ehe du nach Leipzig gegangen. Ich habe es gleich gedacht, daß dein Lernen und dein Reisen nichts Gutes nach sich ziehen würde. Wie listig wuste mir mein Schwager nicht der Zeit vorzuschwatzen, daß dein Studieren mir nichts kosten sollte, daß er dich aus seinem Beutel unterhalten wollte. Er wuste wohl, wenn ich die Unkosten hätte tragen sollen, daß es in Ewigkeit nicht geschehen wäre. Ich gebe kein Geld für Narrenspossen; und mir ist noch immer bange, du habest ihm unter der Hand eine Verschreibung gegeben, daß du nach meinem Tode ihm solches zu bezahlen schuldig seyest.

SITTENREICH. Hievon ist mir nichts bewust.

GROBIAN. Ich will dirs auch nicht rathen. Er kann es besser thun, als ich. Er hat keine Kinder. Aber sage mir, wärest du nicht wehrt, daß ich dir was anders wiese? Hat dich mein Schwager darum nach Leipzig reisen lassen, daß du mir einen fremden Kerl über den Hals schicken sollst, der mir Ungelegenheit macht? Ist das die Würkung deiner grossen Gelehrsamkeit, daß du deinem Vater alle Augenblicke Aergerniß verursachest? Ich bleibe dabey der Mensch ist glücklich, der nichts gelernet hat.[11]

AGNETA. Mein Sohn, ihr habt mir ja vorhin viel Rühmens von dem Reichthum dieses Fremden gemacht.

SITTENREICH. Ich muß den Herrn Vater wohl befriedigen. Der Fremde, der ietzt hier kommen will, ist ein Sohn des alten Ehrenwehrts, der oft in Hamburg gewesen, und vor einem Jahre in Leipzig gestorben ist. Der Rede nach, soll er vier Tonnen Goldes hinterlassen haben. Ich zweifle nicht, der Herr Vater wird ihn kennen.

GROBIAN. Je, du Teufelskind, was wollte ich den alten Ehrenwehrt nicht gekannt haben! Must du mich denn erst zum Zorn reizen? Hättest du mir das nicht sagen sollen? Auf die Weise hat ja mein Schwager was Gutes gestiftet. Ich habe mich zwar seit drey Jahren mit ihm veruneiniget, allein ietzt will ich so gleich zu ihm gehen, und er soll sich mit mir versöhnen, und diesen Nachmittag hier kommen. Du aber, wenn der junge Ehrenwehrt kommt, so halte ihn so lange auf, bis ich wieder da bin. Ich will ihn selber sprechen. Das Eisen muß man schmieden, weil es warm ist. Vier Tonnen Goldes ist kein Dreck.


Gehet ab.


SITTENREICH. Ich werde mein Bestes thun.


Agneta gehet ab.


Mein Freund könnte wie es scheinet, leicht zu seinem Gesuche gelangen; aber ich fürchte, wenn er meine Schwester sehen und sprechen wird, daß ihr Umgang und ihre Erziehung ihm schlecht gefallen möchte. Ich hätte nimmer geglaubet, daß mein Vater bey seiner alten Meinung, die Kinder nicht das geringste lernen zu lassen, verharren würde, und ich bin daher glücklich, daß mein Oheim sich meiner angenommen hat. Ja, wehrster Gutherz, dir bin ich mehr Dank schuldig für die Erziehung, als meinem leiblichen Vater für das Leben und die zeitlichen Mittel, so er mir einmal nachläßt. Zu meiner völligen Beruhigung fehlet mir nur noch der Besitz der schönen Charlotte; allein hiezu weiß ich nicht zu gelangen. Sie ist tugendhaft und schön, klug und wohl erzogen, mit einem Worte, sie hat alle Eigenschaften eines vollkommenen Frauenzimmers.[12] Ich kann mich rühmen, ihre Gunst zu besitzen, allein sie besitzet nicht die Gunst meines Vaters. Warum? sie hat kein Geld. Verdammte Geldsucht, wie schädlich bist du dem menschlichen Vergnügen! Ohne seine Einwilligung kann ich gleichwohl nichts anfangen. Er würde mich ohnfehlbar enterben. Die letzte Zuflucht soll zum Herrn Gutherz seyn. Doch da kommt mein Freund von einem Frauenzimmer begleitet.


Quelle:
Hinrich Borkenstein: Der Bookesbeutel. Leipzig 1896, S. 10-13.
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