Die 4. Historie sagt, wie Ulenspiegel den Jungen bei zweihundert Par Schuch ihn von den Füssen ret und macht, daz sich alt und jung darum bei den Har roufften.

[15] In kurtzer Zeit darnach, da Ulenspiegel wolte seinen Schaden und Spot des Bades rächen und zoch daz Seil uß einem andern Huß uber die Sal. Und verwonte die Lüt, wie er aber uff dem Seil wolt gon. Daz Folck samlet sich bald dartzu, jung und alt. Und Ulenspiegel sprach zu den Jungen, das sie ihm geben ein jetlicher seinen lincken Schuch, er wolt ihn ein hübsch Stück uff dem Seil zeugen mit den[16] Schuhen. Die Jungen glaubten daz und meinten all war, auch die Alten. Und hüben an die Jungen und zugen die Schuh uß und gaben sie Ulenspiegeln. Und der Jungen war beinach zwei Schock, daz ist zweimal 60. Die halben Schuh wurden ihm. Da zoch er sie an ein Schnur und steig damit uff daz Seil. Als er nun uff dem Seil waz und hät die Schuh mit ihm daruff, da sahen die Alten und die Jungen zu ihm uff, so daz sie meinten, er wolt etwaz nötlichs Dings damit thun. Und der Jungen waren ein Teil betrübt, wann sie ihr Schuh gern hätten widergehabt. Also nun Ulenspiegel uff dem Seil saß und macht sein Gefert, da rufft er uff dem Seil: »Meniglich nem war, und jeglicher such seinen Schuch wider!« und schneid damit die Schnur entzwei und warff die Schuh all von dem Seil uff die Erden, das je ein Schuh über den andern bürtzelt. Da dumleten die Jungen und Alten hinzu und erwust einer hie ein Schuh, der ander dort. Der ein sprach: »Diser Schuh ist mein!«, der ander sprach: »Du lügest, er ist mein!« und fielen also einander in daz Har und begunden sich einander ze schlagen. Der ein lag unden, der ander oben, der ein schrie, der ander weint, der drit lacht, und wärt so lang, daz die Alten auch Backenstreich teilten und zohen sich bei dem Har. Also saß Ulenspiegel uff dem Seil und lacht und rufft: »Hehe! suchen nun die Schuh, wie ich gestern ußbad must!« Und lieff da von dez Seil und ließ sich die Jungen und Alten also ob den Schuhen zanken und durft in vier Wochen vor den Jungen oder vor den Alten nit herfür kumen. Und saß also in dem Huß bei seiner Muter und bletzte helmstetesche Schuch. Da ward sein Muter gantz erfröwet[17] und meint, sein Sach solt noch gut werden. Aber sie wüßt nit die Mär, daz er sich also verschalckt hat, daz er nit dorfft für daz Huß kumen etc.

Quelle:
Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel. Stuttgart 1978, S. 15-18.
Lizenz:
Kategorien: