Die 43. Histori sagt, wie Ulenspiegel einem Schuchmacher dient und wie er ihn fragt, waz Form er zuschneiden solt. Der Meister sprach: »Groß und klein, wie der Schweinhirt zu dem Thor ußtreibt.« Also schneid er zu Ochsen, Küw, Kälber, Böck etc. und verderbt daz Leder.

[125] Eins andern Tags, da waz ein Schuchmacher, der gieng vil lieber uff den Marckt schleichen, wann daz er arbeit, und hieß Ulenspiegeln zuschneiden. Ulenspiegel fragt, was Facon er haben wolt. Der Schuchmacher sagt: »Schneid zu, groß und klein, wie der Schweinhirt uß dem Dorff treibet.« Er sagt ja.[126]

Der Schuchmacher gieng uß, und Ulenspiegel schneid zu und macht von dem Ledder Schwein, Ochsen, Kälber, Schaff, Geißböck und allerlei Vihß. Der Meister kam des Abens heim und wolt sehen, waz sein Knecht zugschniten het. Da fand er dise Tier von dem Ledder geschnitten. Er ward böß und sprach zu Ulenspiegeln: »Waz hast du darus gemacht, wie hast du mir daz Ledder also zu Unnütz zerschnitten?« Ulenspiegel sagt: »Lieber Meister, ich hab daz gemacht, als Ihr daz gern haben.« Der Meister sprach: »Daz lügst du, ich wolt daz nit haben, daz du daz soltest verderben, daz hab ich dich nit geheissen.« Ulenspiegel sagt: »Meister, waz ist des Zornes Not? Ihr sagten zu mir, ich solt von dem Leder schneiden klein und groß, wie der Schweinhirt uß dem Tor trib. Daz hab ich gethon, das ist offenbar.« Der Meister sprach: »So meinte ich das nit, ich meint das also, daz solten klein und groß Schuch sein und soltest die neigen ein durch den andern.« Ulenspiegel: »Hätten Ihr mich daz also geheissen, so hät ich daz gern gethon unnd thu das noch gern.« Nun Ulenspiegel und sein Meister vertrugen sich miteinander, unnd er vergab ihm das Zuschneiden, wann Ulenspiegel gelobt ihm, das er ihm das wolt machen, so er das haben wolt, das er ihm daz hieß. Da schneid der Schumacher Solleder zu und legt das Ulenspiegeln für und sagt: »Seh hin, näg die cleinen mit den grossen ein durch den andern her.« Er sagt ja und fienge an zu nägen. Und sein Meister zürnte mit dem Ußgon und wolt Ulenspiegeln verwaren und sehen, wie er daz machen wolt, wann er ward ihn kennen, daz er ihn das geheissen hat, daz er darnach thun würd, als er auch thet nach des Meisters Heissen. Ulenspiegel nam einen cleinen Schuch und ein grossen und stach den cleinen durch den grossen und nagt die zusamen. Und als der Meister nun schleichen gieng, da waz ihm leid, daz er thun wolt und auch thet, und sah, daz er einen Schuch durch den andern nägt. Da sprach er: »Du bist mein rechter[127] Knecht, du thust alles, waz ich dich heiß.« Ulenspiegel sagt: »Welcher thut, das man ihn heißt, der würt nit geschlagen, waz anders müglich zu thun ist.« Der Meister sagt: »Ja, mein lieber Knecht, das ist also. Mein Wort waren also, aber mein Meinung waz nit also. Ich meint, du soltest ein clein Par Schuh zu machen und darnach ein groß Par oder die großen vor, die cleinen darnach. Du thust nach den Worten, nit nach der Meinung«, und ward zornig und nam ihm daz zugschnitten Leder und sagt: »Waz fürsichtiger, seh hin, da hast du ander Leder, schneid die Schuh zu uber einen Leist«, und gedacht nit daruff mee, wan ihm waz not ußzugon. Der Meister gieng nach seinem Gewerb und waz beinach ein Stund uß. Da ward er erst gedencken, daz er seinen Knecht hett geheissen die Schuh zu schneiden uber einen Leiste. Er ließ all sein Gewerb ston und lieff nötig zum Huß und Ulenspiegel saß dieweil und het daz Leder genumen und schneid das alles uber den cleinen Leist. Da nun der Meister kam, so sicht er, daz er die Schuh het geschnitten uber den cleinen Leist. Da saget er zu ihm: »Wie, hört der groß Schuh zu dem cleinen?« Ulenspiegel sprach: »Ja, wolten Ihr das noch haben, ich wil daz noch wol hernach machen und schneiden den vordern nur noch nach.« Der Meister sprach: »Besser künd ich cleinern Schuh schneiden nach dem vordem, dan einen vordem nach dem cleinen, und nimpst du einen Leist und der ander Leist ist zunicht gemacht.« Ulenspiegel sagt: »Entruwen, Meister, Ihr hiessent mich, daz ich der Schuh solt zuschneiden uber einen Leist.« Der Meister sagt: »Ich hieß dich wol so lang, daz ich mit dir müste an den Galgen lauffen!« und sprach fürter, daz er ihm solt das Leder bezalen, das er ihm verderbt het, wa er ander Leder wolt nemen. Ulenspiegel sagt: »Der Gerwer kan des Leders wol mer machen«, und stund uff und gieng zu der Thür und kort sich im Hauß umb und sprach: »Kum ich in das Huß nit wider, so bin ich doch hie geweßen«, und gieng hinweg.

Quelle:
Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel. Stuttgart 1978, S. 125-128.
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