Die 45. Histori sagt, wie ein Stiffelmacher zu Bronschwick Ulenspiegel sein Stiffel spickt, dem er die Fenster uß der Stuben sties.

[130] Cristoffer het ein Stiffelmacher zu Brunschwick uff dem Kolmarck. Zu dem gieng Ulenspiegel und wolt sein Stiffel schmieren lassen. Als er nun zu dem Stiffelmacher kam, da sprach er: »Meister, wa Ihr mir wolten disse Stiffelen spicken, daz ich sie uff Montag wider haben möcht.« Der[131] Meister sagt ja. Ulenspiegel gienge wider uß dem Huß und gdacht nirgen an. Als er hinweg waz, da sprach der Knecht: »Meister, daz ist Ulenspiegel, der jederman zu schalckhafftig ist, und wann er ihn das hiessin, als er Uch daz geheißen hat, daz thät er und lies es nit.« Der Meister sagt: »Waz hat er mich dann geheißen?« Der Knecht sprach: »Er hieß Uch, die Stiffeln spicken, und er meint schmieren. Nun wolt ich sie nit schmieren, ich wolt sie spicken, als man die Braten spickt.« Der Meister sagt: »Daz wellen wir thun, als er uns geheißen hat«, und nimpt Speck und schneid ihn und spickt den durch die Stiffeln mit einer Spicknadeln als ein Braten. Und Ulenspiegel kumpt des Montags und fragt, ob sie ihm sein Stiffeln haben bereit. Der Meister het sie an die Wand gehenckt und weisset sie ihn und sagt: »Sich, da hangen sie.« Ulenspiegel sahe, daz die Stiffeln so gespickt waren, und ward lachen und sagt: »Wie seint Ihr so ein frumer Meister, haben Ihr mir daz gmacht, als ich Euch hab geheisen, was wöllen Ihr dafür haben?« Der Meister sprach: »Ein alten Groschen.« Ulenspiegel gab den alten Groschen uß und nam sein Stiffeln gespicket und gieng zu dem Huß uß. Und der Meister mit seinem Knecht, die sahen und lachten ihm nach und sprachen undereinander: »Wie solt ihm das geschehen, nun ist er geäfft.« Mit dem so loufft Ulenspiegel mit dem Kopff und Schultert in daz Glaßfenster, dann die Stub stund uff der Erden und stieß uff die Straß, und sprach zu dem Stiffelmacher: »Meister, was ist daz für Speck, den Ihr zu meinen Stiffeln gebrucht haben, ist es Speck von einer Suw oder von einem Eber?« Der Meister verwundert sich mit dem Knecht. Zuletst sah er, das Ulenspiegel in dem Fenster lag und stieß mit dem Kopff und Schultern die Taffeln der Fenster wol halber uß, daz sie zu ihm in die Stuben fielen, und ward zornig und sprach: »Wilt du Verräter dis nit lassen? Ich wil dir mit disem[132] Grundel für den Kopff schlagen.« Ulenspiegel sprach: »Lieber Meister, erzürnent Euch nit, ich wißt gerne, waz daz für Speck wer, damit Ihr mein Stiflen gespicket haben, ist das von einer Suw oder von einem Eber?« Der Meister ward zornig und sagt, daz er ihm sein Fenster unzerbrochen ließ. »Wöllen Ihr mir daz nit sagen, waz das für Speck ist, so muß ich gon und fragen ein andern.« Also sprang Ulenspiegel wider uß dem Fenster, und der Meister ward zornig uff seinen Knecht und sprach zu ihm: »Den Rat gabst du mir, nun gib mir Rat, daz mein Fenster wider gemacht werden.« Der Knecht swige, der Meister waz unwillig und sprach: »Wer hat nun den andern geäfft? Ich hon allweg gehört, wer mit Schalckßlüten beladen ist, der sol den Schlupff abschneiden und sie lassen gon. Hät ich das auch gethon, so wären mein Fenster wol gantz bliben.« Der Knecht must darumb wandern, wann der Meister wolt die Fenster bezalt haben, darumb das er den Rat gab, das man die Stiflen spicken solt.

Quelle:
Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel. Stuttgart 1978, S. 130-133.
Lizenz:
Kategorien: