Die 6. Histori sagt, wie Ulenspiegel ein Brotbäcker betrog umb ein Sack vol Bretz zu Stasfurt in der Stat und bracht das seiner Muter heim.

[20] »Lieber Got hilf«, gedacht Ulenspiegel, »wie wil ich die Muter stillen. Wa sol ich Brot uberkumen in ihr Huß?« Und gierige uß dem Flecken, da sein Mum in wont, gen Stasfurt in die Stat und vermerckt eins reichen Brotbäckers Handlung. Und gieng zu dem Bäcker in sein Huß und[21] sprach, ob er seinem Herren wolt senden vor zehn Schilling Rocken- und Weißbrot. Und nannt den Herren von einer Gegne und sprach fürter, sein Her sei zu Stasfurt in derselben Stat, und nannt ein Herberg, darin er wär. Und der Bäcker solt ein Knaben mit ihm schicken in die Herberg, da wolt er ihm daz Gelt geben. Der Bäcker sagt ja. Und Ulenspiegel hat ein Sak, der het ein verborgen Loch, und lies ihm daz Brot in den Sack zälen. Und der Bäcker sant ein Jungen mit Ulenspiegel, daz Gelt zu entpfahen. Als nun Ulenspiegel ein Armbrostschutz von des Bäckers Huß kam, da ließ er ein Weißbrot uß dem holen Loch fallen in daz Kot. Da satz Ulenspiegel den Sack nider und sprach zum Jungen: »Ach, daz besudelt Brot darf ich für meinen Herren nit bringen. Louff resch mit widerumb zu Huß und bring mir ein ander Brot darfür. Ich wil dein hie warten.«

Der Jung lieff hin und holt ein ander Brot. Dieweil waz Ulenspiegel hingangen und gieng in die Vorstat in ein Huß, da waz ein Karch uß seinem Flecken. Daruff legt er seinen Sack und gieng darneben und ward in seiner Mumen Huß gefürt. Und da der mit dem Brot widerkam, da waz Ulenspiegel hinweg mit dem Brot. Da lieff der Jung zurück und sagt daz dem Brotbäcker. Der Brotbäcker lief bald zu der Herberg, die ihm Ulenspiegel gnant het. Da fand er niman, sunder er sahe, daz er betrogen waz. Ulenspiegel kam zu Huß und bracht der Mumen daz Brot und sprach: »Seh hin und iß, dieweil du etwas hast und fast mit Sant Niclausen, wan du nit hast.«

Quelle:
Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel. Stuttgart 1978, S. 20-22.
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