Die 76. Historie sagt, wie Ulenspiegel ein Weißmuß alein ußaß, darumb daz er ein Klumpen uß der Naßen darein ließ fallen.

[218] Grosse Schalckheiten thet Ulenspiegel einer Bürin, uff das er daz Weißmuß allein äße. So er gieng in ein Hauß und was hungerig. Da fand er die Fraw allein, die saß bei dem Feuer und kocht ein Weißmuß. Daz schmecket Ulenspiegel so wol under Augen, das ihn daz lust zu essen, und bat die Fraw, das sie ihm daz Weißmuß wolt geben. Die Fraw sagt: »Ja, mein lieber Ulenspiegel, gern, und solt ich das selber enberen, so wolte ich Euch das geben, das Ihr das allein eßen.«[219] Ulenspiegel sagt: »Mein liebe Fraw, das möcht wol kummen nach Euwern Worten.« Die Fraw gab ihm das Weißmuß gar und setzt die Schüssel uff den Tisch mit dem weissen Muß und Brot darzu. Ulenspiegel was hungerig und begund zu essen, und die Fraw kumpt darzu und wolt mit ihm essen, als der Buer pfligt zu thun. Da gedacht Ulenspiegel: »Wil sie fast kummen, so würt nit lang hie etwas bleiben«, und hustet einen grossen Knoder und warff den in die Schüssel in daz Weißmuß. Da ward die Fraw zornig und sagt: »Pfei dich, daz Weißmuß friß du Schalck nun allein.« Ulenspiegel sprach: »Mein liebe Fraw, Euwere ersten Wort waren also: Ihr wolten das selber entberen und ich solt das Weißmuß allein essen. Nun kummen Ihr und essen mit mir und hätten daz Weißmuß wol mit dreien Bissen uß der Schüßlen geholt.« Die Fraw sprach: »Das dich nimmer Gutz angee, günst du mir mein eigne Kost nit, wie woltst du mir dann dein Kost geben?« Ulenspiegel sagt: »Fraw, ich thu nach Euwern Worten!« und aß das Weißmuß alles uß und wüschet den Mund und gieng hinweg.

Quelle:
Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel. Stuttgart 1978, S. 218-220.
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