Die 78. Histori sagt, wie Ulenspiegel den Wirt erschreckt zu Ißleven mit einem Wolff, den er zu fahen versprochen het.

[224] In Ißleven wont ein Wirt, der war speiig und hielt sich kün und tröst sich, das er ein grosser Wirt was. Da kam Ulenspiegel in sein Herberg, und es was in Winttertagen, das ein grosser Schne lag. Da kamen drei Kouflüt uß Sachssen, die wolten gen Nürnberg unnd kamen in der finster Nacht in die Herberg. Und so waz der Wirt gantz behend in dem Mund und hieß dise drei Koflüt wilkumen[225] sein mit eilenden Worten und sprach, wa harzu, den Teüffel, daz sie so lang gewesen wären und kamen so spat in die Herberg. Die Kauflüt sprachen: »Her Wirt, ihr dörffen mit unß nit so stürme, uns ist ein Abentüer widerfaren underwegen, daz uns ein Wolff vil Leids hat gethon. Der bekam uns also in den Mut, daz mir unß mit ihm schlagen müsten, und daz hindert uns so lang.« Da der Wirt daz hort, da waz er gantz spöttisch uff sie und sprach, daz wär ein Schand, daz sie sich liessen ein Wolff hindern. Und wan er allein in dem Feld wär und daz ihm 2 Wölff im Moß bekämen, die wolt er schlagen und verjagen, da solt ihm nit für grauwen. Und ihr wären drei und ließen sich ein Wolff erschrecken. Daz wärt den Abent uß, das der Wirt so dise Kouflüt veracht, biß daz sie zu Beht giengen. Und Ulenspiegel saß darbei und hort daz Gespöt. Als sie nun zu Beht giengen, da wurden die Kouflüt und Ulenspiegel in ein Kamer gelegt. Da sprachen die Kouflüt undereinander, wie sie nun dem thun möchten, daz sie den Wirt bezalten. Da sprach Ulenspiegel: »Lieben Fründ, ich merck wol, das der Wirt ein Hochbocher ist, wöllen Ihr mich hören, ich wil ihn bezalen, das er Euch niemermer sol von dem Wolff sagen.« Den Kauflüten gefiel daz wol und gelobten, ihm Gelt zu geben. Da sprach Ulenspiegel, das sie hinritten nach ihrer Kouffmanschatz und kämen in der Widerreiß dar zu Herberg, so wolt er auch da sein, so solten sie den bezalen. Das gescha. Die Kouflüt waren wegfertig und bezalten ihre Zerung und für Ulenspiegeln auch und ritten uß der Herberg. Und der Wirt riefft den Kouflüten nach in Gespöt: »Ihr Kouflüt, sehen zu, daz Uch kein Wolff in den Wißen bekum!« Die Kouflüt sprachen: »Her Wirt, daz haben Danck, daz Ihr uns warnen. Ist, daz uns die Wölff uffessen, so kumen wir nit wider, und fressen[226] Uch die Wölff, so finden wir Uch nit hie inen!« und damit ritten sie hinweg. Da reit Ulenspiegel uff die Hart und stelt den Wölffen. Da gab ihm Got daz Glück, daz er einen fieng. Den tödtet er und ließ den Wolff hart gefrieren gegen die Zeit, als die Kouflüt gen Ißleven wolten wider in die Herberg kumen. Da nam Ulenspiegel den todten Wolff in den undern Sack und reit wider gen Ißleven und find die drei Kouflüt so als ihr Abscheid waz. Und er het den Wolff gemacht, daz niemans davon wüßt. Des Abens under dem Nachtessen, da was der Wirt noch gemlich mit den Kouflüten uber den Wolff. Sie sprachen, es wär ihnen also gangen mit dem Wolff. Begäb es sich, daz ihm zwen Wölff in der Wißen bekämen, daz er sich dan eins Wolffs zuerst erwert und schlüg dan den nächsten hernach. Der Wirt sprach groß Wort, wie er zwen Wölff zu Stücken wolt schlahen. Und daz wärt den gantzen Abent, biß sie zu Bet wolten gon. Und Ulenspiegel schweig stil, so lang, bitz er zu den Kouflüten uff die Kamer kam. Da sprach Ulenspiegel zu den Kouflüten: »Gute Frünt, seint stil und wachen, waz ich wil, daz wöllen Ihr auch. Lassen mir ein Liecht brennen.« Also nun der Wirt mit allem seinem Gesind zu Beth waz, so schleich Ulenspiegel leiß von der Kamern und het den todten Wolff, der da waz hart gefroren, und trug den zu dem Herd und understalt den mit Stecken, daz er uffrecht stund, und spert ihm daz Maul weit uff und steckt ihm 2 Kindsschuhe in daz Maul und get wider zu den Kouflüten in die Kamer und rufft: »Her Wirt!« Der Wirt erhort das, wan er waz noch nit entschlaffen, und riefft wider, waz sie wolten, ob sie aber ein Wolff beissen wolt. Da rufften sie: »Ach, lieber Wirt, senden uns die Magt oder den Knecht, daz er uns Trincken bring, mir künen for Durst nit bleiben!« Der Wirt waz zornig und sprach: »Daz ist der Sachssen Art, die sauffen Tag und Nacht!« und rufft der Magt, daz sie uffstünd und brächt den Trincken in die Kamer. Die Magt stund uff und gieng zum Feür und wolt[227] ein Liecht anzünden. Da sahe sie uff und sah den Wolff recht in daz Maul. So erschrack sie und laßt daz Liecht fallen und loufft in den Hoff und meint anders nit, der Wolff hät die Kinder schon uffgessen. Ulenspiegel und die Kouflüt rufften furtan umb Trincken. Der Wirt meint, die Magt wär entschlaffen, und riefft den Knecht. Der Knecht stund uff und wolt auch ein Liecht anzünden, so sicht er den Wolff auch da ston. Da meint er, daz er die Magt hät gar gessen und ließ daz Liecht fallen und lieff in den Keller. Ulenspiegel und die Kouflüt horten diese Ding, und er sagt: »Seint guter Ding, daz Spil wil jetz gut werden.« Ulenspiegel und die Kouflüt rufften zu dem driten Mal, wa der Knecht und Magt wären, das sie ihn kein Trincken brächten, daz er doch selber käm und brächt ein Liecht, sie künten nit uß der Kamern kumen. Der Wirt meint nit anders, dann der Knecht wär auch entschlaffen, und stot uff und ward zornig und sprach: »Hat der Teüffel die Sachssen gmacht mit ihrem Suffen?« und zünt ein Liecht bei dem Feür und sicht den Wolff oben an dem Hert ston und het die Schuh im Maul. Da ward er schreigen und rufft »Mordigio! Retten, lieben Fründ!« und lieff zu den Kauffleüten, die in der Kamern waren, und sprach: »Lieben Fründ, kumen mir ze Hilff, ein graußlich Thier stat bei dem Feür und het mir die Kinder, die Magt mit dem Knecht uffressen.« Die Koufleüt waren bald bereit und Ulenspiegel auch und giengen mit dem Wirt zum Feur. Der Knecht kam uß dem Keller, die Magt kam uß. dem Hoff, die Frau bracht die Kinder uß der Kamern, so daz sie noch alle lebten. Und Ulenspiegel gieng harzu und stieß den Wolff mit dem Fuß umb, der lag da und regt kein Fuß. Ulenspiegel sagt: »Daz ist ein toder Wolff, machen Ihr daruß so ein Gerieff, waz seint Ihr für ein Blödman? Beisset Uch ein toder Wolff in Üwerem Huß und jagt Uch und als Üwer Gesind in die Winckel? Und ist nit lang, da wolten Ihr 2 Wölff, die lebendig wären, in dem Feld schlahen, sunder es ist Uch in den[228] Worten als manchem in dem Sin!« Der Wirt hort und vernam, daz er genart waz, und geet in Kamer zu Bet und schampt sich seiner grossen Wort und daz ihn ein tod Wolff und alle sein Gesind verfürt het. Die Kouflüt lachten und bezalten, waz sie und Ulenspiegel verzert hetten, und reiten von danen. Und nach der Zeit sagt der Wirt nit so vil von seiner Manheit.

Quelle:
Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel. Stuttgart 1978, S. 224-229.
Lizenz:
Kategorien: