XII. Vom Nativität-Stellen.

[152] Es wird von niemand widersprochen werden, daß die Sternkündigkeit eine sehr nützliche und fürtreffliche Wissenschafft ist, woraus man viel Dinge ersehen kan, sofern solche nicht mit Aberglauden gebrauchet wird.1 Das ist aber eine grosse Vermessenheit, daß die Horocopisten oder Nativität-Steller aus der Geburts-Stunde des Menschen wissen und ihm weissagen wollen, was für Glück oder Unglück, welche Kranckheiten, Heyrathen und dergleichen ihm zukommen werden. Item, wie es dem Menschen in seinem Leben, Stand und Beruff ergehen solle: was er werde für ein Weib oder Mann bekommen, und was heut oder morgen aus ihm werden[152] wird. Ob er fromm oder gottloß, reich oder arm, gesund oder kranck, vornehm oder schlecht, angenehm oder verhaßt seyn werde, und was für Glück oder Unglück er hahen solle? wie auch, ob der Mensch im Bett oder im Krieg sterben, durch Räuber umkommen, im Wasser ertrincken, im Feuer verbrennen, oder eines guten ober bösen Todes von der Welt scheiden werde, und was der Fälle mehr seyn mögen. Vid. Hildebrand. Kunst- und Wunderbuch par. 3.

L. Dunte. decis. cas. cons. cap. 3 qu. 3. berichtet: Der Himmel ist, ihrer Meinung nach, in zwölff Häusser eingetheilet, darinnen die Planeten ihre Behausung haben: Das 1te Hauß soll anzeigen, wie es um die Gesundheit stehe: (nachdem dieser oder ein anderer Planet darinnen scheinet, und sonderlich, wie sie reden, ein Herr des Hauses ist.) Das 2te Hauß soll innen haben den Reichthum. Das 3te Hauß, Schwägerschafft, und wie sich ein Mensch mit Schwägern vertragen werde. Das 4te, die liegende Güther: Das 5te, die Kinder, ob derer wenig oder viel, Knaben oder Mägdlein seyn werden. Das 6te, die Art der Haußhaltung, was für Art Knechte und Mägde er haben werde. Das 7te, was er für ein Eheweib bekomme. Das 8te, weß Todes er sterben. Das 9te, was Glaubens er seyn werde. Das[153] 10te, zu was Dignitäten er kommen. Das 11te, ob er treue oder falsche Freunde haben werde. Das 12te, ob er werde gefangen werden. So besiehet er demnach erstlich das Hauß, darnach den Planeten, der das Hauß innen hat. Und nachdem sich das zusammen reimet, zeiget er an, was für Glück oder Unglück vorhanden, da müssen zwey Planeten seyn benefici, als Jupiter und Venus, und zwey malefici, als Saturnus und Mars; Mercurius ist ihnen so ein guter Geselle, der habe die Natur, daß, in welches Hauß er kommet, und dessen Brodt er esse, dessen Lied er singe. Sol und Luna haben auch ihre Würckung, nachdem sie stehen.

Und wie sie solches lehren, so wollen sie es auch mit Exempeln glaubhafft machen, wie Nicolaus Pfitzerus mit folgendem anweiset, da er spricht: Daß der Fürst der Redner, M.T. Cicero, so jämmerlich sey um seinen Kopf kommen, vermeynet Cardanus de Genitur. Gen. X. sey hergekommen von seiner unglückhafften Nativität, oder Geburts-Stunden: darinnen er den feurigen Blut-Stern Martis und einen feindseligen Gegenschein des tückischen Sterns Saturni und mit dem Jove gehabt hätte.2 Daß Kayser Nero sich selbst so schändlich ermordet, sey daher gerühret, weilen in seiner Geburts-Stunde der Blut-durstige Martis-Stern in dem siebenden Himmels-Hauß, unglückselig in dem Krebs,[154] in einem gesechsten Schein des heimtückischen Saturni gestanden, obgedachten Cardani Zeugniß nach Genit. XL. Daß der Hertzog von Mayland, Callacius Sfortia, von dreyen zusammen geschwornen Buben mit 13. Wunden umgebracht worden, sey geschehen, dieweil er in seiner Geburts-Stunde die Sonne in dem Wassermann, einem gewaltsamen Zeichen, und den Blut-Stern Martis gleich gegen über stehend gehabt, schreibt abermahl Cardanus Genit. XLIV. Daß der tapffere Krieges-Held, Carolus Borbonius, sein Leben vor der Stadt Rom, durch einen feindlichen Schuß habe einbüssen müssen, schreibt man ebenmäßig der bösen Constelation zu, in welcher er das Licht dieser Welt erstesmahl gesehen: dann er den obersten Planeten, den tückischen Saturnum im ersten Hause, mit dem Drachen-Schwantz und den gewaltsamen Stern Herculis gehabt habe. Virgan, in Isagog fol. 722. Daß Heinricus, der andere dieses Nahmens, König in Franckreich, im Jahr Christi 1559. den 28. Junii, auf dem Beylager seiner Tochter, der Princeßin Elisabeth, im Turnier verwundet worden, darüber er, als er kaum das 40ste Jahr erreichet, sein Leben einbüssen müssen, wurde seiner unglückseligen Geburts-Stunde zugeschrieben. Daß der theure Held, Churfürst Moritz, von einem treulosen Buben verrätherisch und zwar[155] hinterwärts erschossen worden, solle durch eine böse Geburts-Stunde verursachet seyn: da doch andere, und sonderlich der Jesuit, Alexander de Angelis, vermelden, daß die Sternseher in Churfürst Moritzens Geburts-Linien und Stern nichts finden können, welches auf einen plötzlichen und gewaltsamen Tod geziehlet habe. Ja gantz vermessentlich ist dieses von solchen vornehmen Mathematicis gehandelt gewesen, unter welchen auch Cardanus einer ist, welcher dem HErrn Christo seine Nativität aus den Sternen, als Zeichen des Himmels, gestellet, wovon wegen Aergerniß besser zu schweigen ist. Dahero alles solches, was diese Astronomi von dieser Wissenschafft schreiben, nichts, als für ein erdichtetes Werck zu halten. Dieweil die Wissenschafft aller zukünfftigen Dinge GOtt dem HErrn einzig und allein zuzueignen ist. Und was wolte doch auch ein Mensch für Wissenschafft aus den Sternen hohlen, da der Prediger Salomon cap. 10. v. 14. sagt: der Mensch weiß nicht, was gewesen ist, und wer will ihm sagen, was nach ihm werden wird? Und warlich, es kommt nicht von den Sternen, sondern alles von GOtt, Glück und Unglück, Leben und Tod, Armuth und Reichthum, Syr. 11. v. 14. Er gibt Weißheit und Verstand, Reichthum und Ehre, darzu ein langes Leben. 1 Reg. 3. v. 12. 13. Er hilfft ihm zu einem treuen[156] Ehegatten: Prov. 19. v. 14. Er stärckt ihn, Esai 41. v. 10. und macht ihn schön Ezech. 31. v. 9. und reich ohne Mühe, Prov. 10. v. 22. und sein Leben und Sterben stehet in GOttes Hand. Ps. 31. v. 16.

Die Altväter haben dieses auch genugsam erfahren, und in ihren Schrifften allzeit solchen losen Weissagungen widersprochen: Lactantius lib. 3. c. 17. schreibt: Es sind teufflische Erfindungen, daß man aus den Sternen, Eingeweid der Thiere, und aus den Gebärden der Vögel weissagen will, selbst auch, da man aus den Götter-Sprüchen und der Necreomantischen Kunst sich ein solches zu thun unterstehet, und was sonst die Menschen entweder öffentlich oder heimlich, auszuwürcken fich bemühen, welche Dinge alle doch an und für sich selbst falsch. Epiphanius lib. 1. rom. 1. nennet sie eine unbeständige und irrige Kunst, wie auch eine unsinnige Thorheit. Der fürtreffliche Arragonische Konig Alphonsus, welcher sonst die Gelehrten sehr hoch hielt, und zu selbiger Zeit keinem in der Stern-Kunst weichen dörffen, hat alle Nativität-Steller von seinem Hof verbannet; weil solche unsichere Wissenschafft von den aberglaubischen Egyptern und Chaldäern ihren Ursprung hätte: sagete auch, als er gefraget worden, warum er den Nativität-Stellern keine Ehre erzeigete: Das Gestirn regieret[157] die Thoren / aber ein weiser Mann weiß /daß ihm das Gestirn nichts zu gebieten hat.

Als ein Astrologus in seinem Prognostico ungescheuet gesetzt hatte:3 Henricus VII. König in Engelland, würde selbiges Jahr mit Tod abgehen: da ließ der König den Astrologum mit freundlichem Schreiben gantz ehrerbietig abhohlen, und in seiner Gegenwart fragen: ob er in seiner Kunst gewiß wäre? und ob einer aus dem Gestirn etwas gewisses schliessen und anzeigen könne? da nun solches der Astrologus bejahete, und vermeinete, er würde seiner Kunst halber hoch geehret und gerühmet werden, hat der König ihn gefraget, ob er ihm dann auch selbsten eine Nativität gestellet, und wüste, was ihm begegnen würde? und weil die Weyhnachts-Feyertäg vor der Thür, ob ihm wissend, wo er seine Feyertäge halten würde? Da er aber gesaget: nein, das wisse er nicht, hat der König geantwortet: wohlan, so bin ich gelehrter als du, dann ich weiß es; und befiehlt alsobald ihn in den Thurn zu werffen, und nicht eher heraus zu lassen, bis das Jahr vorüber, in welchem gleichwol der König am Leben geblieben. Endlich, so zeiget auch die gesunde Vernunfft, daß diese Betrüglichkeiten und die Kunst billig zu verwerffen ist. Dann es werden ja auf der breiten und weiten Welt wohl alle Tage viel tausend Menschen zu einer Zeit[158] gebohren, und sind gleichwohl nicht einerley Natur, sie lernen und treiben nicht einerley, es begegnet ihnen nicht, einem wie dem andern, gleichmäßiges Glück oder Unglück; welches sonst geschehen müste, so die Stern etwas darbey thäten. Man müste auch schliessen, daß, die im Krieg und auf einen Tag erschlagen werden, oder ein Schiff, so auf dem Meer untergehet, keine andere Leute eingenommen hätte, als solche, welche von den Sternen, schon von ihrer Geburts-Stunde an, darzu bestimmet gewesen, und viel andere Sachen mehr.

Lassenius in seinen adelichen Tisch-Reden im andern Gespräch sagt: Jener Dieb, als er zum Galgen geführet wurde, machete viel Redens daher, warum es unrecht wäre, daß man also mit ihm verfahre; unter andern gab er auch diese Ursache, wie er zum Stehlen gebohren, dieweil dieses oder jenes Planeten Constellation bey seiner Geburt sich ereignet; dem aber ein anderer weißlich antwortete: Bist du zum Stehlen gebohren, so bist du auch zum Hangen gebohren. Hatte also dieser Gesell die Prædestinationem stellarem, oder Stern-Folge, ihm allzu hoch gezogen. Ein hochberühmter Theologus und Chronologus wies einstens dem Herrn Philipp Melanchthoni seine Nativität; als er sie nun besehen, lächelte er, gibt sie ihm wieder, und spricht: Non plus fata,[159] quam pia vota valent; i.e. Gebt euch zufrieden, ein starck Vater Unser kan alle Affecten aufhalten. Abraham Buchholtzer / der vornehme Historicus, saget: Er wisse nur eine Nativität, so allein frommen Christen gemein wäre, in welchem Horoscopo sey GOtt der Vater; im mittlern Himmel JEsus, der Welt Heyland: im sechsten hause der Heil. Geist; im dritten der Teuffel, die Sünde und der Zorn GOttes; im vierten Moises und das Gesetz; im fünfften die Propheten und Aposteln, mit der Glaubens-Form; im sibenden die Sacramenta; im achten die Buß, der Glaube, die Hoffnung und die Liebe; im neunten das Vater Unser und das Gebet insgemein; im zehenden das Creutz und Gedult; im eilfften der Tod; im zwölfften die allerheiligste Auferstehung von den Todten und die ewige Seligkeit, da der Saturnus nicht über uns, sondern unter uns seyn, und seiner an der uns verübten Grimmigkeit wegen Straff leiden werde, mit dem Anhang, wie die Beträchtung nach seinem Sinne werde, und daß wegen unglücklicher Stirnung des Saturni und Satanæ er sich wenig bekümmere.

Andere werffen ein, man könne doch erweisen, daß die Prædictiones bisweilen eingetroffen, als zum Exempel:4 Daß der König Henricus IV. dieses Namens am 14ten Martii 1610. zu Pariß in seiner[160] Kutsche erstochen worden, hat ihm auch solches ein Astrologus zuvor verkündiget. Davon schreibt Emanuel von Meteren lib. XXVII. der Niederländischen Historien: Man saget, spricht er, daß den König der Hertzog von Vendome, sein Bastart-Sohn, desselbigen Tages gewarnet habe, weilen der Medicus la Brosse, ein alter Astrologus, gesaget hätte, er solle sich diesen Tag wohl vorsehen, denn es würde ihm nach dem Leben gestellet werden. Der König soll geantwortet haben: La Brosse wäre ein alter Narr, und Vendome ein junger, weil er dem alten Glauben gäbe: aber die Wahrheit hat sich nichts destoweniger gefunden; denn um 4. Uhr Nachmittag ließ der König seine Kutsche anspannen, und wolte mit dem Duc de Suily, seinem Thresorir, ins Arsenal oder Zeughauß fahren, Ordnung zu dem künfftigen Triumph, so bey dem Einzuge der Königin und des jungen Dophins solte gehalten werden, anzustellen. Zu ihm sassen in der Kutsche die Hertzogen von Espernon und Mombasson, benebenst zween anderen Herren. Der König wolte nicht, daß ihm die Leib-Guarde damahls folgen solte. Als er nun kam in die Gassen, Lascronerie genannt, bey dem unschuldigen Kindlein, war ihm ein Mörder nachgefolget, der lang auf ihn gepasset hatte, ein grosser starcker Mann. Da nun dem König ein Karrn in den Weg[161] fuhr, dadurch der Kutscher etwas stille halten muste, drange dieser Mörder unter dem Volck hervor, und gabe ihm mit einem an beyden Seiten schneidenden Messer, eines Schuhes lang, zween Stiche zur Lincken hinein, nach dem Hertzen, dadurch die grosse Hertz-Ader entzwey geschnitten worden, daß der König sobald die Sprache verlohr und vorwärts todt niederfiele.

Noch ein ander merckwürdiges Exempel erzehlt Ge. Ph. Harßdörffer in der 27. Historie des andern Theils grossen Schau-Platzes jämmerlicher Mord-Geschichte von Cariton, einem Edelmann zu Urbino, folgendes Inhalts:5 Cariton, ein Edelmann zu Urbino, hatte sich von Jugend auf mit zulässigen Wissenschafften nicht vergnügen lassen, und allezeit gelehrter als gottsfürchtiger seyn wollen; sonderlich liesse sich selbiger gelüsten, das Zukünfftige zu wissen, und hatte ihm der Satan durch die Stern-Kunst mit einer ungefehr eingetroffenen Wahrheit viel Lügen verkaufft. Er hatte den Planeten-Lauff in seiner Geburts-Stunde zu Papier gebracht, und auch andere Erfahrne dieser Kunst davon urtheilen lassen, welche alle einmüthiglich geschlossen, er werde keines natürlichen Todes sterben, sondern durch seinen Tochter-Mann ermordet werden. Dieses schwebte ihm unabläßlich in den Gedancken, und wie die bösen Zeitungen[162] mehr, als die guten, einzutreffen pflegen, also schwebte ihm auch dieses stetig in den Gedancken. Er hatte drey Töchter, die nöthigte er alle drey ins Closter zu gehen, damit er keinen Tochter-Mann für seinen Augen zu sehen bekomme. Die zwo ältesten willigten gern in ein so einsames Leben, die jüngste und fleischeste, Eugesta genannt, nahm ihr eine Bedenck-Zeit, welche sie nach und nach verlängerte, und endlich ungescheuet sagete, sie hätte kein Nonnen-Fleisch, und fühlete, daß ihr diese Art zu leben unerträglich, und ihr Gemüth von GOtt darzu nicht gewiedmet: Nachdem nun mit Drohen und Straffen bey ihr nichts zu erhalten, sperrete sie ihr Vater in ein Gefägniß auf sein Land-Gut, da sie weder Sonn noch Mond bescheinen konte, der Hoffnung, sie solte noch froh seyn, daraus in ein Closter zu gehen. Der Verwalter dieses Land-Guts hatte nicht wenig Mitleiden mit dieser unschuldig Gefangenen, und erzehlte Marso, einem Edelmann, der in der Stadt Urbino sich wegen begangener Ableibung nicht dörffen sehen lassen, und auf dieses Schloß in Bauren-Kleidern geflohen war, daß sie, die Jungfrau, wegen ihres Vaters Aberglauben allda gefangen läge. Dieser Marso verliebte sich von hören sagen, und begibt sich also, unbekannter Weise, in des Verwalters Dienst, daß er in wenig Tagen Gelegenheit bekame, diese Eugestam zu[163] sehen, zu lieben, und von ihr geliebt zu werden. Daß der alte Cariton in ihr Versprechen nicht willigen würde, aus seinen besorgenden Ursachen, wusten die bey den Verliebten gar wohl, und entschlossen sich deßwegen, die Flucht zu nehmen, und nach Livorno zu entweichen, welches auch mit Gelegenheit geschehen. Cariton wurde alsbald innen, daß seine Tochter entkommen, und mit einem Bauren-Knecht, Sylvio genannt, (diesen Namen hatte Marso angenommen) nach Livorno gereiset. Hierüber betrübte sich Cariton Tag und Nacht, weil er diesen nicht kennete, der sonder Zweiffel schon sein Tochter-Mann seyn werde, und so viel er Unbekannte ansahe, meynete er allezeit, dieser werde ihn umbringen. Es fügete sich aber, daß Cariton den Hertzog von Urbino mit einer bösen Rede beleidigte; und deßwegen nach Livorno fliehen muste; weilen etliche hundert Cronen auf seinen Kopff geboten worden. Also kame Cariton auch nach Livorno, willens nacher Spanien abzusegeln; Marso erkennete ihn alsobal, weil er ihn zuvor bey Hof gesehen, Cariton aber kennet Marso nicht, und will ihn Eugesta mit einem Fußsall, benebenst ihrem Manne, um Gnade bitten. Als sich deßwegen Marso eines Tages mit Cariton nebst 2. guten Freunden zu besprechen, anmelden lassen, bildet er ihme ein, es wären Leute, die ihn greiffen und zur Verhafft[164] bringen wolten, nimmet derohalben seine Pistolen und Degen, tritt vor die Thür, und indem sich Marso neiget, schiesset er über sein Haupt hinweg, weßwegen Marso vermeynete, sein Schwieger-Vater wolle ihn ermorden, entblösset den Degen, sich zu vertheidigen, und durchrennet sich Cariton selbsten, daß er zu Boden sanck, Marso aber auch am Arm verletzt worden. Cariton lebete noch bis auf den Abend, und erzehlete den Mißverstand, welcher unter ihnen beyden vorgangen, bereuete seinen Aberglauben, und bate schrifftlich bey seinem Fürsten, als auch bey seinem Tochter-Mann, um Verzeihung, Marso wurde auch vor Gericht frey gesprochen, und erhielt hernach bey seinem Hertzoge gnädige Lands-Huldigung.

Magnus Gabriel Block schreibt in seinem Tractat von der Nichtigkeit der Astrologiæ, p. 100. & 101.6 Es habe ihn ein alter und glaubwürdiger Mann berichtet, wie er in seiner Jugend in Holland gewesen, und zugleich mit andern Schweden bey einer ehrbaren Wittwen zu Tisch gangen, sie aus einer sonderbaren Gelegenheit mit ihrer Wirthin zu schertzen angefangen, als solte sie nach Verlauff eines Monden sterben; sie nahm solches Anfangs nicht zu Hertzen: weil sie aber von ungefehr in selbigem Monat kranck ward, fing sie an darüber Gedancken zu machen, fassete[165] zuletzt den Argwohn, als wüsten die Schweden mehr, als andere Leute, und möchten sie wohl vielleicht aus Lappland seyn, wovon sie viel Historien erzehlen hören; sie zog sich dieses immer mehr zu Sinne, hatte allzeit darbey ihre Grillen, und starb vor Verlauff des Monats. Und ferner Martinus Hortensius von Delfft in Holland, und Professor Matheseos in Amsterdam, that eine Reise in Italien, da er seine Nativität stellete, woraus er sich selbst verkündigte, daß er Anno 1639. sterben solte, welches auch erfolgete. Er verkündete darneben, daß zwey seiner Reise-Cameraden nicht lange darnach leben solten: der eine von diesen starb bald darauf, der andere, der, wie man vermeinet, Daniel Heinsius soll gewesen seyn, ward so betrübt und abgezehret, daß es nicht weit fehlete, er hätte des Hortensii Wahrsagung mit der Wahrheit bestättiget: Ist dannoch bis ins 1683. Jahr am Leben blieben, wie Boilett bezeuget. O der schönen Wissenschafft, saget Descardes epist. ad Merser. & epist. Boxhorn. p. 144. die da gut ist, Leut umzubringen, welche sonst vielleicht nicht kranck worden wären, wann man es ihnen nicht vorher verkündiget hätte.

Im Gegentheil bezeuget auch die Erfahrung, daß dergleichen Prædictiones das meiste Theil falsch gewesen.7 Jener reiche Bauer liesse ihm seine Nativität stellen,[166] und da der Sternseher ihm eigentlich die Stund und Minute sagete, und ihn beredete, es festiglich zu glauben, beschliesset er bey sich ein richtig Testament zu verlassen, darüber die Erben nicht zu zancken, das ist: alles zu verzehren. Er fienge es mit guter Rechnung an, und führete es auch also hinaus, daß auf bestimmten Tag dies Todes alles fein sauber aufgezehret gewesen; aber die Rechnung hatte weit gefehlet, dann der Tod ist noch manches Jahr ausgeblieben, und hat den Mann genöthiget, sein Brodt für den Thüren zu erbetteln; Da er diese Worte allemahl darzu gebrauchet: Gebt mir armen Mann / der sich in der Rechnung verstossen hat. Vid. Lassenii Tisch-Reden, l.c. Philippus Camerarius erzehlt Oper. Subcis. cent. prim. c. 41. daß ein reicher Mann in Lyon, welcher eben durch Anleitung seines Planeten die vermeynte Todes-Stund voraus gesehen, alle seine Güther den Armen gegeben, aber nachmahls die übrige Zeit seines Lebens, welche sich annoch auf ein hohes Alt er erstrecket, betteln müssen. Pabst Johannes der XXII. dieses Nahmens, der etliche den XX. etliche den XXI. nennen, (vorhero Petrus Hispanus) war des Himmels Lauffs wohl erfahren, stellete ihm selbst seine Nativität, und beredete sich selbst, er würde gar alt werden,[167] und lange den Päbstlichen Stuhl besitzen; ließ sich dessen auch offentlich bey den Seinen vernehmen; aber im vierdten Monath hernach, welcher war der achte seiner Regierung, ward er durch Einfallen eines Gewölbes oder Kammer, so er allererst im Pallast zu Viterbo neu erbauen lassen, erschlagen: blieb zwar nicht alsobald todt, sondern er ward unter dem Gehöltz und Steinen hervor gearbeitet, und starb am siebenden Tage. Im Jahr Christi 1277. Videatur Nigrinus in der Päbstlichen Inquisition pag. 488. Es hatte diese Thorheit auch wohl erkannt der Landgraf Wilhelm von Hessen, darum als er über das Buch Joh. Garcæi de Judiciis Geniturarum kam, und darinnen auch seine Nativität gestellet, und sein Alter auf 46. Jahr, 9. Monath, 1. Tag, 22. Stunden, 40. Minuten auscalculirt fande, hat er an dem Rande seinen Nahmen und darbey die Worte aus dem 31. Psalm V. 16. geschrieben: Meine Zeit stehet in GOttes Händen; welche Rechnung dann auch besser eingetroffen, indem er allererst 15. Jahr hernach, und also im 60. Jahr gestorben. Vid. Aug. Pfeiffer in Antimelancholico. l. 1. cap. 29. p. 551.

Aber Gabriel Blok schreibet hierüber in seinen Anmerckungen über die Astrologische[168] Prognostica, und Wahrsagereyen §. 4. also: Niemand wird mir einen unter allen, so sich mit Wahrsagen bemengen, zeigen, der nicht 100. mahl unwahr gesaget.8 Wann er einmahl die Wahrheit getroffen hat, und wann sich solches zuträget, geschiehet es gemeiniglich auf solche Weise, daß entweder der Wahrsager selbst, oder einer seines gleichen, die Application des Wahrsagens hernach gemacht, nachdem eine Sache sich begeben und vorbey ist: auf allgemeine und verwickelte Worte, von doppeltem Verstand, von welchen man vorhin bereits einen grossen Vorrath gesammlet hat, ehe man sich auf die Wege zum Wahrsagen begeben; daneben man ein unverschämtes und Stahl-hartes Angesicht angenommen, welches sich nicht entfärbet, wann man in Unwahrheit betretten wird. Da man noch wohl hundert Ausflüchte im Vorrath hat, auch zugleich allerhand ungereimte Ausdeutungen des rechten Verstandes der Wahrsagung, als Ursachen des Mißtritts, wann man darüber ertappet wird.

Der Autor dieser Meinung schreibet: Ich verwerffe dann hiemit nicht alle Astrologie, sondern sage vielmehr, daß es eine herrliche und fürtreffliche Kunst sey, daraus man viel ersehen und lernen könne; Aber ich läugne allerdings, daß sie sich über die Dinge, welche allein von Göttlicher Schickung, des Menschen freyen[169] Willen, und andern zustossenden Händeln herrühren, erstrecken solle, nachdem selbst dieser Zeiten witzigste Astronomi, Heuelius, Cassini, Huigens, Bilberg, Krock und andere mehr, einhellig bezeugen, daß die sogenannte Astrologia divinatrix lauter Eitelkeit und Thorheit sey.

Marginalien

1 Was davon zu halten.


2 Exempel / was auf gestellte Nativität erfolget.


3 I. Geschicht.


4 II. Geschicht.


5 III. Geschicht.


6 IV. Geschicht.


7 V. Geschicht.


8 Nativität trifft unter 100. kaum einmahlen.


Quelle:
Bräuner, Johann Jacob: Physicalisch= und Historisch= Erörterte Curiositaeten. Frankfurth am Mayn 1737, S. 152-170.
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