XXXIV. Vom Traum-Auslegen.

[503] Ein Traum / welcherley er ist, er sey gut oder böse, so bringet er dem Menschen eine Freude: Träumet einem von etwas gutes, so geniesset er die Freude im Schlaff; träumet ihm aber etwas böses, furchtsames oder unglückhafftes, so bringet er die Freude, wann der Mensch wieder erwachet, und erkennet, daß es nur ein Traum gewesen.1 Allein unter Sachen im mühsamen Leben der Menschen, seynd die Träume nicht ein geringes Werck, welches denenselben Grauen, Furcht und Schröcken machen kan. Wie bey Hiob 7. 13. 14. und im Buch der Weißheit Salom. c. 18. 17. 18. 19. zu lesen: weßwegen wir billig untersuchen sollen, was Träume seyn, woher sie entstehen, und was davon zu halten sey. Hier. Birkmayer schreibt: Ein Traum wäre eine Erscheinung, so durch die innerliche Sinne oder vielmehr Phantasie, denenjenigen, so eingeschlaffen, sich darstellen, worbey die äusserliche Sinne, als gleichsam durch den Schlaff gefässelt, im geringsten nichts beytragen.2 Unter den Heyden haben etliche dieselbe für Schatten und Gespenster gehalten, derohalber sind sie auch von ihnen mit schwartzen[504] ausgebreiteten Fledermaus-Flügeln abgemahlet worden.

Es können aber die Träume / die einem vorkommen, in Ansehung ihrer Ursachen unterschieden werden in natürliche / Göttliche und teufflische Träume.3 Die natürliche Träume werden, ihrem Ursprung nach, aus der Natur gebildet und veranlasset, und haben unterschiedliche Ursachen. Und geschehen entweder aus den Affecten des Leibes oder der Seelen, und nachdem die Natur des Menschen ungleich ist, werden auch die Träume auf vielfältige Weise verursachet.

Was die Affecten des Leibes betrifft, so erheben sich die Träume in dem Gehirn, aus unterschiedlichen Feuchtigkeiten und Dämpffen des Leibes. Ein Cholericus, der eines warmen, hitzigen und trocknen Temperaments ist, hat gemeiniglich Träume vom Feuer, Krieg, Zanck, Hader, Uneinigkeit, Mord und Todtschlag, und wie er in der Lufft über der Erden schwebe und fliege.4 Ein Melancholicus, der kalter und trockner Natur ist, hat traurige Träume von abscheulichen und schröcklichen Gespenstern, bösen Geistern, finstern und duncklen Orten, Einöden und andern gefährlichen Sachen. Einem Phlegmatico, der kalter und feuchter Natur ist, träumet von Wasser, darin er badet, von Schifffahrt, Ungewitter und andern gefährlichen[505] Zufällen, bisweilen träumet ihm, daß er in tieffe Wasser falle, oder etwas schweres auf ihm liegen habe, daß er weder hinter noch vor sich kriechen ka. Ein Sanguineus, der Blut-reicher, feuchter, warmer und geiler Natur ist, hat liebliche, fröhliche, lustige Träume, von allerhand Gastereyen, Hochzeiten, Täntzen, venerischem Beyschlaff, und dergleichen Dingen, so zur Freud und weltlicher Wollust dienen.

Was die Affecten der Seele betrifft, so entstehen solche Träume aus Affecten der Erb-Sünde. Einem zornigen Menschen träumet von Lästern, Fluchen und Morden; einem furchtsamen von Schröcken und Grauen; einem Verliebten von Unzucht und Buhlerey. Hinc Virgil. eclog. 8. qui amant, ipsi sibi somnia fingunt.

Es entspringen auch die Träume aus mancherley Kranckheiten und unordentlichem unmässigen Leben, wie Sprach saget, Cap. 41. V. 5. 6. 7.5 Wann einer des Nachts auf seinem Bette ruhen und schlaffen soll, fallen ihm mancherley Gedancken vor: Wann er gleich ein wenig ruhet, so ist es doch nichts, dann er erschrickt im Traum, als sähe er die Feinde kommen. Und wann er aufwachet und siehet, daß er sicher ist, so ist ihm, als wann er aus der Schlacht entrunnen wäre, und ist Wunder-froh, daß die Schlacht nichts ist gewesen.[506]

Es enstehen wohl auch die Träume von Amts- und Beruffs-Geschäfften, oder von den Handlungen, womit der Mensch des Tages umgehet, wie Eccl. 12. 2. stehet: Wo viel Sorgen ist / da kommen viel Träume.6 Es pfleget auch dem Menschen alles, wovon er des Tages gedacht, und nach welchem er verlanget, bey nächtlicher Zeit wieder im Traum vorzukommen. Joh. Munsterusin libr. de Spectris cap. 4. schreibt: Ist einer im Lehr-Amt getreu, so träumet ihm, wie er seine Zuhörer lehre, und ihnen wohl fürgehe; ist jemand im Wehr-Amt getreu, so träumet ihm, wie er seine Unterthanen beschütze und beschirme; ist einer im Nehr-Amt getreu, so träumet ihm von seiner Arbeit und Hauß-Geschäfften etc. ist er aber ein Säuffer, Fresser, Huren-Jäger, Ehebrecher, Balger, Spieler, so träumet ihm auch von solchen Sachen, dazu sein Gemüth geneiget ist.

Es find aber diese Träume ungewiß, falsch und nichtig, und kommen bisweilen so wunderlich heraus, daß wo man hernach solchen Träumen nachdencket, wird sich befinden, daß solche aus unterschiedenen Handlungen, die man kurtz vorhin, oder für langer Zeit gethan, zusammen geflickt seyn.7 Solche Träume aber verschwinden und vergehen auch plötzlich, daß mancher, wann er erwachet, sich derer nicht mehr erinnern kan.

[507] Joh. Lassenius im siebenden Gespräch seiner Adelichen Tisch-Reden / auch andere Naturkündiger / unterscheiden die Träume nach der Zeit, vorgebende, daß man von denen, die vor der Concoction geschehen, nichts halten solle, weil die übrigen Dünsten, so aus dem Magen der unverdaueten Speisen entstehen, allerhand Phantasien bey den Sinnen der Menschen erwecken.8 Von denen aber, so gegen Morgen geschehen, da die Verdauung allbereit ein Ende hat, soll man so gar verächtlich nicht reden, weil solche gar offt ihren Effect mit sich gebracht. So auch sprechen einige, daß ein grosser Unterscheid in Träumen vorkomme, nach dem der Mensch lieget, als: Da jemand auf dem Rücken liege, verursache es traurige und erschröckliche Träume, da nehmlich das Geblüt alles dem Hertzen zuziehe, und selbiges also beschwere und ängstige; und solche Bewandtniß habe es auch mit dem Liegen auf der rechten oder lincken Seiten.

Endlich seynd auch Träume / die von GOtt eingegeben worden / entweder unmittelbar durch ihn selbst, oder durch den Engel, in welchen er sich auch offtmahl den Menschen-Kindern hat bekannt gemachet, und ihnen einige verborgene Sachen hat offenbahren wollen, wie er Num. 12. 6. zu Aaron und Mirjam sprach: Höret meine Worte: ist jemand unter euch ein Prophet[508] des HErrn, dem will ich mich kund machen in einem Gesicht, oder in einem Traum.9 Oder wie dem Ertz-Vater Jacob / Gen. 28. 12. da er die Himmels-Leiter im Traum sahe. Item Gen. 37. 42. 43. 50. wie Joseph geträumet hatte, und wie selbige erfüllet worden. Oder 1. Reg. 3. 5. seq. da der HErr zu Gibeon des Nachts dem König Salomo im Traum erschiene. Auch bey Matth. 2. 13. da der HErr dem Pfleg-Vater unsers Seligmachers /JEsu Christi / im Traum erschienen. Oder dem Apostel Paulo / Actor. 27. 4. da der Engel GOttes des Nachts im Traum zu ihm kam, und sprach: Fürchte dich nicht / Paule / du must vor den Kayser gestellet werden etc.

Träume seynd auch unterschiedenen von GOtt eingegeben, und haben wir ein Exempel an Monica, der Mutter des Augustini, die war ihres Sohnes wegen, weil er den Manichæern anhing, hertzlich betrübt, und bat den barmhertzigen GOtt, er möchte ihn doch bekehren, und zur Wahrheit führen.10 Als sie nun einsmahls über solchem Seufftzen entschlieff, erschien ihr im Traum ein Jüngling in hell-gläntzenden Kleidern, und sprach mit frölichem Angesicht: Sie solte nicht mehr weinen und betrübt seyn, dann wo sie wäre, solte auch ihr Sohn seyn. Augustinus verspottete vorerst den Traum, und[509] sprach zu seiner Mutter, sie hätte etwa den Jüngling übel verstanden, vielleicht hätte er gesaget: Wo er ist, daselbst wirst du auch seyn; aber nachmahls ist er dergestalt gerühret und bewogen worden, daß er die schädliche Secte der Manichæer verlassen und den wahren Glauben angenommen. August. l. 6. c. 13. Confess.

Wir wollen allhier etliche Träume anführen, derer Bedeutung unschwer zu begreiffen.11 Bodinus, als er seine Dæmonomaniam geschrieben, spricht von einem Menschen, der einen Geist zum Gefährten gehabt, welchen er damahls allererst kennen lernen, als er 37. Jahr alt worden. Dann wiewohl, seiner Meynung nach, derselbe Geist die gantze Zeit seines Lebens um ihm gewest, (massen er solches gemuthmasset, sowohl aus den vorher gehabten Träumen, als Gesichtern, wodurch er gewarnet worden, für gewissen Lastern und Fährlichkeiten sich zu hüten) so hätte er ihn dannoch niemahls zuvor so vollkommentlich gemercket, als wie von gemeldtem 37sten Jahr seines Alters an. Solches aber ist ihm, seinem Bericht nach, wiederfahren, nachdem er zuvor nicht aufgehöret ein gantzes Jahr durch GOtt von Hertzen Abends und Morgens anzuruffen, daß er einen guten Engel senden wolle, der ihn in allem seinem Thun und Fürnehmen führen und leiten möchte; vor und nach solchem Gebet aber[510] hätte er eine bestimmte Zeit zur Betrachtung Göttlicher Wercke angewendet, bisweilen zwey oder drey Stunden gesessen bey der Bibel, dieselbe mit ernstlicher Aufmerckung und Andacht gelesen, und in seinem Geist erforschet, ob er daraus ergreiffen möchte, welche dann unter den allstreitigen Religionen doch die rechte wäre, und mit der Wahrheit übereinträffe, darbey er dann nicht selten diese aus dem 143. Psalm genommene Verse gesprochen: Lehre mich thun nach deinem Wohlgefallen /dein guter Geist führe mich auf ebener Bahn.

Er sagete, daß er die Weise derjenigen gar nicht loben könte, die GOtt bäten, daß er sie in ihrer vorgefasseten Meynung wolte erhalten. Nachdem er also immerzu mit solchem Gebet und Lesung heiliger Schrifft angehalten, hätte er beym Philone, dem Hebräer / im Buch von den Opffern / gefunden: Es könte ein guter, frommer, vollkommener und von GOtt gereinigter Mensch GOtt dem HErrn kein grösser noch angenehmers Opffer thun, als so er sich selbsten dem HErrn opfferte: Solchem Rath folgend, habe er GOtt seine Seel aufgeopffert.

Von der Zeit an seynd ihm (wie er saget) Träume und Gesichte voll Belehrungen gegeben, bald diesen, bald jenen Fehler zu corrigiren, bald einiger Gefahr vorzubeugen,[511] bald diesen, bald jenen schweren Knoten, sowohl in Göttlich- als menschlichen Dingen, aufzulösen, oder aus einer Beschwerlichkeit sich heraus zu wickeln. Unter andern habe ihn gedünckt, als hörete er im Schlaff GOttes Stimme / welche zu ihm spräche: Ich will deine Seele erhalten / ich bin der / welcher dir erschienen.

Nachmahls klopffete der Geist alle Morgen um 3. oder 4. Uhren an seine Thür; wann er dann aufstund, und die Thür aufthat, sahe er niemanden. Der Geist aber fuhr fort, solches alle Morgen zu thun, und erweckete ihn, wann er nicht aufstund, deßwegen begunte er sich endlich zu fürchten, und gedachte, es wäre ein böser Geist, ließ derohalben nicht ab, GOtt aneinander zu bitten, er wolle seinen guten Engel senden, sang auch offtmahl die Psalmen, welche er schier alle auswendig konte.

Hierauf offenbahrete sich ihm der Geist / als er wachete, und klopffete nur leise an; selbigen Tages vernahm und hörete er gar eigentlich, daß der Geist zum öfftern ein Glaß anrührete, darüber ihm kein geringes Entsetzen ankame; als er nach zween Tagen seinen guten Freund, einen königlichen Secretarium, (der gleichfalls 1580. noch am Leben war, als Bodinus diß Buch drucken ließ) mit einer Mahlzeit zu Mittag[512] bewirthete, klopffte der Geist an die nächste bey dem Gast stehende Banck, worüber derselbe sich erröthete; er aber ihm zusprach, sagende: Erschröcket nicht! ihr habt euch deßwegen nicht zu fürchten. Und damit er ihm die Furcht desto besser möchte aus dem Sinn bringen, erzehlte er ihm die wahre Beschaffenheit.

Von selbiger Zeit an ist der Geist allzeit um ihn gewest, und er von demselben durch ein empfindlich Zeichen erinnert und abgemahnet, oder angefrischet worden. Thät er was Ungeschicktes oder Unrechts, gab ihm der Geist einen gelinden Streich an das rechte Ohr; widrigen Verhaltens aber auf das lincke. So einer kam, ihn zu betrügen, oder zu hintergehen, empfand er den Streich am rechten Ohr; dafern aber ein redlicher Mann, der es gut mit ihm meynete, und ihm was Gutes zu erweisen gewillet, ihn besuchen wolte, fühlete er den sanfften Schlag am lincken Ohr. Wann er etwas ihm schädliches essen oder trincken wolte, ward ihm ein Zeichen gegeben, sowohl als wann er zweifflete oder säumte etwas fürzunehmen. Gedachte oder setzte er ihm was Ubels vor, ward er durch ein Zeichen davon abgekehret. Hub er unterweilen an GOtt mit Psalmen zu loben / oder von seinen Wunderwercken zu reden / fühlete er durch eine geistliche Krafft darin gestärckt und bestättiget[513] zu seyn. Und damit er die eingegebene Träume von den Phantasien konte unterscheiden, die von ungesundem Geblüt, oder Zerrüttung und Verwirrung des Gemüths zu entstehen pflegen, pfloge ihn der Geist um die zweyte oder dritte Stunde zu wecken: und, nachdem er darauf wieder eingeschlaffen, alsdann ward ihm durch wahrhaffte Träume angezeiget, was er von dem, darüber er in Zweiffel stund, glauben, oder thun solle, oder was ihm vorstossen würde: also gar, daß von selbiger Zeit an ihme fast nichts begegnet ist, so ihme nicht vorher angedeutet worden; er auch nichts für glaubwürdig geachtet, dessen er nicht vorhero wäre erinnert worden.

Er bat zwar GOtt täglich, daß er ihn wolte seinen Willen, Gesetz und Wahrheit lehren, und wendete einen Tag in der Wochen an zum Lesen und Betrachtung heiliger Schrifft, lobte GOtt mit singenden Psalmen, brachte also denselben gantzen Tag, welchen er gantz feyrete, in fröhlicher Andacht zu, und kam alsdann keinen Tritt aus dem Hause, bediente sich aber hierzu nicht des Sonntags / an dem sonst andere ihre Andacht zu verrichten pflegen, weil, wie er saget, am Sonntag lauter Uppigkeit und Ruchlosigkeit getrieben würde.

Sonst bezeigete er sich in allem seinem Thun und übrigen Handlungen eines fröhlichen[514] Gemüths, pflegete auch hierauf anzuziehen die Worte der Schrifft: Vidi facies Sanctorum lætas.

Im Fall er bey irgend einer Gesellschafft war, da kein gar zu gutes Gespräch gehalten, oder etliche Tage das liebe Gebet unterlassen hatte, ward er im Schlaff also fort daran erinnert; wofern er ein Buch lase; das nicht gar gut war, schlug der Geist alsobald auf das Buch / daß er es solte weglegen; was seiner Gesundheit nicht dienlich, dafür warnete er ihn; und wann er kranck war, curirte er ihn auf aller fleißigste. Kurtz zu sagen, er erzehlte dem Bodin hievon so vielerley, daß er dieses für unzählig achtete und nicht alles wiederhohlen können. Ein mehrers davon ist bey Francisci höllischem Protheo zu lesen.

Ein Traum wird bey gedachtem Autore erzehlt, welcher, wie er im Traum vorgekommen, also wahr worden.12 Als Abt Otto zu St. Lamprecht / Rudolff von Lichtenstein / und Heinrich von Waldsee /bey König Jacobo in Arragonien anlängeten, um desselben Fräulein Tochter, Elisabeth, vor Kayser Friedrichen zu werben, war in der Nacht vorher dem Fräulein im Traum ein schöner Fürst erschienen, der Friedrich heisse.13 Da nun erstbenannte Gesandten Kayser Friederichs (der sonst der schöne genannt) durch[515] ihre Ankunfft und Werbung solchen Traum ihr eines Theils wahr macheten, truge sie desto weniger Bedencken, nebst ihrem Hn. Vater, in diese beharrliche Ansuchung zu willigen, bevorab, weil das Bildniß des schön gestalteten Kaysers mit der Gestalt, welche ihr der Traum hatte fürgestellet, sich aufs Beste vergliche. Massen sie dann hierauf, um Pfingsten, in Teutschland gen Basel begleitet, allda prächtig eingehohlt, und mit dem Kayser copulirt, auch hernach mit öffentlicher Crönung zu einer Römischen Kayserin beehret ward.

Noch Verwunderns-würdiger ist der Traum Kayser Caroli IV. damahls aber noch Königlichen Böhmischen Printzens / bey dessen Herrn Vater, dem König Johann / hielt der Königliche Dauphin, oder älteste Printz von Franckreich / um Beystand an, wider den Hertzog von Savoyen / als mit welchem er Krieg führete: bekame auch darauf gute Vertröstung.14 Indem König Johann Völcker zusammen bringet, kommt erstmahls gedachtem seinem Printzen, Carl, im Traum ein Kriegs-Heer zu Gesicht, und unter demselben ein schön gebildter Jüngling / welcher aber mitten aus dem Kriegs-Hauffen hinweg geführet ward. Worüber Printz Carl sich höchlich verwunderte, und, nachdem[516] er allernächst bey sich einen andern Jüngling von ungemeiner Herrlichkeit und Ansehen erblicket hatte, denselben fragte: Wer doch immermehr der Jüngling sey, mit dem man so scharff verfahre? und aus was Ursach man ihm solche peinliche Schmach angethan? Jener antwortete: Es ist der Dauphin, erstgebohrner Sohn Königs in Franckreich / der die Straff empfähet. Den Unzüchtigen pflegt man es also zu machen.

Da Printz Carl des Morgens aufgestanden, berichtet er seinem Herrn Vater, was ihm geträumet, und bat, derselbe möchte den Marsch der Hülffs-Völcker nur contramandiren: denn der Dauphin würde schwerlich mehr der Völcker verlangen; sondern sonder Zweiffel bereits des Lebens beraubt seyn. Der König kehrete sich an solche Reden nichts, sagende: Man müsse auf Träume nicht gehen, noch so viel darauf halten; und ließ den Zug der Völcker vor sich gehen. Nachdem er aber etwa 2. Tage mit dem Volck fortgeruckt, bekame er Zeitung: Der Dauphin wäre bey Belagerung eines Schlosses mit einem Pfeil an die Schaam getroffen worden / worüber er sein Leben einbüssen müssen. Massen Carolus hernach, zu Erinnerung dieses überaus denckwürdigen Traums, eben an dem Ort, wo[517] ihm solches Traum-Gesicht vorgestellet worden, ein Stifft gebauet, und mit reichen Einkünfften versehen.

Bey Cicerone lesen wir, daß zween junge Gesellen aus Arcadia ihnen fürgenommen miteinander eine Reise zu verbringen.15 Und als sie in eine Stadt, so man Megaris nennet, kommen, ist der eine Gesell zu seinem guten Gönner / der andere aber in ein schlechtes Wirths-Hauß eingekehret, und sich jeder an bemeldtem Ort beherbergen lassen. Nachdem nun der, so in seines Freundes Hauß zu Nacht gegessen, sich in Ruhe begeben, ist ihm im Traum fürkommen, wie sein Reise-Gesell von seinem Wirth verletzt und erschlagen wäre / ihn bittende / Hülff zu verleihen. Hiermit erwachete er, schauete sich umher, sahe und hörete niemand, vermeynete derohalben, daß es eine Phantasey und lediger Traum gewesen, legete sich wieder nieder, und entschlieff, alsobald kame ihm das vorige Gesicht wieder vor, und ermahnete ihn, wo er ihm ja nicht helffen könne / oder zu helffen vermögen / so soll er doch des Morgens zum Stadt-Thor gehen / und allda verharren / bis sein Wirth / der ihn beherberget / ein Fudex Mist aus führe / und alsdann in selbigem suchen / da werde er ihn[518] ermordet auf dem Wagen mit Mist verdecket finden. Worauf er abermahl erwachet, und sich anlegete, nach dem Thor verfügete; kaum war er dahin kommen, so langete auch der Wirth mit einem Wagen, voller Mist geladen, an, welchen er alsobald visitirete, allwo er seinen Reise-Gefehrten mit Mist bedecket gefunden, solches des Orts Obrigkeit angezeiget, welche den Wirth zu gebührender Bestraffung genommen. Vid. Hildebrands Kunst- und Wunder-Buch / p.m. 921.

Die Göttliche Träume seynd die, durch welche GOtt der HErr zuweilen die Menschen für ein oder dem andern Unglück warnet, und ihnen für Augen stellet, was künfftig geschehen werde.16 Dessen gibt der Traum ein Exempel, welchen Fridericus III. Churfürst zu Sachsen / am 31. Oct. in der Nacht vor dem Tage Allerheiligen 1517. zu Schweinitz hatte / da ihm geträumet / als ob GOtt einen Mönch von feinem ehrbaren Ansehen und Gesicht zu ihm schickete, der des Apostels Pauli natürlicher Sohn wäre: dieser hätte auf GOttes Befehl alle Heiligen zu Gefährten bey sich, welche dem Mönche, daß kein Betrug mit ihm, sondern er ein wahrhaffter Gesandter GOttes wäre, vor dem Churfürsten Zeugniß ertheilen solten,[519] darbey ließ ihm GOtt gebieten, er solte dem Mönch gestatten, etwas an seine Schloß-Capelle zu Wittenberg zu schreiben; so ihn nicht gereuen würde. Hierauf ließ ihm der Churfürst durch den Cantzler sagen: Weil es GOttes Befehl wäre / und er auch so gewaltig Zeugniß hätte / so möchte er schreiben / was ihm befohlen wäre. Sodann fieng der Mönch an zu schreiben, und machete so grosse Buchstaben / daß sie der Churfürst zu Schweinitz deutlich lesen konte. Darbey führete er so eine lange Feder / daß sie mit ihrem Ende bis gen Rom reichete, und einen Löwen / so daselbst lage, damit dergestalt in ein Ohr stach, daß der Sturtz zum andern Ohr wieder heraus ging. Diese Feder streckete sich ferner bis an die Päbstliche dreyfache Crone / an welche sie so hart stieß / daß sie zu wacklen begunte /und Ihro Heiligkeit vom Haupt fallen wolte. Als nun die Crone im Fallen war, dauchte den Churfürsten / als wann er nebst seinem Herrn Bruder, Hertzog Johanne / nicht weit davon stünde, da er dann seine Hand ausstreckte / und sie halten wolte /worüber er auch erwachete; er schlieff aber wieder ein, und alsbald[520] stund ihm der Mönch wieder vor den Augen, welcher immer fort schrieb, und mit dem Feder-Sturtz noch immer weiter auf den Löwen zu Rom loßstach, also, daß alle Stände des Römischen Reichs zulieffen, um zu erfahren, was da wäre. Worauf die Päbstliche Heiligkeit von den Ständen begehrete: Man solte doch dem Mönch das Schreiben verwehren, und sonderlich dem Churfürsten von Sachsen diesen Frevel berichten, worüber der Churfürst zum andernmal erwachete; schlieff aber auch zum drittenmahl wieder ein, und kam ihm der Mönch, wie vorhin, wieder vor Augen, da sie sich denn alle äusserst bemüheten, die Feder zu zerbrechen und den Pabst beyseit zu schaffen; jemehr sie sich aber bemüheten, jemehr starrete und knorrete die Feder, also, daß es dem Churfürsten in die Ohren schmertzete / darüber sie auch so ermüdet worden, daß sie endlich nachliessen, und sich einer nach dem andern verlohr; massen sie besorgeten, der Mönch möchte mehr denn Brod essen können / und auch ihnen Schaden zufügen; nichts destoweniger ließ der Churfürst den Mönch fragen: Wo er denn zu solcher Feder gekommen, und wie es zuginge, daß sie so gar unzerbrechlich wäre? Worauf denn der Mönch dem Churfürsten diese Antwort[521] geben ließ: Sie wäre von einer hundert-jährigen alten Böhmischen Ganß / die hätte ihm einer seiner alten Schulmeister verehret / und gebeten / er wolle sie / weil sie sehr gut wäre / zu seinem Gedächtniß brauchen: Er hätte sie selbst geschnitten / und daß sie so dauerhafft wäre / rühre daher: weil man ihr den Geist nicht nehmen / noch die Seel oder Marck / wie aus andern Federn / heraus ziehen könte. Darüber er sich auch ungemein verwundern müssen. Bald hierauf hörete der Churfürst ein Geschrey, ob wären aus dieser langen Mönchs-Feder noch unzehlig viele Federn zu Wittenberg gewachsen; da es dann mit Lust anzusehen ware, wie sich so viel gelehrte Leute darum rissen, und waren theils der Meynung, diese junge Federn würden mit der Zeit eben so starck und lang werden, als der erste Kiehl des Mönchs, ja es würde gewiß etwas sonderliches auf diesen Mönch und seine lange Feder erfolgen. Hiermit wachete der Churfürst auf, und gleich des folgenden Tages hat D. Luther seine Theses zu Wittenberg wider Tetzeln angeschlagen. Dieses ist wohl ein Traum gewesen, welcher von GOtt hergerühret, dessen Bedeutung und Ausgang sich auch bald darauf erzeiget.[522]

Es kan auch nicht geläugnet werden, daß Heyden und Unglaubige bisweilen auch Träume gehabt, die von guter Deutung gewesen, wie Gen. 41. zu lesen, daß Pharao von den 7. fetten und 7. dürren Kühen / auch 7. fetten und 7. magern Aehren geträumet. GOtt ließ auch des Pharaonis obristen Schencken / und dessen obristen Becker im Traum offenbahren, daß der erste wieder an sein Ambt kommen, der ander aber an Galgen gehenckt werden solten, Gen. 40. Und die Weisen aus Morgen-Land empfingen den Befehl GOttes im Traum, daß sie sich nicht wieder solten zu Herodes lencken. Matth. 2. 12. Und das Weib des Römischen Land-Pflegers Pilati / ließ ihren Mann im Richt-Hauß warnen, er soll nichts zu schaffen haben mit JESU dem Gerechten / denn sie hätte viel in vergangener Nacht seinetwegen im Traum erlitten.

Nun sind auch noch teufflische Träume / die durch den höllischen Feind durch Zulassung GOttes, den Menschen wegen ihres Unglaubens und Mißtrauens halber eingeräumet werden.17 Solcher Art Träume waren eine unsägliche Menge bey den Heyden, allwo der Teuffel dem Menschen im Schlaff eingiebet, was geschehen[523] soll. Die Juden haben viel Auslegung von den Träumen gemachet; und erzehlt einer der Juden in dem Babylonischen Talmud / daß zu Jerusalem 24. Traum-Ausleger gewesen seyen; wer nun einen Traum gehabt, sey zu allen gangen, welchen dann der eine so, der andere anders erkläret, und dennoch hätte sich alle von ihnen erzehlten Sachen zugetragen. Vid. Dav. Knikke in Historia der Prophetien. lib. 4. cap. 8. §. 5.

In unserm Christenthum herrschet der Aberglaub, in Auslegung der Träume auch noch so gewaltig, ja der leidige Teuffel verleitet die Menschen solcher gestalt, daß sie des andern Tages, wohl noch vor ihrem Morgen-Gebet über die heyllose Traum-Bücher lauffen, um zu sehen, was ihnen ihre Träume bringen oder bedeuten möchten. Wie es dann an dergleichen Götzen-Büchern nicht fehlet, welche voller solcher Lügen-Auslegung angefüllet, auch vest versichern und für eine pure Wahrheit ausgeben, was dieses oder jenes sein Traum bedeuten soll. Ja es hat sich offt-angeführter Hildebrand nicht entblödet, einen gantzen Tractat solcher Träume zu verfertigen. Ein guter und rechtschaffener Christ aber wird sich dafür wohl zu hüten wissen.

Marginalien

1 Träume sind allemahl erfreulich.


2 Was ein Traum ist.


3 Wie die Träume zu unterscheiden.


4 Wie der Mensch nach den 4. Complexionen der Natur / den Träumen unterworffen.


5 Träume entstehen auch aus mancherley Kranckheiten.


6 Auch von Amts-Geschäfften.


7 Träume seynd ungewiß.


8 Träume werden auch nach der Zeit und Lager des Menschen unterscheidet.


9 Träume / so von GOtt eingegeben worden.


10 Durch Träume werden viele verwarnet.


11 I. Geschicht.

Ein Geist verwarnet einem im Traum.


12 II. Geschicht.


13 Von einem Traum / so wahr worden.


14 III. Geschicht.

Von Caroli IV. Traum.


15 IV. Geschicht.

Traum zeiget die Ermordung eines Freundes an.


16 V. Geschicht.

Nachdencklicher Traum Churfürst Friederich des Dritten zu Sachsen.


17 Es sind auch teufflische Träume.


Quelle:
Bräuner, Johann Jacob: Physicalisch= und Historisch= Erörterte Curiositaeten. Frankfurth am Mayn 1737, S. 503-524.
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