Sechster Auftritt.

[57] Die Vorigen. Marquise de Pompadour. Marquise d'Epinay. Kavaliere. Pagen. Hofdamen. Kammerdiener.


POMPADOUR. Ich freue mich, Chevaliers, Sie wiederzusehen. Plötzliche Unpäßlichkeit zwang mich, Ihren Umgang zu entbehren – doch ich hoffe noch recht lange unter Ihnen zu bleiben. Sie hält sich das Herz und atmet schwer.

CHOISEUL. Mit dem tiefsten Bedauern – Er verbeugt sich.

TERRAY einfallend. Beklagen wir einen Unfall – Er verbeugt sich.

DUBARRY einfallend. Doch wir hoffen – Er verbeugt sich.

DIE MINISTER geben durch stumme Bewegungen ihr Bedauern zu erkennen.

POMPADOUR rasch einfallend. Keine Kondolenzen, meine Herren, das klingt wie ein Totengeläut! Ha! Sie faßt sich an die Stirn. Marcel, meine Arznei!

PAGE präsentiert Madame Epinay die Medizin.

EPINAY reicht sie der Pompadour.

POMPADOUR nimmt dieselbe.[57]

DUBARRY. Seine Majestät der König läßt sich nach dem Befinden von Madame erkundigen; er ist noch immer höchst besorgt –

POMPADOUR die eben die Arznei einnehmen will. Sieh da! Also besorgt ist er? Sie nimmt die Arznei ein. O sagen Sie doch Sr. Majestät, es sei mit uns noch lange nicht zum Sterben. Ersuchen Sie ihn in unserem Namen, mit uns heute nacht zu speisen. Sie setzt eine Lorgnette auf und mustert die Minister. Haha, da ist ja auch Marquis Silhouette.

SILHOUETTE tritt vor und verbeugt sich.

POMPADOUR. Haha, der arme Marquis! Man macht ein schwarzes Porträt von ihm, schwarz wie seine Seele und leer wie der Staatsschatz! Hahaha, es ist einzig! Auf einmal wirft sie sich krampfhaft zurück in den Sessel, ein Nervenschauer durchzuckt sie.

ALLE treten ängstlich einen Schritt näher. Kurze Pause.

POMPADOUR. O Gott, wieder diese Nervenwallung! Dieses Drängen des Blutes nach dem Hirn, und dann dieser plötzliche Schlag vom Kopf in die Knie! – Helfen Sie mir, liebe Epinay!

EPINAY richtet sie auf.

POMPADOUR. Wischen Sie mir die Stirn ab!

EPINAY tut es.

POMPADOUR. Es ist kalter Schweiß. – Wenn ich lache, geht es mir immer so, es ist abscheulich! – Nun, trösten Sie sich nur, Silhouette, wir werden nächstens auch von uns eine Silhouette machen lassen; – schwarz und leer – ach, es ist zu köstlich! – O, wie schlecht wieder die Kissen liegen – sie drücken ja!

ERSTER KAVALIER tritt heran.

POMPADOUR. Sie sind wirklich ein Muster von Ungeschicklichkeit, Chevalier Salvandy!

ERSTER KAVALIER will sprechen.

POMPADOUR. Schon gut, gehen Sie nur! – Sie tut, als erblicke sie Choiseul erst jetzt. Ei seht doch, der Premierminister auch?

CHOISEUL tritt vor.[58]

POMPADOUR. Sie sind in den letzten Tagen sehr haushälterisch mit sich umgegangen. – Doch es ist gleich. Ich danke Ihnen übrigens für die kurze Gastfreundschaft, die mir das Hotel Choiseul unlängst erwiesen. – Man sagte mir soeben, Sie seien krank gewesen – ist dem so, Herr Herzog?

CHOISEUL. Leider, hohe Frau. Dies mag auch meine einzige Entschuldigung sein. Ich war recht krank.

POMPADOUR. Also ein Leidensgefährte – und was fehlte Ihnen?

CHOISEUL. Möchten Sie doch erlauben, daß ich die Leiden vergangener Tage nicht wiederhole. Choiseul ist genesen, weil seine edle Gönnerin genas.

POMPADOUR. Treten Sie doch näher, lieber Choiseul. Sie gibt ihm die Hand.

CHOISEUL küßt sie.

POMPADOUR leise. Ich hatte so Wichtiges mit Ihnen zu sprechen, d'Amboise; mein Zustand war entsetzlich.

CHOISEUL leise. Hätte meine Herrin in Choiseuls Herzen gelesen, das hätte sie erleichtert. Er tritt zurück.

POMPADOUR. Bleiben Sie an meiner Seite, lieber Herzog.

CHOISEUL nimmt d'Epinays Platz am Fauteuil ein.

D'EPINAY tritt rechts von Pompadour an den Tisch.

POMPADOUR. Graf Dubarry, hat Seine Majestät die Festlichkeit schon angeordnet?

DUBARRY. Nicht bestimmt, Madame. Der bedenkliche Zustand – doch sprach Seine Majestät von einem Schauspiel.

MAUPEOU. Unter dem großen Ludwig wählte man zur Vorfeier eines Hoffestes stets ein rezitierendes Drama, in dem besonderer Pomp entfaltet ward.

POMPADOUR. Das läßt sieh hören. Ich wünschte aber wohl, daß ein pikantes Ballett eingeflochten würde. Das ist etwas für den König. – Herr Kanzler, Sie übernehmen das äußere Arrangement, der Herr Kammerherr wird das Ballett mit gewohnter Finesse ersinnen, und Silhouette hat die Ausgaben zu bestreiten.[59]

SILHOUETTE zuckt die Achseln.

POMPADOUR. Ich hoffe, daß man es hierbei an nichts fehlen lassen wird. Übrigens denke ich bei einer Feierlichkeit, die mich so nahe angeht, die Treusten meiner Freunde zu belohnen. – Gewiß, liebe Epinay. – Haben Sie schon ein Drama gewählt, Herr Kammerherr?

DUBARRY. Diese interessante Pflicht hat sich Herr Herzog von Choiseul vorbehalten.

CHOISEUL sehr kurze Pause. Madame erlaube, daß ich den Namen des Schauspiels verschweigen darf.

POMPADOUR. Ah, eine Überraschung! Das ist schön! Aber nur bis zur Probe. Die Ärzte haben mir große Vorsicht angeraten, auch ist man bei der Festlichkeit selbst zu zerstreut. Ich werde daher den Tag vorher einer Probe beiwohnen, man kann sie zu meiner Bequemlichkeit hier im Salon abhalten.

CHOISEUL. Zu Befehl!

POMPADOUR. Wer wird darin spielen, Herzog?

CHOISEUL. Noch weiß ich es nicht genau. Für den Helden habe ich einen jungen Mann von großem Talent, den ich der königlichen Gunst empfehlen möchte.

POMPADOUR. Nicht übel! Ich liebe die Talente – sein Name?

CHOISEUL. – Laitard!

POMPADOUR. Ah, gut, und die Heldin des Stückes?

CHOISEUL. Habe ich noch nicht.

POMPADOUR. Da kommt mir ein köstlicher Gedanke! Wie wäre es, wenn man die Quinault nähme?

CHOISEUL. Ha, die Quinault! Sehr gut! – Zu Befehl!

POMPADOUR. Treten Sie nun ein wenig in die Vorzimmer, meine Chevaliers und Damen, ich habe mit dem Herrn Herzog von Choiseul zu sprechen.

DIE MINISTER gehen rechts ab.

DIE DAMEN, CHEVALIERS UND PAGEN gehen links ab.

DIE KAMMERDIENER gehen durch den Hintergrund ab.


Quelle:
Albert Emil Brachvogel: Narziß. Leipzig [o.J.], S. 57-60.
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