[66] Wer stets im Esel hat die Sporen,
Der rückt ihm oft bis auf die Ohren:
Leicht zürnen paßt wol einem Thoren.
Ein Hund bellt einen Esel an, der von einer knieenden Frau am Schwanze festgehalten wird. Der Narr, der sich nach der entgegengesetzten Seite umschaut, ist dem Esel beim Antreiben mit den Füßen bis zwischen die Ohren gerückt. Unter dem Esel kriecht eine Schnecke.
Der Narr das Eselreiten liebt,
Der unnütz sich mit Zorn betrübt
Und um sich schnappet wie ein Hund,
Kein gutes Wort läßt aus dem Mund,
Keinen Buchstaben kennt als nur das R
Und meint, man soll ihn fürchten sehr,
Weil er kann zürnen nach Behagen.
Drum hört man gute Gesellen sagen:
»Wie thut der Narr sich so zerreißen!
Unglück will uns mit Narrn beschei ...!
Er wähnt, man hab' nicht Narren zuvor
Gesehen als Hans Eselsohr!«
Zorn hindert eines Weisen Muth,
Der Zornige weiß nicht, was er thut.
Archytas sprach zu seinem Knecht,
Als ihm von dem geschah Unrecht:
»Ich würde dies nicht schenken dir,[66]
Spürt' ich nicht jetzo Zorn in mir!«
Mit Plato solches auch geschah;
An Sokrates nicht Zorn man sah.
Wen leicht sein Zorn zu Ungeduld
Bringt, der fällt bald in Sünd' und Schuld.
Geduld besänftigt Widrigkeit,
Eine weiche Zunge Härtigkeit;
All' Tugend Ungeduld zerbricht,
Wer zornig ist, der betet nicht.
Vor schnellem Zorn dich allzeit hüte,
Denn Zorn wohnt in des Narrn Gemüthe.
Viel leichter wär' eines Bären Zorn,
Hätt' er die Jungen auch verlorn,
Als dulden, was ein Thor dir thut,
Der auf die Narrheit setzt den Muth.
Ein Weiser thut gemach zu Zeiten,
Dem Jähen ziemet Eselreiten.
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
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