[68] Wer sitzet auf des Glückes Rade,
Der luge, daß kein Fall ihm schade,
Und daß er etwan komm' zum Bade.
Drei durch Kappen als Narren bezeichnete Esel, von welchen zwei zum Theil menschliche Glieder zeigen, läßt das Glücksrad, das eine aus den Wolken gestreckte Hand in Bewegung setzt, in bezeichnender Haltung aufsteigen, thronen und niedersinken.
Der ist ein Narr, der hochauf steigt,
Damit er Schmach und Schande zeigt,[68]
Und sucht stets einen höhern Grad
Und denkt nicht an des Glückes Rad.
Was hochauf steigt in dieser Welt,
Gar plötzlich oft zu Boden fällt.
Kein Mensch so hoch hier kommen mag,
Der sich verheißt den künft'gen Tag,
Und daß er Glück dann haben will,
Denn Klotho hält ihr Rad nicht still,
Oder der Güter und Gewalt
Vorm Tod einen Augenblick behalt'.
Wer Macht hat, der hat Angst und Noth,
Viel sind um Macht geschlagen todt.
Die Herrschaft hat nicht langen Halt,
Die man muß schirmen mit Gewalt.
Wo keine Lieb' und Gunst der Gemein',
Da ist viel Sorg' – und Freude klein.
Es muß viel fürchten, wer da will,
Daß ihn auch sollen fürchten viel.
Nun ist die Furcht ein böser Knecht,
Sie mag nicht lange hüten recht.
Wer hat Gewalt, derselbe lerne
Liebhaben Gott und ehr' ihn gerne.
Wer Gerechtigkeit hält in der Hand,
Deß Macht mag haben gut Bestand;
Deß Herrschaft war wohl angelegt,
Um dessen Tod man Trauer trägt.
Weh dem Regenten, nach deß Tod
Man sprechen muß: »Gelobt sei Gott!«
Wer einen Stein wälzt auf die Höh',
Auf den fällt er und thut ihm weh,
Und wer vertrauet auf sein Glück,
Fällt oft in einem Augenblick.
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
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