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[16] Wer neue Moden macht durchs Land,
Der gibt viel Aergerniß und Schand'
Und hält den Narren bei der Hand.
Uly von Stauffen, das Sinnbild, wie es scheint, eines alten Narren, hält einem jungen, modisch gekleideten Narren einen Spiegel vor, in welchen dieser entzückte Blicke wirft. Das Bild trägt die Ueberschrift: Uly von stouffen frisch und ungeschaffen und die Jahreszahl 1494.
Was sonst wol war ein schändlich Ding,
Das schätzt man schlicht jetzt und gering:
Sonst trug mit Ehren man den Bart,
Jetzt lernen Männer Weiberart
Und schmieren sich mit Affenschmalz
Und lassen am entblößten Hals
Viel Ring' und goldne Ketten sehn,
Als sollten sie vor Lienhart stehn.
Mit Schwefel und Harz pufft man die Haar'
Und schlägt darein dann Eierklar,
Daß es im Schüsselkorb' werd' kraus.
Der hängt den Kopf zum Fenster 'raus,
Der bleicht das Haar mit Sonn' und Feuer,
Darunter sind die Läus nicht theuer.
Die können es jetzt wol aushalten,
Denn alle Kleider sind voll Falten:
So Rock wie Mantel, Hemd wie Schuh,
Pantoffel, Stiefel, Hos' dazu,
Wildschur und die Verbrämung d'ran:
Der Juden Sitt' man sehen kann.[17]
Vor einer Mod' die andre weicht,
Das zeigt, wie unser Sinn ist leicht
Und wandelbar zu aller Schande,
Und wieviel Neuerung ist im Lande.
Der Rock, – wie kurz und wie beschnitten! –
Reicht kaum bis zu des Leibes Mitten!
Pfui Schande deutscher Nation,
Daß man entblößt, der Zucht zum Hohn,
Und zeigt, was die Natur verhehlt!
Drum ist es leider schlecht bestellt
Und hat wol bald noch schlimmern Stand:
Doch weh, wer Ursach' gibt zur Schand'!
Dem wird, der solche Schande leidet,
Ein unverhoffter Lohn bereitet!
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
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