[18] Schon steh' ich an der Grube dicht,
Des Schinders Messer mich schon sticht,
Doch – meine Narrheit lass' ich nicht!
Ein alter Mann, der mühsam an Stäben einherwankt, das Schindmesser schon am Rücken spürt und mit einem Fuße im Grabe steht, trägt doch noch die Narrenkappe. Das Bild trägt die Ueberschrift: Haintz Narr und ein leeres Wappenschild, in welches gar manches alten Narren Wappenbild passen würde.
»Die Narrheit läßt mich nicht sein greis;
Ich bin hochalt, doch ganz unweis,
Ein böses Kind von hundert Lenzen
Läut' ich die Schell' der Jugend Tänzen.
Den Kindern geb' ich Regiment
Und mach' mir selbst ein Testament,
Das wird nach meinem Tod mir leid.
Mit bösem Beispiel und Bescheid
Treib' ich, was meine Jugend lernte;[18]
Daß meine Bosheit Ehre ernte
Wünsch' ich und rühm' mich meiner Schande,
Weil ich betrogen viele Lande
Und hab' gemacht viel Wasser trübe;
In Bosheit ich mich allzeit übe
Und ist mir leid, daß ich's nicht mag
Vollbringen mehr die alten Tag';
Doch was ich jetzt nicht mehr kann treiben,
Soll meinem Heinz empfohlen bleiben;
Mein Sohn wird thun, was ich gespart,
Er schlägt mir wol nach in die Art;
Es stehet ihm recht stattlich an
Und lebt er, wird aus ihm ein Mann.
Er sei mein Sohn, muß man einst sagen;
Dem Schelme wird er Rechnung tragen
Und wird in keinem Ding sich sparen
Und in dem Narrenschiff auch fahren!
Es soll mich noch im Grab ergetzen,
Daß er mich wird so ganz ersetzen!« –
Nach solchem jetzt das Alter trachtet,
Die Weisheit es gar nicht mehr achtet.
Susannens Richter zeigten wol,
Was man dem Alter trauen soll:
Ein alter Narr der Seel' nicht schont;
Der thut schwer recht, wer's nicht gewohnt.
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
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