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[77] Daß ich nur Zeitliches betrachte
Und auf das Ewige nicht achte,
Das schafft, weil mich ein Affe machte.
Ein Narr mit nackten Beinen hält eine Wage, in deren einer Schale der Sternenhimmel, in deren anderer eine Ritterburg befindlich ist. Das Zünglein neigt sich zu letzterer.
Ein Narr ist, wer sich rühmt mit Spott,
Daß er das Himmelreich ließ Gott,
Und wünscht nur, daß er leben mag
In Narrheit bis zum jüngsten Tag
Und bleiben mög' ein guter Gesell',
Fahr' er dann hin, wo Gott befehl'.
Ach Narr, gäb' es selbst Erdenfreud',
Die Tag und Nacht währt' ohne Leid,
Daß sie nicht würd' verbittert dir,
So möcht' ich denken doch in mir,
Daß du dir wünschest eine Sach',
Die närrisch ist und klein und schwach.
Denn der fürwahr als Thor sich brüstet,
Den hier die Läng' zu leben lüstet,
Wo nichts ist denn das Jammerthal:
Kurz Freud', lang Leid steckt überall.
Gedenken soll man wol dabei,
Daß hier kein bleibend Wesen sei,
Dieweil wir werden all gesandt
Von hinnen in ein fremdes Land.
Viel sind vorauf, uns ruft der Tod,
Wir müssen doch einst schauen Gott,
Es sei zur Freude oder Straf'.
Drum sage an, du thöricht Schaf,
Ob größre Narrn je war'n auf Erden,
Als die, so dies mit dir begehrten?
Du willst von Gotte scheiden dich
Und wirst dich scheiden ewiglich.
Ein Honigtröpflein dir gefällt,[78]
Und hast dort Galle ungezählt;
Einen Augenblick währt hier die Freud',
Dort ewig Freude sowie Leid.
Drum, wer mit Frevel treibt solch Wort,
Den irrt sein Anschlag hier und dort.
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
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