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[108] Wer Lust verspürt, daß er hofiere
Nachts auf der Gasse vor der Thüre,
Den lüstet, daß er wachend friere.
Bei Mond- und Sternenschein begießt eine nackte Schöne aus ihrem Fenster fünf Narren, drei Musici und zwei Sänger, die ihr ein Hofrecht machen, d.h. ein Ständchen bringen, mit Kammerlauge aus dem Nachtgeschirr. Der kleinere Sänger, welcher den Mund weit aufsperrt, scheint übel wegzukommen.
Jetzt wär' schier aus der Narrentanz,
Aber das Spiel doch noch nicht ganz,
Wenn nicht hier wären auch die Löffel,
Die Gassentreter und die Göffel,
Die durch die Nacht nicht ruhen können,
Wenn sie nicht auf der Gasse rennen
Und schlagen Laute vor der Thür,
Ob nicht das Mädchen schau' herfür.
Nichts Andres von der Straß' sie bringt,
Bis man mit Kammerlaug' sie zwingt
Oder sie grüßt mit einem Stein.
Es ist die Freud' in Wahrheit klein:
In Winternächten zu erfrieren,
Wenn sie der Gäuchin so hofieren
Mit Saitenspiel, mit Pfeifen, Singen,
Am Holzmarkt über die Blöcke springen.
Das thun Studenten, Pfaffen, Laien,
Die pfeifen zu dem Narrenreihen,
Und einer schreit, jauchzt, brüllt und plärrt,
Als würd' zur Schlachtbank er gezerrt.
Ein Narr es da dem andern kündet,
Wo man ihn hinbeschieden findet,
Dort muß man ihm ein Hofrecht machen.
So heimlich hält er seine Sachen,[109]
Daß Jedermann davon muß sagen,
Die Fischer es auf Kübeln schlagen.
Gar Mancher läßt die Frau im Bette,
Die lieber Kurzweil mit ihm hätte
Und tanzt dafür am Narrenseil.
Wenn das gut endet, braucht es Heil!
Ich schweige derer, die es freut,
Daß sie stolziern im Narrenkleid,
Doch wenn man Narren jene hieße,
Gar Mancher sich am Namen stieße.
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
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