LXIII.

[110] Voll Furcht, mir gingen Narren ab,

Hab' ich durchsucht den Bettelstab,

Und wenig Witz ich funden hab'.


Ein Bettler, anscheinend blind, von einem Hündchen geführt, hinkt neben einem Esel her, der auf seinem Rücken zwei Hängekörbe mit kleinen Kindern trägt. Die zurückgebliebene, wohlgekleidete Frau thut einen tüchtigen Zug aus einer Flasche. In der Ferne eine Stadt.


Von Bettlern.

Der Bettel hat auch Narren viel,

Man schafft sich Geld durch Bettelspiel

Und will mit Betteln sich ernähren.

Mönchsorden, Pfaffen sich beschweren,

Daß sie, die Reichsten, wären arm.

Ach, Bettel, daß sich Gott erbarm!

Du bist um Nothdurft auserdacht

Und hast viel Geld zusammenbracht.

Doch schreit der Prior: »Mehr ins Haus!«

Dem Sack, dem ist der Boden aus.

Desgleichen thun die Heilthumführer,

Die Stirnenstößer, Stationirer,

Die keiner Kirms vorübergehn,

Wo sie nicht öffentlich ausstehn[110]

Und schrein, sie führten in dem Sack

Das Heu, das tief vergraben lag

Unter der Krippe zu Bettelheim,

Oder von Bileams Esel ein Bein,

Eine Feder aus Sanct Michels Flügel

Und von Sanct Jörgens Roß den Zügel

Oder die Bundschuh' von Sanct Claren.

Mancher treibt Bettel in solchen Jahren,

Wo jung er ist, stark und gesund

Und werken könnte jede Stund',

Nur daß er sich nicht gern mag bücken,

Ihm steckt ein Schelmenbein im Rücken.

Seine Kinder müssen's jung verstehn,

Ohn' Unterlaß zum Bettel gehn

Und lernen wol den Bettelschrei,

Sonst bräch' er ihnen den Arm entzwei

Und ätzte ihnen Wunden und Beulen,

Damit sie könnten schrein und heulen.

Ihrer sitzen vierundzwanzig noch

Zu Straßburg in dem Dummenloch,

Ohn' die man setzt' in den Waisenkasten.

Aber Bettler pflegen selten zu fasten:

Zu Basel auf dem Kohlenberk

Da treiben sie ihr Bubenwerk.

Sie wälschen durch das Terich roth

Und haben ihr bequemes Brod.

Jeder Stabil ein Hörnlüten hat,

Die foppt, färbt, ditzet durch die Stadt,

Dem Pred'ger heischt Geld ihre Stimme,

Der lugt, wo sei der Joham grimme,

Und läuft durch alle Schöchelboß,

Wo Rübling junen ist recht los;

Hat er besevelt hier und dort,

So schwänzt er sich dann wieder fort,[111]

Veralchend über den Breithart

Stiehlt er die Breitfüß' und Flughart,

Damit er sie flößle und Lüßling abschneide;

Grantner, Klantvetzer geben ihm Geleite.

Gar wunderlich geht's jetzt in der Welt:

Wie trachtet man doch so nach Geld!

Herolde, Sprecher, Parzivante,

Die straften öffentlich sonst Schande

Und hatten dadurch Ehre viel;

Jetzt jeder Narr laut sprechen will

Und tragen Stäblein rauh und glatt,

Damit er werde Bettels satt.

Ihm wär' es Leid, wenn heil das Gewand;

Bettler besch ... jetzt alle Land'.

Des Einen Kelch muß silbern sein,

Gehn täglich sieben Maß hinein;

Der geht auf Krücken im Tageslicht,

Wenn er allein ist, braucht er's nicht.

Dieser kann fallen vor den Leuten,

Daß Jedermann muß auf ihn deuten;

Der leihet Andern die Kinder ab,

Daß er einen großen Haufen hab'.

Der einen Esel mit Körben beschwert,

Wie einer der nach Sanct Jacob fährt.

Der eine hinkt, der muß sich bücken,

Der bindet sich ein Bein auf Krücken

Oder ein Todtenbein unter's Wamms.

Wenn man recht schaute nach der Wunden,

Säh' man, wie das wär' angebunden.

Noch bin ich nicht am Bettelziel,

Denn es sind leider Bettler viel

Und werden stets noch mehr und mehr,

Denn Betteln, – das schmerzt Niemand sehr,

Nur den, der es aus Noth muß treiben;[112]

Sonst ist's gar gut ein Bettler bleiben:

Vom Bettelwerk verdirbt man nit,

Viel schaffen Weißbrod sich damit

Und trinken nicht den schlichten Wein:

Es muß Reinfall, Elsässer sein.

Gar Mancher verläßt auf Betteln sich,

Der spielt, buhlt, hält sich üppiglich;

Denn hat er verschlemmt sei Gut und Hab',

Schlägt man ihm Betteln doch nicht ab:

Ihm ist erlaubt der Bettelstab.

Mit Betteln nähren viele sich,

Die reicher sind als du und ich!

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 110-113.
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Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel 1494
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Nach der Erstausgabe (Basel 1494) mit den Zusätzen der Ausgaben von 1495 und 1499 sowie den Holzschnitten der deutschen Originalausgaben (Neudrucke Deutscher Literaturwerke)
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