LXXV.

[139] Der lug' und treff', wer schießen will!

Zum rechten Griff das rechte Ziel!

Sonst gibt es Narrenschüsse viel!


Drei Narren sind mit Armbrustschießen beschäftigt. Die früheren Pfeile haben jedoch statt des Zieles das Segel des Narrenschiffes getroffen, welches seitwärts am Gestade liegt.


Von schlechten Schützen.

Wollt' es die Schützen nicht verdrießen,

Ich stellt' auch an ein Narrenschießen,

Macht' einen Schießrain am Gestade,

Wer den verfehlte, dem wär's Schade.

Dazu wär'n Gaben auch bestellt:

Der Nächste beim Ziel, das wär' der Held,

Wenn ihm nicht würd' Verstechen kund.

Drum hüt' er sich, halt' nicht zum Grund[139]

Noch in die Höh', vielmehr aufs Ziel,

Wenn er den Zweck berühren will,

Und thu den Anschlag nicht zu eilig!

Viele schießen zu hoch, sich zum Verdruß,

Dem bricht der Bogen, die Sehn' oder Nuß,

Der thut beim Anschlag manchen Schlipf,

Dem wird verrückt Stuhl oder Schipf

Deß Armbrust geht los, wenn er sie nur rührt,

Das macht, die Sehne ist geschmiert;

Dem steckt das Ziel nicht so wie eh'r,

Den Merkpunkt findet er nicht mehr,

Der hat gemacht der Schüsse viel,

Doch sind sie alle weit vom Ziel,

So daß ihm wird die Sau kaum wol,

Wenn man zuletzt verstechen soll.

Kein Schütze sich so wohl verhält,

Er findet immer, was ihm fehlt,

Dann dies, dann jenes, damit er hätte

Ein Wehrwort, das den Glimpf ihm rette,

Und hätte er nicht gefehlt darin,

Dann wäre die Gabe sein Gewinn.

Sodann weiß ich noch Schützen mehr,

Die hören, daß fern ein Schießen wär',

Zu dem von allen Landen Leut'

Hinziehen zur bestimmten Zeit,

Die besten, die man finden kann,

Deren jeder oft schon Preise gewann,

Denn jeder Schuß trifft grad' ins Ziel, –

Nun kenn' ich doch der Gecken viel,

Die wissen, daß sie nichts gewinnen

Und ziehen dennoch kühn von hinnen,

Dort zu versuchen auch ihr Heil:

Deren Zehrung nehm' ich für ihr Theil.[140]

Vom Glücksspiel will ganz still ich sein:

Die Sau wird ihm im Aermel schrein!

Gar weise Mancher schießen will,

Und Wenige treffen in das Ziel.

Das macht, man zielt nicht recht aufs Feld,

Zu niedrig oder zu hoch man hält,

Der läßt sich bringen aus dem Visier

Und dem zerbricht der Anschlag schier,

Der thut wie Jonathan einen Schuß

Und dem fährt ganz heraus die Nuß.

Wer weise treffen will das Ziel,

Bedarf dazu wol solcher Pfeile,

Wie Herkules deren hatte viel,

Mit denen er traf, was er begehrte,

Und was er traf, fiel todt zur Erde.

Wer recht mit Weisheit schießen will,

Der schau, daß er halt' Maß und Ziel,

Denn fehlt er, oder hält nicht drauf,

Nimmt zu den Narren er den Lauf.

Wer schießen will und fehlt den Rain,

Der trägt die Sau im Aermel sein;

Wer jagen, stechen, schießen will,

Hat wenig Nutzen und Kosten viel.

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 139-141.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel 1494
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Nach der Erstausgabe (Basel 1494) mit den Zusätzen der Ausgaben von 1495 und 1499 sowie den Holzschnitten der deutschen Originalausgaben (Neudrucke Deutscher Literaturwerke)
Das Narrenschiff:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt

Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt

In Paris ergötzt sich am 14. Juli 1789 ein adeliges Publikum an einer primitiven Schaupielinszenierung, die ihm suggeriert, »unter dem gefährlichsten Gesindel von Paris zu sitzen«. Als der reale Aufruhr der Revolution die Straßen von Paris erfasst, verschwimmen die Grenzen zwischen Spiel und Wirklichkeit. Für Schnitzler ungewöhnlich montiert der Autor im »grünen Kakadu« die Ebenen von Illusion und Wiklichkeit vor einer historischen Kulisse.

38 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon