|
[139] Der lug' und treff', wer schießen will!
Zum rechten Griff das rechte Ziel!
Sonst gibt es Narrenschüsse viel!
Drei Narren sind mit Armbrustschießen beschäftigt. Die früheren Pfeile haben jedoch statt des Zieles das Segel des Narrenschiffes getroffen, welches seitwärts am Gestade liegt.
Wollt' es die Schützen nicht verdrießen,
Ich stellt' auch an ein Narrenschießen,
Macht' einen Schießrain am Gestade,
Wer den verfehlte, dem wär's Schade.
Dazu wär'n Gaben auch bestellt:
Der Nächste beim Ziel, das wär' der Held,
Wenn ihm nicht würd' Verstechen kund.
Drum hüt' er sich, halt' nicht zum Grund[139]
Noch in die Höh', vielmehr aufs Ziel,
Wenn er den Zweck berühren will,
Und thu den Anschlag nicht zu eilig!
Viele schießen zu hoch, sich zum Verdruß,
Dem bricht der Bogen, die Sehn' oder Nuß,
Der thut beim Anschlag manchen Schlipf,
Dem wird verrückt Stuhl oder Schipf
Deß Armbrust geht los, wenn er sie nur rührt,
Das macht, die Sehne ist geschmiert;
Dem steckt das Ziel nicht so wie eh'r,
Den Merkpunkt findet er nicht mehr,
Der hat gemacht der Schüsse viel,
Doch sind sie alle weit vom Ziel,
So daß ihm wird die Sau kaum wol,
Wenn man zuletzt verstechen soll.
Kein Schütze sich so wohl verhält,
Er findet immer, was ihm fehlt,
Dann dies, dann jenes, damit er hätte
Ein Wehrwort, das den Glimpf ihm rette,
Und hätte er nicht gefehlt darin,
Dann wäre die Gabe sein Gewinn.
Sodann weiß ich noch Schützen mehr,
Die hören, daß fern ein Schießen wär',
Zu dem von allen Landen Leut'
Hinziehen zur bestimmten Zeit,
Die besten, die man finden kann,
Deren jeder oft schon Preise gewann,
Denn jeder Schuß trifft grad' ins Ziel, –
Nun kenn' ich doch der Gecken viel,
Die wissen, daß sie nichts gewinnen
Und ziehen dennoch kühn von hinnen,
Dort zu versuchen auch ihr Heil:
Deren Zehrung nehm' ich für ihr Theil.[140]
Vom Glücksspiel will ganz still ich sein:
Die Sau wird ihm im Aermel schrein!
Gar weise Mancher schießen will,
Und Wenige treffen in das Ziel.
Das macht, man zielt nicht recht aufs Feld,
Zu niedrig oder zu hoch man hält,
Der läßt sich bringen aus dem Visier
Und dem zerbricht der Anschlag schier,
Der thut wie Jonathan einen Schuß
Und dem fährt ganz heraus die Nuß.
Wer weise treffen will das Ziel,
Bedarf dazu wol solcher Pfeile,
Wie Herkules deren hatte viel,
Mit denen er traf, was er begehrte,
Und was er traf, fiel todt zur Erde.
Wer recht mit Weisheit schießen will,
Der schau, daß er halt' Maß und Ziel,
Denn fehlt er, oder hält nicht drauf,
Nimmt zu den Narren er den Lauf.
Wer schießen will und fehlt den Rain,
Der trägt die Sau im Aermel sein;
Wer jagen, stechen, schießen will,
Hat wenig Nutzen und Kosten viel.
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
|
Buchempfehlung
Als Hoffmanns Verleger Reimer ihn 1818 zu einem dritten Erzählzyklus - nach den Fantasie- und den Nachtstücken - animiert, entscheidet sich der Autor, die Sammlung in eine Rahmenhandlung zu kleiden, die seiner Lebenswelt entlehnt ist. In den Jahren von 1814 bis 1818 traf sich E.T.A. Hoffmann regelmäßig mit literarischen Freunden, zu denen u.a. Fouqué und Chamisso gehörten, zu sogenannten Seraphinen-Abenden. Daraus entwickelt er die Serapionsbrüder, die sich gegenseitig als vermeintliche Autoren ihre Erzählungen vortragen und dabei dem serapiontischen Prinzip folgen, jede Form von Nachahmungspoetik und jeden sogenannten Realismus zu unterlassen, sondern allein das im Inneren des Künstlers geschaute Bild durch die Kunst der Poesie der Außenwelt zu zeigen. Der Zyklus enthält unter anderen diese Erzählungen: Rat Krespel, Die Fermate, Der Dichter und der Komponist, Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde, Der Artushof, Die Bergwerke zu Falun, Nußknacker und Mausekönig, Der Kampf der Sänger, Die Automate, Doge und Dogaresse, Meister Martin der Küfner und seine Gesellen, Das fremde Kind, Der unheimliche Gast, Das Fräulein von Scuderi, Spieler-Glück, Der Baron von B., Signor Formica
746 Seiten, 24.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro