LXXVIII.

[147] Viel Narren reif sind bis zum Drücken,

Die Thoren sind in manchen Stücken,

Denen sitzt der Esel auf dem Rücken.


Ein Esel springt mit den Vorderfüßen einem Narren auf den Rücken, so daß dieser zu Boden fällt.


Von gedrückten Narren.

So viele sind im Narrenorden,

Ich wäre fast vergessen worden

Und um des Schiffes Abfahrt kommen,

Hätt' ich nicht des Esels Ruf vernommen.

Ich bin, den alle Dinge drücken,

Will mich in einen Winkel bücken,

Ob wol der Esel vorbei will gehn,

Nicht stets auf meinem Rücken stehn,

Und wenn ich nur Geduld recht hab',

Hoff' ich, vom Esel zu kommen ab;

Doch hab' ich sonst Gesellen gut,

Die drückt das, was mich drücken thut:

Der Eine folgt nicht gutem Rath,

Der zürnt, wenn er nicht Ursach hat;

Der kaufet Unglück, trauert ohn' Grund,

Ist lieber im Krieg als daheim und gesund;

Der sieht seinen Kindern Muthwillen nach,

Der ist mit dem Nachbar zum Streite jach;

Der leidet, daß der Schuh ihn drückt,

Die Frau ins Wirthshaus nach ihm schickt, –

Die stehen all' im Narrenbuche.

Wer mehr verzehrt, als er gewinnt,

Und borget viel, was ihm zerrinnt,

Wer seine Frau führt Andern vor,

Der ist ein Narr, Gauch, Esel, Thor;

Wer bedenkt die Menge der Sünden sein,

Und was er drum muß leiden Pein,

Und kann doch fröhlich sein damit,[148]

Der taugt nicht selbst zum Eselritt, –

Es muß der Esel auf seinen Rücken,

Um ihn zu Boden ganz zu drücken.

Der ist ein Narr, dem Gutes gefällt,

Und der dem Bösen nach doch stellt.

Hiermit sind viele Narren berührt,

Die dieser Esel mit sich führt.

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 147-149.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel 1494
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Nach der Erstausgabe (Basel 1494) mit den Zusätzen der Ausgaben von 1495 und 1499 sowie den Holzschnitten der deutschen Originalausgaben (Neudrucke Deutscher Literaturwerke)
Das Narrenschiff: