[67.]

[169] Der narr Marsyas der verlor

Das man jm abzoch hut vnd hor

Hielt doch die sackpfiff / noch als vor


67. Nitt wellen eyn nar syn

Nitt wellen eyn nar syn

Die eygenschafft hat yeder narr

Das er nit kan genemen war

Das man syn spott / dar vmb verlor

Der narr Marsyas hut vnd hor

Aber narrheit ist so verblänt

Eyn narr zů allen zytten wänt

Er sy witzig / so man sin lach

Vnd eyn jufftäding vß jm mach[170]

Stelt er sich ernstlich zů der sach /

Das man jn ouch für witzig halt

Biß jm die pfif vß dem ermel fallt /

Wer vil gůt hat / der hat vil fründ

Dem hilfft man redlich ouch zů sünd

Eyn yeder lůgt wie er jn schynd

So lang das wärt / biß er würt arm

So spricht er / heu das gott erbarm

Wie hat ich vor / nochlouff so vil

Keyn fründ ist der mich trösten wil /

Hett ich das vor by zyt betraht

Ich wer noch rich vnd nit veraht /

Eyn groß torheyt ist das für wor

Welcher verdůt jn eynem jor

Do er syn tag solt leben mitt

Das er das üppecklich vß gyt

Vnd meynt zyttlich füroben han

Das er mög noch dem bättel gan

So jm dann stoßt vnder syn hend

Armůt / verachtung / spott / ellend /

Vnd er zerryssen loufft / vnd bloß

So kumbt jm dann der ruwen stoß /

Wol dem der jm fründ machen kan

Vß gůt / das er doch hye můß lan

Die jn trösten vnd by jm ston /

So er ist allenthalb verlon

Dar gegen ist manch narr vff erd

Der sich annymbt närrscher geberd

Vnd wann man jnn joch schünd vnd süt

So kund er doch gantz nütz dar mitt

Dann das er ettwan die oren schütt /

Will närrisch syn mit allem fliß

Doch nyemans gfeltt syn narren wiß /

Wie wol er glich eym narren důt

Nimbt doch syn schympf niemās für gůt

Ouch sprechen von jm ettlich gsellen

Der nar woltt sich gern närrisch stellen

So kan er weder wiß noch gberd[171]

Er ist eyn narr / vnd nyemans werd /

Vnd ist eyn seltzen ding vff erd

Mancher will syn ein witzig man

Der sich doch nymbt der dorheit an

Vnd meynt das man jn rümen sol

Wa man spricht / der kan narrheit wol

Dar gegen sint vil narren ouch

Die vß gebrütet hat eyn gouch

Die wellen von der wißheyt sagen

Es sy gehowen oder gschlagen

So went sie witzig syn gezelt

So man sie doch für narren heltt /

Wann man eyn narren knützschet kleyn

Als man den pfeffer důt jm steyn

Vnd stieß jn dar jnn joch lang jor

So blib er doch eyn narr als vor /

Dann yedem narren das gebrist /

Das wonolff / btriegolfs brůder ist

Mancher der ließ sich halber schynden

Vnd jm alle viere mit seylen bynden

Das jm alleyn ging gelt dar vß

Vnd er vil golds hett jnn sym huß

Der lytt ouch das er läg zů bett

Vnd er der richen siechtag hett

Vnd man jn wie eyn bůben schiltt

Echt er dar von hett zyns vnd gültt

Mit zymlich nyeman bnügen will

Wer vil hat / der will han zů vil

Vß richtum vbermůt entspringt

Richtum gar seltten demůt bringt

Was soll eyn dreck wann er nit stinckt /

Vil sint alleyn / die hant keyn kynd

Keyn brůder noch sunst nohe fründ

Vnd hören nit vff arbeitten doch

Ir ougen fültt keyn richtum ouch

Noch gdenckē nit / wem werck ich vor

Hab übelzyt ich gouch vnd tor

Gott gibt manchem richtum vnd ere[172]

Vnd gbrist synr sel / nüt anders mer

Dann das jm gott nit dar zů gitt

Das er das bruch zů rechter zitt

Ouch das nit nyessen zymlich gtar

Jo es eym frömbden füller spar /

Tantalus sitzt jnn wassers lust /

Vnd hatt an wasser doch gebrust

Wie wol er sicht die öppfel an

Hat er doch wenig freüd dar von

Das schafft / das er jm selbs nit gan


Quelle:
Sebastian Brant: Das Narrenschiff, Basel 1494, S. 169-173.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel 1494
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Nach der Erstausgabe (Basel 1494) mit den Zusätzen der Ausgaben von 1495 und 1499 sowie den Holzschnitten der deutschen Originalausgaben (Neudrucke Deutscher Literaturwerke)
Das Narrenschiff:

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Meine Erinnerungen an Grillparzer

Meine Erinnerungen an Grillparzer

Autobiografisches aus dem besonderen Verhältnis der Autorin zu Franz Grillparzer, der sie vor ihrem großen Erfolg immerwieder zum weiteren Schreiben ermutigt hatte.

40 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon