|
[169] Der narr Marsyas der verlor
Das man jm abzoch hut vnd hor
Hielt doch die sackpfiff / noch als vor
Die eygenschafft hat yeder narr
Das er nit kan genemen war
Das man syn spott / dar vmb verlor
Der narr Marsyas hut vnd hor
Aber narrheit ist so verblänt
Eyn narr zů allen zytten wänt
Er sy witzig / so man sin lach
Vnd eyn jufftäding vß jm mach[170]
Stelt er sich ernstlich zů der sach /
Das man jn ouch für witzig halt
Biß jm die pfif vß dem ermel fallt /
Wer vil gůt hat / der hat vil fründ
Dem hilfft man redlich ouch zů sünd
Eyn yeder lůgt wie er jn schynd
So lang das wärt / biß er würt arm
So spricht er / heu das gott erbarm
Wie hat ich vor / nochlouff so vil
Keyn fründ ist der mich trösten wil /
Hett ich das vor by zyt betraht
Ich wer noch rich vnd nit veraht /
Eyn groß torheyt ist das für wor
Welcher verdůt jn eynem jor
Do er syn tag solt leben mitt
Das er das üppecklich vß gyt
Vnd meynt zyttlich füroben han
Das er mög noch dem bättel gan
So jm dann stoßt vnder syn hend
Armůt / verachtung / spott / ellend /
Vnd er zerryssen loufft / vnd bloß
So kumbt jm dann der ruwen stoß /
Wol dem der jm fründ machen kan
Vß gůt / das er doch hye můß lan
Die jn trösten vnd by jm ston /
So er ist allenthalb verlon
Dar gegen ist manch narr vff erd
Der sich annymbt närrscher geberd
Vnd wann man jnn joch schünd vnd süt
So kund er doch gantz nütz dar mitt
Dann das er ettwan die oren schütt /
Will närrisch syn mit allem fliß
Doch nyemans gfeltt syn narren wiß /
Wie wol er glich eym narren důt
Nimbt doch syn schympf niemās für gůt
Ouch sprechen von jm ettlich gsellen
Der nar woltt sich gern närrisch stellen
So kan er weder wiß noch gberd[171]
Er ist eyn narr / vnd nyemans werd /
Vnd ist eyn seltzen ding vff erd
Mancher will syn ein witzig man
Der sich doch nymbt der dorheit an
Vnd meynt das man jn rümen sol
Wa man spricht / der kan narrheit wol
Dar gegen sint vil narren ouch
Die vß gebrütet hat eyn gouch
Die wellen von der wißheyt sagen
Es sy gehowen oder gschlagen
So went sie witzig syn gezelt
So man sie doch für narren heltt /
Wann man eyn narren knützschet kleyn
Als man den pfeffer důt jm steyn
Vnd stieß jn dar jnn joch lang jor
So blib er doch eyn narr als vor /
Dann yedem narren das gebrist /
Das wonolff / btriegolfs brůder ist
Mancher der ließ sich halber schynden
Vnd jm alle viere mit seylen bynden
Das jm alleyn ging gelt dar vß
Vnd er vil golds hett jnn sym huß
Der lytt ouch das er läg zů bett
Vnd er der richen siechtag hett
Vnd man jn wie eyn bůben schiltt
Echt er dar von hett zyns vnd gültt
Mit zymlich nyeman bnügen will
Wer vil hat / der will han zů vil
Vß richtum vbermůt entspringt
Richtum gar seltten demůt bringt
Was soll eyn dreck wann er nit stinckt /
Vil sint alleyn / die hant keyn kynd
Keyn brůder noch sunst nohe fründ
Vnd hören nit vff arbeitten doch
Ir ougen fültt keyn richtum ouch
Noch gdenckē nit / wem werck ich vor
Hab übelzyt ich gouch vnd tor
Gott gibt manchem richtum vnd ere[172]
Vnd gbrist synr sel / nüt anders mer
Dann das jm gott nit dar zů gitt
Das er das bruch zů rechter zitt
Ouch das nit nyessen zymlich gtar
Jo es eym frömbden füller spar /
Tantalus sitzt jnn wassers lust /
Vnd hatt an wasser doch gebrust
Wie wol er sicht die öppfel an
Hat er doch wenig freüd dar von
Das schafft / das er jm selbs nit gan
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff
|
Buchempfehlung
Schnitzlers erster Roman galt seinen Zeitgenossen als skandalöse Indiskretion über das Wiener Gesellschaftsleben. Die Geschichte des Baron Georg von Wergenthin und der aus kleinbürgerlichem Milieu stammenden Anna Rosner zeichnet ein differenziertes, beziehungsreich gespiegeltes Bild der Belle Époque. Der Weg ins Freie ist einerseits Georgs zielloser Wunsch nach Freiheit von Verantwortung gegenüber Anna und andererseits die Frage des gesellschaftlichen Aufbruchs in das 20. Jahrhundert.
286 Seiten, 12.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro