Vierte Scene.

[136] Posaunen nähern sich. Sechs Mönche mit langen Wachslichtern eröffnen den Zug. Nach ihnen vier mit Posaunen; hierauf sechs Mönche mit dem Sarge, hinter diesem der Kaiser in langem weißen Talare, ein Kruzifix mit beiden Händen an die Brust drückend. Ihm folgen die ältesten Mönche, an deren Seite jüngere mit Fackeln. Den Zug schließen des Kaisers Diener in reicher Kleidung. Sie schreiten unter nachfolgendem Gesang, begleitet von Posaunen, feierlich einher und stellen sich so, daß der Sarg der Länge nach zu stehen kommt, der Kaiser am Fuße desselben, mit dem Antlitze gegen die Zuschauer, bei der nothwendigen Annahme, daß der Hochaltar vorne außerhalb der Bühne sei; um ihn reihen sich symmetrisch alle Mönche.


CHOR DER MÖNCHE.

Mortis semper esto memor,

Vita mortis incrementum;

Omnis autem fugit tremor

Per aeternum sacramentum.

DER KAISER mit erhobener Stimme, von den Posaunen recitativartig begleitet.

Ich dachte deiner,

Befreiender Tod!

Im Brausen der Schlacht

Wie im Abendroth,

Wenn in reiner,

Süßer Maienluft[137]

Die Seele über Blüten schwebte,

Alles Todte belebte.

Jeder meiner Erdentage

War mir leises Verwehen

Und Vergehen

Oft in Klage;

Die Säulen des Ruhms,

An den Marken meines Eigenthums,

Den weltgetrennten, meergeschiednen,

Grüßten mich nur,

Den nie Zufriednen,

Als Leichensteine der Menschennatur.

Sie stehen noch und prunken

Mit der Macht, die gesunken;

Ich streifte die Krone vom Scheitel:

Alles ist eitel!

CHOR DER MÖNCHE wie anfangs.

DER KAISER wie vorher.

Wiege des Lebens, Grab.

Zieh den Müden hinab:

Den letzten Traum zu träumen,

Dann ohne Säumen,

Auch diesem entrafft,

Neu zu versuchen die neue Kraft,

Ewig zu leben,

Endlos![138]

Ich streifte die Krone vom Scheitel,

Alles ist eitel –

CHOR DER MÖNCHE.

Saaten nur, in Gott gesä't,

Wuchern bis die Welt vergeht!


Der Kaiser und alle Übrigen knien nieder und beten stumm, unter feierlichem Glockenschalle; dann erheben sich die Mönche und ziehen, den ersten Chorgesang wieder anstimmend, langsam hinaus. Faust folgt ihnen erschüttert, den Blick nach dem Kaiser, der knieend, das Antlitz auf den Sarg gelehnt, zurückbleibt.


Quelle:
Braun von Braunthal, [Karl Johann]: Faust. Eine Tragödie, Leipzig 1835, S. 136-139.
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