Dritter Auftritt.

[124] Henley, und hernach Widston.


HENLEY. Wie kleinmüthig wird er! Ich muß meine Vorsicht verdoppeln, daß mein Sieg mir nicht aus den Händen schlüpft. Widston tritt auf. Danke es deinen mir geleisteten Diensten, daß ich deine vorige Weichherzigkeit vergessen kann; allein mache dich meines Vertrauens nicht unwürdig.

WIDSTON. Dieß Verbrechen ist mir unmöglich.

HENLEY. Vernimm nunmehr, was mich vorhin so bestürzt gemacht hat. – So bald Klerdon hier angelangt war, bewog ich ihn, sich allen möglichen Lustbarkeiten zu überlassen. Doch alle diese[124] Zerstreuungen haben nicht hindern können, daß ich nicht oft die Spuren einer tiefen Schwermuth an ihm bemerkt hätte. Kurz, Klerdon büßet bereits für seine Verbrechen. Wie angenehm würde seine Marter meinem Hasse seyn, wenn sie mir nicht wegen seiner künftigen Veränderung Furcht erweckte. Jedoch sein Ehrgeiz, den ich zu rechter Zeit rege zu machen weiß, die Zerstreuungen, in denen er durch mich beständig herum irrt, und der Charakter eines Freygeists, den er öffentlich angenommen hat, werden ihm schon den Weg zur Besserung verschließen. Noch ein oder zwey Verbrechen mehr, so artet seine Schwermuth in Verzweiflung aus, so wird er vollkommen unglücklich, und ich glücklich und gerächt. – Doch ich zittere, wenn ich bedenke, was für eine furchtbare Hinderniß meiner Absichten ich heute erblickt habe. Granvillen, – einst seinen besten Freund. Nun wird deine Verwunderung über meine Bestürzung aufhören. Dieser kömmt gewiß ihn zu retten. Was meine Furcht vergrößert, ist daß, wie man mir gemeldet, seine Schwester ihn begleitet, beide diese Nacht hier angekommen, und den untern Theil dieses Hauses bezogen haben. –[125] Welcher Unglückselige muß ihm unsern Aufenthalt verrathen haben?

WIDSTON. Weiß Klerdon schon – – –

HENLEY. Er weiß noch nichts. Indessen muß er es bald erfahren. Und meine Rache – – doch was fürchte ich? diese soll mir dennoch nicht fehlschlagen. Klerdon triumphire noch nicht! Himmel und Erden sollen ihn dafür nicht schützen können. Eher will ich seinen Freund, seine Geliebte – – Umsonst sind sie zu seiner Rettung gekommen; – – sie mögen für sich selbst zittern! meine Rache soll sie gemeinschaftlich ergreifen! ihr gemeinschaftliches Verderben soll meinen Triumph erhöhen! – Ja, Widston, ich werde ein Mittel finden, sie alle dreye, einen durch den andern aufzuopfern.

WIDSTON. Wird nicht Ihre Liebe zum mindsten Miß Granville ausnehmen?

HENLEY. Was? Liebe? Wer mich beleidigt, und wäre er die Vollkommenheit selbst, und hätte ich ihm mein Leben zu danken, ich könnte ihn nicht lieben. Wünschte ich ja noch, sie zu besitzen, so wäre es, um ihr Henker zu seyn und sie unaussprechlich elend zu machen. Doch dazu bietet sich mir ein[126] leichterer Weg an. Klerdon liebt sie noch. Klerdon ist höchst eifersüchtig. Ehrgeiz und Eifersucht, beide tyrannisieren über sein Herz in gleich heftigem Grade. Beide sollen sein Verderben und die Diener meines Hasses seyn. – Nun kennst du den ganzen Plan meiner Rache! Sage, ist er nicht meiner würdig? Gemeine Geister sind zufrieden, wenn sie ihren Gegnern nur ihre jetzigen Tage vergiften. So enge Grenzen sind für mich nicht gemacht. Ich will meinen Beleidiger, wo es möglich ist, noch bis über die Pforten des Grabes verfolgen, und mich an der stolzen Vorstellung ergetzen, ihm selbst jenes Glück vernichtet zu haben, das sonst über alle sterbliche Gewalt erhaben ist.

WIDSTON. Sie setzen mich in Verwunderung. Wie? Gedanken von jener Zukunft können Sie beschäfftigen, ohne diesen Anschlag in Ihnen zu ersticken?

HENLEY. Wundre dich darüber nicht; rede ich gleich die Sprache des Freygeists, so fällt es mir doch schwer, so zu denken. – Wie sehr wünschte ich das Gegentheil! – Vielleicht würde ich selbst ein eifriger Verehrer der Religion seyn, besäße ich nicht[127] das, was große Geister Ehre, der gemeine Haufe Rachgier nennt. Die Religion verbeut es, ich kann sie nicht lieben. Diese Leidenschaft ist mir so theuer geworden, hat sich meine ganze Seele so unterwürfig gemacht, daß ich eines Feindes Verderben selbst mit meinem eignen erkaufen wollte. Und bin ich nicht durch Jugend und Gesundheit gesichert? Das Alter wird vielleicht dieß gewaltige Feuer in mir bändigen, und wenn meine Feinde schon lange eine Beute des Verderbens geworden sind, werde ich noch Zeit haben – – – doch hinweg mit dergleichen Gedanken! jetzt entferne ich mich, auf Mittel zu denken, Granvillens Gegenwart fruchtlos, und vielleicht beiden verderblich zu machen. Folge mir bald nach, vielleicht möchte ich deiner dabey bedürftig seyn. Nur erinnere dich, wem solche Geheimnisse anvertrauet sind, der muß zu schweigen, oder zu sterben wissen. Geht ab.


Quelle:
Joachim Wilhelm von Brawe: Der Freygeist, in: Trauerspiele des_–, Berlin 1763, S. 124-128.
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