Zehnter Auftritt


[147] Valerio, Sarmiento.


VALERIO. Nun, lieber lustiger Gast, Ihr kennt mich, so mögt Ihr auch wissen, wie hoch ich meine Freunde halte. Gönnt mir die Freude nach der Verwunderung, Ihr seid sicher einer aus der alten guten Zeit, mit dem ich mich vielleicht meiner Jugend freute. O gönnt mir den alten guten Freund!

SARMIENTO. Du rührst mich, Valerio. Die alte Zeit, da wir jung waren, ist nun jung, da wir alt sind; wir wollen in der jungen Zeit uns unsers Alters freuen. Schließe die Türen ab!

VALERIO schließt ab. Wir sind hier so geheim; nun offenbart Euch.

SARMIENTO nimmt die Maske ab. Gott grüße dich im Vaterland.

VALERIO umarmt ihn. Mein – mein Herr – mein alter gnädiger Herr – nicht mehr in Flandern – Sarmiento!

SARMIENTO. Du alter, treuer Freund!

VALERIO. Ihr – Ihr – ich werde toll – ich werde wieder jung.

SARMIENTO. Ruhig, ruhig – freue dich im Stillen, ich bin geheim hier.

VALERIO. Wie konnt ich Euch nicht raten? – Eben, weil ichs für unmöglich hielt – weil es mir das Liebste war. – Es ist doch nichts vorgefallen? – Was bringt Ihr dann zurück?

SARMIENTO. Ich habe meinen Dienst quittiert – und will nun mit dir und den Meinen lustig sein.

VALERIO. Ich will doch meine Tochter rufen.

SARMIENTO. Nein, es soll es niemand wissen; du kannst doch schweigen?[147]

VALERIO. Die Frage geht mir heute zum erstenmal ans Herz; sonst ging sie mir ans Maul, und das schwieg.

SARMIENTO. So laß das Herz voll dieser Frage sein, und du wirst schweigen, wenn deine Lippe überfließt.

VALERIO. Aber Euer Sohn, Eure Töchter?

SARMIENTO. Sollen nichts wissen! Ich will sie probieren und in der Eile wissen, was ich an ihnen habe, da ich sie so lange vermißte, daß ich nicht viel Zeit verlieren mag, sie kennen zu lernen. Mein Sohn Felix ist verliebt? Was weißt du davon?

VALERIO. Er ist sehr zärtlich, es ist die Tochter der Witwe Domingos de las Torres, die in Saragossa wohnt. Es ist ein gutes Mädchen, und reich, sie ist hier bei ihrer Tante.

SARMIENTO. Ich kenne die Mutter, ich sprach sie in Saragossa; doch ist es wahr, daß er sich so gar zärtlich anstellt?

VALERIO. Ein nun, ich stehe manchmal Schildwache, wenn er ihr Serenaten bringt, während die Tante zu Besuche ist.

SARMIENTO. Pfui – das ist dumm – der Junge hat keinen Mut aber ich habe schon gesorgt, das wird anders werden.

VALERIO. Da irrt Ihr sehr, er ist in den Stiergefechten immer der erste.

SARMIENTO. Eigne Art, die Tante mehr zu fürchten als den Stier. – Ist er in der Stadt?

VALERIO. Er ist auf Eurem Gute, eine Meile von hier, bei seinen Schwestern, die er sehr liebt.

SARMIENTO. Brav, was wißt Ihr von denen?

VALERIO. Nichts.

SARMIENTO. Das ist der beste Ruf. – Wann kommt Felix zurück?

VALERIO. Heute abend erwartet man ihn auf dem Ball, den ihm seine Freunde, des verstorbnen Don Ponce und Aquilars Söhne, geben; da könnt Ihr ihn bequem sehen.

SARMIENTO. Was ist aus den beiden geworden, was sind es für Gesellen?

VALERIO. Gute Gesellschafter, und galant, ritterlich – reiten, fechten. –

SARMIENTO. Stadthelden! – Die Leute müssen alle nach Flandern.

VALERIO. Aquilar ist lustig und leicht, ein toller, lebendiger Bursche.[148]

SARMIENTO. Wie der Vater – und Ponce, auf den bin ich begierig, sein Vater starb am Kurzweil seiner Mutter, und die Mutter an der Langweiligkeit seines Vaters. Er muß ein närrischer Junge sein.

VALERIO. Das weiß Gott – ein wunderlicher, wetterwendscher Kerl, der alle Leute unterhält und immer lange Weile hat, witzig und verlegen, hart und wohltätig, geht immer wie ein Verliebter herum, hat alle Weiber nach der Reihe in sich vernarrt, und quält sie mit Kälte.

SARMIENTO. Du scheinst ihn gut zu kennen; du lebst wohl in deinen alten Tagen mit den Wildfängen?

VALERIO. Ja, ich lebe mit ihnen, ich muß wohl, sie haben mich zu ihrem Maître de plaisir gemacht, ich halte ihnen ihren Aufwand in Ordnung, aber, du Gott – Ponce hat sich dafür zu meinem Maître de chagrin gemacht, er hat Valerien so verrückt, daß sie mit ihm davonliefe, wenn er sie nur recht wollte.

SARMIENTO. Doch in Ehren?

VALERIO. Ich wollte, er läge so fest in Eisen, als mein Mädchen in Ehren.

SARMIENTO. Sei zufrieden, das giebt sich; Ponce interessiert mich, hinter dem steckt etwas, – Porporino ist noch lustig, wie ich sehe; wie geht es ihm sonst?

VALERIO. Seit Ihr ihn mir brachtet, habe ich ihn täglich lieber gewonnen, er war immer unverdrossen, er war ein so guter Bürger als Ritter, er hat sich auf alles gelegt, ist immer lustig und treu, – wenn sich je seine Eltern melden, er wird ihr Sohn sein können, wer sie auch sind. – Aber auch meiner könnte er sein.

SARMIENTO. Er liebt Valerien – warum wollte er dann nach Flandern ziehn?

VALERIO. Seht, er hat sich mehrere Mal mit Aquilar geschlagen, der ihn immer mit der Unbekanntheit seiner Eltern neckte, und da Ponce ihm nun sein Mädchen so ganz eingenommen hat, zog er fort nach Flandern.

SARMIENTO. Warum schlug er sich nicht mit Ponce?

VALERIO. Er sagte, solang ihn Valeria liebt, darf ich ihm nichts tun; aber seine Mutter ist aus Flandern, so will ich gehen, seine Vettern zu prügeln.[149]

SARMIENTO. Brav, und wendete aus Liebe wieder um, auch gut! Mit deinem Mädchen wird es werden. Wie ging es dir denn, Alter?

VALERIO. Ich nährte mich knapp und ehrlich, Valeria arbeitete, Porporino gab Unterricht im Fechten, Reiten und der französischen Sprache, so ging es gut.

SARMIENTO. Knapp? wie hast du gehaust?

VALERIO. Ihr habt mir jährlich 400 Scudi ausgeworfen; jetzt ist es ein beträchtliches Kapital, ich lebte von den Interessen, und heute könnt Ihr das Kapital aufkündigen.

SARMIENTO. Du bist ein seltsamer Alter, – nun, wir wollen jetzt das Geld desto schneller miteinander verzehren.

VALERIO. Auf ewig Euer Gast, aber nie Euer Söldner.

SARMIENTO reicht ihm die Hand. Brav!


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 4, München [1963–1968], S. 147-150.
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